Читать книгу Liebe in der Hochtal-Heimat: 7 Bergromane - Cedric Balmore - Страница 17
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ОглавлениеEs mochte schon lange nach Mitternacht sein, als Dina von einem Geräusch erwacht, als ob jemand an das Fenster geklopft hätte. Ein kleiner Stein fällt in die Stube.
Mit einem Sprung ist Dina am Fenster. „Ist jemand da?“, fragt sie leise in die Finsternis hinab.
„Ich bin es, Lutz! Ich bin verwundet – kannst du mir aufmachen?
Dinas Augen haben sich jetzt an die Dunkelheit gewöhnt. Sie sieht einen zweiten Mann neben Walch.
„Wer ist das?“
„Ein Freund. Eile dich!“
Die Tante! Einen Augenblick durchfährt es Dina. Die schläft im Vorderhaus wohl tief und fest.
Dina schlüpft in einen Rock und in die Hausschuhe. Zitternd öffnet sie das hintere Scheunentor.
„Was ist geschehen?“, fragt sie voller Angst, als sie sieht, dass Walch, von einem anderen Mann gestützt, herein wankt.
„Nicht jetzt – oben“, stöhnt Walch. Vor der steilen Stiege reicht Walch dem zweiten Mann die Hand. „Habe Dank für die Hilfe, Nagiller. Morgen früh mache ich mich schon allein auf den Weg. Zeige dich nicht mit mir.“
„Ich hole dir heute den Arzt!“ Nagiller will nicht gehen.
„Nein, hier nicht, unterstehe dich! Mir ist schon viel besser. Dina wird mich verbinden. In Körtschach werde ich zu einem Arzt gehen und sagen, dass ich mich beim Laden des Gewehres verletzt habe.“
Dina schließt hinter Nagiller das Scheunentor. Dann führt sie Walch in ihre Kammer. Erschöpft lässt er sich auf das Bett fallen, das noch warm ist von Dinas Körper.
„Darf ich bleiben? Nur diese Nacht.“
„Gewiss, Lutz. Du musst bleiben.“ Dina ist gefasst und ruhig. Sie leert den Wasserkrug in die Schüssel und feuchtet ein Handtuch an. Walch fährt sich mit der Hand über die Stirne, unsicher tastend.
„Hat der Nagiller nicht zu laut gerufen? Hoffentlich ist deine Tante nicht aufgewacht!“
„Ich glaube nicht.“ Dina beruhigt ihn. „Wo bist du getroffen?“
„Ich denke, im rechten Schulterblatt. Aber ganz oben! Nicht gefährlich. Es darf niemand etwas erfahren. Nimm hier die Schachtel.“
Dina hebt den Kerzenleuchter empor. Walch reicht ihr eine Schachtel. Ein weißer Staub rinnt an den Fugen heraus.
„Was ist das?“
„Ein kostbares Pulver. Ich glaube Heroin, oder wie man es nennt.“
„Das ist doch Mehl! Gewöhnliches Mehl!“ Dina riecht an dem weißen, feinen Staub. Dann steckt sie den Finger hinein und kostet.
„Mehl, gewöhnliches Mehl.“
„Dieser Schurke“, stöhnt Walch. „Nun verstehe ich alles! Dina, du bist meine Rettung.“ Walch greift im Dunkeln nach ihr, während sie die Schachtel auf den Tisch stellt. Sie hört ihn weinen.
Dann reinigt Dina seine Wunde. Sie saugt das gestockte Blut tapfer mit dem nassen Tuch weg. Die Wunde selbst ist angekrustet, sie blutet nicht mehr.
„Dina, ich muss dich eines fragen …“ Walch fühlt sein Herz bis zum Hals schlagen. Seine Stimme klingt dunkel und brüchig.
„Du sollst nicht so viel reden“, mahnt sie ihn. Sie befestigt den Verband. Seinen blutdurchtränkten Rock wäscht sie über dem Becken aus. Walch erschrickt vor der Angst in ihrem Gesicht.
„Bevor der Tag graut, gehe ich weiter“, will er Dina trösten. „Nur bis Unterachen. Dort wird mich der Frächter mit seinem Wagen nach Körtschach mitnehmen. Jeder kann mitfahren. Ich habe kaum eine Stunde weit zu gehen. Du darfst keine Angst haben. Niemand wird ahnen, dass ich bei dir war.“
„Wo ist es geschehen?“, fragt Dina leise.
„Unter dem Larennjoch.“ Der Nagiller hat mich bis zur Malosa-Schlucht geschleppt. Hat sein eigenes Leben riskiert. Erst in der Höhle waren wir sicher. Es war Verrat im Spiel.“
„Wer?“, fragt Dina erregt.
„Androt selbst! Ich durchschaue jetzt alles. Zu spät! Er wollte uns beide erledigen, Nagiller und mich.“
„Und die Höhle? Was hat die Höhle mit euch Schmugglern zu tun?“
„Dort ist Androts Warendepot. Dorthin müssen wir jeden Tag die Schmugglerware tragen. Bis sie eines Tages über das Joch geschafft wird. Bei Sturm und Nebel.“
„Androt also!“
Das einzige, das Dina verspürt, ist maßlose Wut. Eine Wut und einen Hass auf den Mann, der an allem Unglück schuld ist. Auch an ihrem eigenen.
Nach einiger Zeit fährt Walch auf. „Wer ist draußen?“
„Niemand“, beruhigt ihn Dina. „Niemand.“
„Doch, ich spüre es.“
Walch schläft ein.
Und Dina wacht.