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E. Das besondere öffentliche Interesse

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Straftaten werden prinzipiell von Amts wegen verfolgt (sog. Offizialmaxime). Bei den sog. Antragsdelikten wird dieser Grundsatz durchbrochen. Diese können grundsätzlich nur mit Willen des Berechtigten (in der Regel des Verletzten) verfolgt werden.

Während bei den sog. absoluten Strafantragsdelikten hiervon keine Ausnahme gemacht wird, können die sog. relativen Strafantragsdelikte trotz eines fehlenden Strafantrags bei Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung gleichwohl verfolgt werden. In Nr. 234 und Nr. 235 Abs. 2 S. 1 RiStBV finden sich Anhaltspunkte dafür, wann im Fall der Körperverletzung das besondere öffentliche Interesse in der Regel zu bejahen ist, im Kontext einer Körperverletzung im Straßenverkehr zusätzlich in Nr. 243 Abs. 3 RiStBV.

Verwechseln Sie das besondere öffentliche Interesse nicht mit dem (nur) öffentlichen Interesse gem. § 376 StPO. Das besondere öffentliche Interesse ersetzt den fehlenden Strafverfolgungswillen des Verletzten (= kein Strafantrag) und ist Prozessvoraussetzung.[13] Die Überbrückung des fehlenden Strafverfolgungswillens des Verletzten soll nach Ansicht des Gesetzgebers nur bei Vorliegen der hohen Hürde des besonderen öffentlichen Interesses möglich sein. Anders ist die Situation bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses im Kontext eines Privatklagedelikts: Dort wünscht der Verletzte die Strafverfolgung oder dessen Strafverfolgungswille ist wegen der Ausgestaltung als Offizialdelikt (§ 241 StGB) ipso iure unmaßgeblich. Die Staatsanwaltschaft ist nicht gezwungen einen (beachtlichen) fehlenden Strafverfolgungswillen zu überwinden, sodass sie das Verfahren schon bei Bejahung des einfachen öffentlichen Interesses (§ 376 StPO) an sich ziehen kann.

Merke: Die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses ersetzt den Strafantrag und ist Strafverfolgungsvoraussetzung, während die Staatsanwaltschaft durch Bejahung des öffentlichen Interesses die Art und Weise der Strafverfolgung modifiziert, indem sie die Verfolgung der Straftat an sich zieht.[14]

Bei relativen Strafantragsdelikten ist das Vorliegen des Strafantrags bzw. des besonderen öffentlichen Interesses in den Bundesländern an unterschiedlichen Stellen zu prüfen. Teilweise ist es üblich – in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ausdrücklich empfohlen[15] –, dass beide Gesichtspunkte erst nach der Deliktsprüfung angesprochen werden.[16] Anderenorts, etwa im OLG-Bezirk Hamm, wird das (Nicht-)Vorliegen des Strafantrags demgegenüber vor, das besondere öffentliche Interesse nach der Deliktsprüfung erörtert. Fehlen der Strafantrag und offenkundig auch das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung, wird empfohlen, dies direkt nach dem Obersatz festzustellen und den hinreichenden Tatverdacht ohne Deliktsprüfung abzulehnen.[17] Schließlich wird es für richtig erachtet, diese Fragen im Prozessgutachten zu erörtern. Hier sollten Sie – wie stets – der örtlichen Übung Ihres OLG-Bezirks folgen.

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Prüfungsrelevant sind in erster Linie diese relativen Antragsdelikte:

Sachbeschädigung: § 303 i.V.m. § 303c StGB
(Fahrlässige) Körperverletzung: §§ 223, 229 i.V.m. § 230 StGB
Eigentums- und Vermögensdelikte: § 242 StGB, § 246 StGB, § 257 Abs. 4 S. 2 StGB, § 259 Abs. 2 StGB, § 263 Abs. 4 StGB, § 266 Abs. 2 StGB jeweils mit § 248a StGB
Die Staatsanwaltsklausur: Prüfungswissen für das Assessorexamen

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