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7. Sonderproblem: Mord und Totschlag in Mittäterschaft

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Nach der Literatur, die überwiegend Totschlag und Mord als Grundtatbestand und Qualifikation begreift, ist die Möglichkeit von Mord und Totschlag in Mittäterschaft unproblematisch zu bejahen. Aber auch der BGH hat eine solche Möglichkeit bejaht, obwohl er beide Tatbestände als völlig selbstständig betrachtet. Zu entscheiden hatte er dabei folgendes

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Beispiel: Die M überredete ihren Sohn S dazu, ihre Tante T zu töten. Die M wollte dadurch die von T zu erwartende Erbschaft antreten. M forderte S auf, die schlafende T mit einer Bleikristallvase zu erschlagen, was S auch tat. S wollte seiner Mutter nur einen Gefallen damit tun. Von der zu erwartenenden Erbschaft wusste er nichts. Auch war S sich wegen affektiver Erregung nicht bewusst, gerade den Schlaf der T zur Tötung auszunutzen. M überwachte von der Tür aus das Geschehen und ordnete das Ende des Zuschlagens an, als sie erkannte, dass die T tot war. Strafbarkeit von S und M nach § 212 bzw. § 211 StGB? (Bleikristallvase-Fall nach BGHSt 36, 231)

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Lösung: S hat sich lediglich wegen Totschlags gem. § 212 StGB strafbar gemacht. Eine Strafbarkeit wegen Mordes scheidet dagegen aus. Heimtücke würde voraussetzen, dass S die auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit der T bewusst ausgenutzt hat. Wegen der affektiven Erregung fehlte es jedoch laut Sachverhalt an einem solchen Ausnutzungsbewusstsein. Auch lag bei S keine Habgier im Sinne eines Gewinnstrebens um jeden Preis vor. Vielmehr wusste er von der Erbschaft überhaupt nichts. Schließlich sind auch niedrige Beweggründe zu verneinen. Allein die Tatsache, dass S der M, die seine Mutter war, einen Gefallen tun wollte, lässt nicht darauf schließen, dass es sich um ein sittlich auf tiefster Stufe stehendes Motiv handelte. S ist daher nur wegen Totschlags strafbar. §§ 223, 224 StGB sind tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft mitverwirklicht; jedoch treten sie hinter der vollendeten Tötung zurück. M könnte sich wegen mittäterschaftlicher Tötung nach §§ 212, 25 II StGB strafbar gemacht haben. M nutzte die Arg- und Wehrlosigkeit der T zu Tötungszwecken und handelte damit heimtückisch.[50] Auch ging es der M um das Erbe der T, so dass die Tötung der T von hemmungslosem Gewinnstreben um jeden Preis, auch um den Preis eines Menschenlebens getragen war. M handelte daher aus Habgier. Der Annahme eines mittäterschaftlichen Mordes steht nicht die Tatsache entgegen, dass S, dessen Tatbeiträge der M über § 25 II StGB zugerechnet werden, sich nur nach § 212 StGB strafbar gemacht hat. Ausgehend von der Literaturauffassung, die Totschlag und Mord als Grundtatbestand und Qualifizierung begreift, ergibt sich die Deliktsverschiebung hinsichtlich des Heimtückemerkmals bei M nicht aus § 28 II StGB, da es sich bei der Heimtücke nicht um ein täter-, sondern um ein tatbezogenes Mordmerkmal handelt. Vielmehr kann sich hier die Tatbestandsverschiebung nur aus der nach § 25 II StGB ergebenden gemeinschaftlichen Begehungsweise ergeben, bei der das zusätzlich heimtückische Handeln der M als Qualifikationstatbestand nach § 211 StGB auf den Grundtatbestand des § 212 StGB aufbaut. Hinsichtlich des Habgiermerkmals ergibt sich für die herrschende Lehre dagegen die Tatbestandsverschiebung daraus, dass wegen des Vorliegens von Grund- und Qualifikationstatbestand bei diesem täterbezogenen Mordmerkmal § 28 II StGB anwendbar ist. Geht man dagegen mit dem BGH davon aus, dass Mord und Totschlag „selbstständige, voneinander unabhängige Tatbestände mit verschiedenem Unrechtsgehalt“[51] sind, so verbietet sich hinsichtlich des Habgiermerkmals eine Anwendung des § 28 II StGB. Auch hilft § 28 I StGB nicht weiter, da dieser nur Anstifter und Gehilfen, nicht aber Mittäter betrifft. Der BGH ist jedoch im konkreten Fall davon ausgegangen, dass im Mord das Unrecht des Totschlags mit enthalten sei, sodass es sich auch bei der Verletzung unterschiedlicher Strafnormen um die gleiche Straftat handeln kann, wenn von diesen „die eine vollständig in der anderen enthalten ist“.[52] Hieraus folge, dass Mittäterschaft auch dann möglich ist, wenn bei einem einheitlichen Tötungsziel einer der Täter Mordmerkmale verwirklicht und nur deshalb „verschiedene“ Strafgesetze erfüllt werden.[53] Überträgt man diese Auffassung des BGH auf den zugrunde liegenden Fall, so ergibt sich, dass M, da sie – wie gezeigt – Mordmerkmale aufweist, den Tatbestand des § 211 StGB über die Zurechnungsnorm des § 25 II StGB erfüllt (und zwar sowohl hinsichtlich des Heimtücke- als auch hinsichtlich des Habgiermerkmals), obwohl der gemeinsam mit ihr tötende S keine Mordmerkmale verwirklichte und sich „nur“ gem. § 212 StGB strafbar gemacht hat. Die Literatur kommt zu diesem Ergebnis, indem sie bei der Deliktsverschiebung für das objektive Heimtückemerkmal auf das aufeinander aufbauende Unrecht von Grund- und Qualifikationstatbestand nach §§ 212, 211 StGB abstellt, während sie für das Habgiermerkmal über § 28 II StGB zur Tatbestandsverschiebung gelangt. Die von M gleichzeitig verwirklichte Anstiftung zum Totschlag nach §§ 212, 26 StGB sowie die mittäterschaftlich verwirklichten §§ 223, 224 StGB treten hinter dem vollendeten mittäterschaftlichen Mord zurück.

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