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Kapitel 1

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28. April, 22:15 Uhr

Die Nacht senkte sich mit rabenschwarzen Flügeln herab. Ein goldener Pfeil schnellte durch das Gefieder und beleuchtete die Szenerie wie Scheinwerfer eine Bühne. Der Donnergott Thor freute sich auf das bevorstehende Schauspiel und brach in schallendes Gelächter aus.

Paula zuckte zusammen und packte die Griffe ihres Fahrradlenkers fester. Kurz hörte sie auf zu treten und ließ das Gefährt rollen. Die Räder rotierten langsamer, als versuchte die Göttin Fortuna, das Glücksrad anzuhalten, um es dann in die andere Richtung zu drehen und den Lauf des Schicksals zu wenden. Aber das konnte Paula nicht sehen.

Sie schaute sich um. Vor ihr lag der vertraute Park einsam da mit seinen hohen Bäumen und Basketballfeldern, Wasserspielen und Spielplätzen. Sie hatte versprochen, um Viertel vor zehn zu Hause zu sein, aber sie war bereits eine halbe Stunde zu spät, und ihre Mutter hatte den ersten Satz von Beethovens Klaviersonate Nr. 14 bestimmt schon von einem sanften Adagio in ein schnelles, unruhiges Allegro agitato verwandelt. Sollte sie kurz anrufen? Doch dazu müsste sie in ihrem Rucksack nach dem Handy kramen. Außerdem würde ihre Mutter das Gespräch mit vielen Tipps und Mahnungen füllen, in der Zeit hätte Paula längst die Haustür erreicht. Obendrein hatte der Akkustand vorhin einen einstelligen Prozentwert angezeigt und war wahrscheinlich längst bei null.

Ein weiterer Blitz züngelte über den Himmel und erhellte das nur wenige Meter entfernte Tor, das den Eingang zum Park markierte. Paula erschien es wie eine spontane Einladung, die Abkürzung durch die Grünanlage zu nehmen. Auf diese Weise wäre sie in wenigen Minuten daheim. Wenn sie auf der beleuchteten Straße um das Gelände herumfuhr, so wie sie es um diese Uhrzeit sonst immer tat, würde sie mindestens zwanzig Minuten länger brauchen.

Die Warnung ihrer Mutter, den Park bei Nacht zu meiden, brodelte in ihren Gedanken auf wie Wasser in einem Wasserkocher. Bevor sie jedoch weiter darüber nachdenken konnte, zerschnitt der nächste Blitz den Himmel. Die Funkenentladung formte eine Hand, deren sehnige Finger nach ihr zu greifen schienen. Erste schwere Regentropfen klatschten ihr ins Gesicht.

Sie kippte den Schalter des imaginären Wasserkochers um und ließ den Ratschlag ihrer Mutter verdampfen. Sie hatte eine gute Fahrradbeleuchtung, es war nicht weit und plötzlich konnte sie es gar nicht mehr abwarten, im Trockenen zu sein.

Energisch trat sie in die Pedale, die Katzenaugen in den Speichen bewegten sich schneller und schneller.

Paula hatte ihre Entscheidung getroffen.

Artemis

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