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1. Das Verhältnis der Tötungsdelikte zu §§ 223 ff. StGB

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Nach ganz h. M. schließen sich Tötungsvorsatz und Körperverletzungsvorsatz nicht gegenseitig aus, sodass strukturell jede vorsätzliche Tötung zugleich auch eine vorsätzliche Körperverletzung mitverwirklicht, da die Tötung die intensivste Form einer Körperverletzung darstellt.[54] Die Körperverletzung wird daher als notwendiges Durchgangsstadium der Tötung grundsätzlich mitverwirklicht (sog. Einheitstheorie).[55] Die vor allem früher vertretene sog. Gegensatztheorie, nach der sich Tötungs- und Körperverletzungsvorsatz ausschließen, sollte in der Klausur eher nicht vertreten werden.[56]

Die Folge der Einheitstheorie ist allerdings nicht, dass notwendig Idealkonkurrenz zwischen dem Tötungsdelikt und dem Körperverletzungsdelikt anzunehmen ist.[57] Vielmehr gilt Folgendes:

a) Ist das Tötungsdelikt vollendet, so tritt das notwendig mitverwirklichte Körperverletzungsdelikt grundsätzlich hinter diesem Tötungsdelikt als subsidiär zurück.[58]

b) Ist das Tötungsdelikt hingegen nur versucht, so tritt die gleichzeitig verwirklichte Körperverletzung hierzu in Idealkonkurrenz, da nur auf diese Weise der Unrechtsgehalt des mitverwirklichten Körperverletzungsdelikts im Urteilstenor zum Ausdruck gebracht werden kann.[59]

Sonderproblem: Sperrwirkung der Privilegierung des § 216 StGB gegenüber §§ 224, 226 StGB im Falle des Rücktritts

Das Problem wird veranschaulicht durch folgenden kurzen

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Fall 4: Die schwer krebskranke B bittet den Arzt A, ihr eine tödliche Spritze zu verabreichen. A tut dies aus Mitleid, entsinnt sich dann aber doch seines hippokratischen Eides und verabreicht ihr – nachdem schon Vergiftungserscheinungen eingesetzt hatten – ein lebensrettendes Gegengift. Infolge der schon eingetretenen Vergiftung verfällt die B allerdings in ein schweres Siechtum. Strafbarkeit des A? (Gegengift-Fall)

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Lösung:

I. Denkbar ist eine Strafbarkeit wegen versuchter Tötung auf Verlangen, §§ 216 II, 22, 23 StGB.

1. Der Tötungserfolg ist nicht eingetreten.

2. Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus § 216 II StGB.

3. A hatte auch Tatentschluss hinsichtlich des § 216 StGB, da sein Vorsatz auf Umstände gerichtet war, die im Falle der Vollendung § 216 StGB verwirklicht hätten.

4. Durch die Verabreichung des Giftes lag auch nach allen Theorien ein unmittelbares Ansetzen zum Versuch vor.

5. Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

6. Gegeben ist jedoch der persönliche Strafaufhebungsgrund des Rücktritts, da A freiwillig den Erfolg der Tat verhindert hat (§ 24 I S. 1 Alt. 2 StGB).

Ergebnis: A ist nicht strafbar nach §§ 216 II, 22, 23 StGB.

II. In Betracht kommt jedoch eine Bestrafung wegen gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223, 224 I Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 Alt. 2 und Nr. 5 StGB.

1. Tatbestandsmäßigkeit

Der Erfolg des Körperverletzungsdeliktes war bereits eingetreten, da die Wirkungen des Gifts schon eingesetzt hatten. Dabei liegen auch die Voraussetzungen der Qualifikation nach § 224 I Nr. 1 Alt. 1, 2 Alt. 2 und 5 StGB vor, da die Körperverletzung durch Beibringung von Gift bzw. mittels eines gefährlichen Werkzeugs erfolgte und sich auch als das Leben gefährdende Behandlung darstellte. A hatte auch Verletzungsvorsatz im Hinblick auf §§ 223, 224 StGB, da sich Tötungs- und Körperverletzungsvorsatz nicht ausschließen (herrschende Einheitstheorie im Gegensatz zur früher vertretenen Gegensatztheorie).

Fraglich ist allerdings, ob aus der Privilegierungsfunktion des § 216 StGB nicht eine Sperre für die Anwendung des § 224 StGB erwächst.[60] Hätte A nämlich die Tötung auf Verlangen vollendet, so wären alle Körperverletzungsdelikte dahinter grundsätzlich als subsidiär zurückgetreten. Die Anwendung des § 224 StGB, der ein höheres Strafmaß als § 216 StGB erlaubt, liefe damit im Ergebnis auf ein Rücktrittsverbot hinaus.[61] Indessen ist die Annahme einer Sperrwirkung im Falle eines Zusammentreffens von § 216 StGB und § 224 StGB zu verneinen, da Friktionen durch die Annahme eines minder schweren Falls nach § 224 I a. E. StGB vermieden werden können, ohne dass es einer teleologischen Reduktion im Tatbestandsbereich bedarf.[62]

2. Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

3. Für die Strafzumessung ist dann aber die rechtsfolgenbeschränkte Sperrwirkung des § 216 StGB für § 224 StGB zu berücksichtigen, sodass ein minder schwerer Fall nach § 224 I a. E. StGB anzunehmen ist.

III. Denkbar ist auch eine Bestrafung wegen schwerer Körperverletzung nach 226 I Nr. 3 Alt. 2 StGB.

1. Zur Verwirklichung des Grunddelikts vgl. oben.

2. Als schwere Folge der Körperverletzung ist die B in Siechtum verfallen, sodass der objektive Tatbestand des § 226 StGB grundsätzlich erfüllt wäre. Fraglich ist allerdings, ob § 216 StGB nicht wenigstens im Verhältnis zu § 226 StGB eine Sperrwirkung entfalten muss.[63] Tatsächlich wird man eine derartige Sperrwirkung deshalb annehmen müssen, weil andernfalls der Rücktritt vom Versuch des Vergehens nach § 216 StGB zu einer Bestrafung wegen eines Verbrechens nach § 226 StGB führen könnte. Die für § 224 StGB befürwortete rechtsfolgenbeschränkte Sperrwirkung genügt also im Verhältnis zu § 226 StGB nicht. Zwar kennt auch § 226 StGB minder schwere Fälle, jedoch ändern diese nicht den Verbrechenscharakter, sodass ein Rückgriff auf § 226 StGB im Falle des Vorliegens eines Versuchs des § 216 StGB grundsätzlich ausgeschlossen sein muss.[64]

Ergebnis: Eine Strafbarkeit nach § 226 I Nr. 3 Alt. 2 StGB scheidet aus.

IV Gesamtergebnis: A ist strafbar wegen eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 224 I a. E. StGB.

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