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IV. Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB
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Vgl. hierzu zunächst die ausführliche Darstellung der erfolgsqualifizierten Delikte im Allgemeinen Teil (Jäger, AT, Rn. 563 ff.).
Wichtig ist hier der spezifische Gefahrzusammenhang zwischen Grundtatbestand und schwerer Folge. Dazu noch einige Beispiele:
Beispiel 1:[62] A warf den Hochsitz, auf dem Jäger J saß, um. Dieser brach sich den Knöchel und wurde operiert. Nach seiner Entlassung hütete J fast ununterbrochen das Bett. Er war nämlich nicht darauf hingewiesen worden, dass er sich bewegen müsse, um der Gefahr einer Lungenembolie entgegenzuwirken. Tatsächlich entstand eine Embolie, an deren Folgen J starb.
Lösung: Nach Auffassung des BGH ist hier § 227 StGB erfüllt. Die Vorschrift sei nicht etwa deshalb abzulehnen, weil die zunächst verursachte Verletzung (Knöchelbruch) für sich genommen nicht lebensbedrohlich erschien. Denn die Sprunggelenksfraktur hat typisch zu einem längeren Krankenlager des Verletzten geführt, das nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit die Entwicklung lebensgefährlicher Embolien befördert. Auch sei das Verkennen von Gefahren und das Nichtergreifen wirksamer Gegenmaßnahmen nicht derart unwahrscheinlich, dass hierdurch der spezifische Gefahrzusammenhang im Rahmen des § 227 StGB unterbrochen würde. Damit hält sich der BGH im Rahmen der h. A., die bei Kunstfehlern, sofern sie nicht grob fahrlässiger Natur sind, eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs verneint (fraglich ist freilich, ob die völlige Nichtaufklärung bzgl. der Notwendigkeit von Bewegung nicht doch eher als grobe Fahrlässigkeit hätte gewertet werden müssen).
Beispiel 2:[63] A und B misshandelten den C in dessen im 10. Stockwerk gelegener Wohnung, um eine Geldherausgabe zu erzwingen. Die Schläge waren dabei so hart, dass es bei C zu zeitweiligen Bewusstseinsstörungen kam. Zur Erholung ließen A und B den C daher am offenen Fenster Luft schnappen. Angesichts der Übermacht und Brutalität geriet C in Panik, verlor die Selbstkontrolle und ließ sich wortlos aus dem Fenster fallen. Der Sturz war tödlich.
Lösung: Folgt man der Auffassung des BGH, dass zum einen die deliktsspezifische Gefahr auch von der Körperverletzungshandlung ausgehen kann und zum anderen keine Kausalität zwischen Körperverletzungserfolg und dem Tod des Opfers erforderlich ist,[64] so kommt eine Strafbarkeit nach § 227 StGB in Betracht. Diese hat der BGH hier auch bejaht, da der Tod des verletzten C noch die unmittelbare Folge der Körperverletzung gewesen sei, auch wenn dieser erst durch den Sturz aus dem Fenster herbeigeführt wurde. Die Fähigkeit des Opfers zu klaren Denkabläufen und folgerichtigem Handeln sei vorliegend nicht mehr gegeben gewesen, sodass im Gegensatz zu Bsp. 3 das Opfer nicht mehr in der Lage war, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Vielmehr sei die Reaktion des Opfers die naheliegende, spezifische Folge der durch die Misshandlung herbeigeführten Paniksituation gewesen, sodass von einem eigenverantwortlichen Handeln des Verletzten als selbstständige Ursache nicht gesprochen werden könne.
Beispiel 3:[65] A schlug die B so, dass ihr Nasenbein brach. Aus Angst vor A floh die B auf den Balkon, wo sie das Gleichgewicht verlor und tödlich in die Tiefe stürzte.
Lösung: Lässt man mit dem BGH zu, dass die deliktsspezifische Gefahr auch von der Körperverletzungshandlung ausgehen kann und es keiner Kausalität zwischen Körperverletzungserfolg und dem Tod des Opfers bedarf,[66] so kann § 227 StGB hier grundsätzlich einschlägig sein. Vorliegend hat der BGH eine Strafbarkeit nach § 227 StGB jedoch abgelehnt, weil der tödliche Ausgang nicht mehr Ausfluss der dem Grundtatbestand des § 223 StGB eigentümlichen Gefahr gewesen sei. Vielmehr sei ein eigenverantwortliches Verhalten des Opfers hinzugetreten und erst hierdurch der tödliche Erfolg bewirkt worden. Der BGH hat daher im Ergebnis nur eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung nach § 223 StGB (durch den Schlag auf die Nase) sowie wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB (wegen der ursächlichen Bewirkung der tödlichen Flucht, die auch nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbar gewesen sei) angenommen. Dabei stehen diese Delikte zueinander in Tateinheit.
Beispiel 4:[67] A versetzte seiner Ehefrau E mit einem 20 cm langen Küchenmesser in Verletzungsabsicht einen Stich in den Rücken. „In einer Kurzschlussreaktion“ stieg sie bei ihrer Flucht mit „Schwung“ auf das schmale Fensterbrett, rutschte aus und fiel mit tödlicher Wirkung etwa 25 m in die Tiefe.
Lösung: Im Gegensatz zum soeben genannten Beispiel 3 hat der BGH hier eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge bejaht. Er hat dies damit begründet, dass von dem Verhalten des A – Messerstich in den Rücken nach Todesdrohung bei auswegloser Lage des Opfers – auch die Gefahr ausging, dass E, die um ihr Leben fürchten musste, in Panik geriet und bei riskanten Fluchtversuchen zu Tode kommt. Die Entscheidung im Fall „Rötzel“ (s. soeben Beispiel 3) stehe dem nicht entgegen, da sich E hier weit stärker und damit anders als im Fall „Rötzel“ einer konkret lebensgefährlichen Körperverletzung ausgesetzt gesehen habe, was eine abweichende Bewertung der Typizität der Opferreaktion begründen könne. Unabhängig davon hält der 5. Senat des BGH die Entscheidung des 3. Senats des BGH im Fall Rötzel ohnehin für zu restriktiv. Sofern die anderen Senate dem 5. Strafsenat folgen, steht zu erwarten, dass bei allen Körperverletzungen von einigem Gewicht, die eine tödliche Flucht des Opfers auslösen, künftig § 227 StGB bejaht werden wird. Im konkreten Fall verdrängt § 227 StGB die §§ 223, 224 sowie § 222 StGB.