Читать книгу Examens-Repetitorium Strafrecht Besonderer Teil, eBook - Christian Jäger - Страница 91
2. Sonderproblem 2: Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen, §§ 227, 13 StGB
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Die Möglichkeit einer Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen wird vom BGH uneinheitlich behandelt.[80]
So setzt der Vorwurf (hier an eine Ehefrau), sich an einer Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen beteiligt zu haben, nach Auffassung des BGH voraus, dass sich der Vorsatz des Unterlassungstäters auf eine vom Handelnden (hier Ehemann) begangene Körperverletzung bezieht, die nach Art, Ausmaß und Schwere den Tod des Opfers befürchten lässt.[81] Das heißt, der Tod muss für den Unterlassungstäter aus der Art der Körperverletzung vorhersehbar sein, was nicht der Fall ist, wenn die Ehefrau weiß, dass ihr Mann in ihrer Abwesenheit das Kind schlagen wird, nicht aber die konkrete gefährliche Art und Weise der Schläge miterlebt. Wegen fehlenden nachweisbaren Vorsatzes verneinte der BGH im gegebenen Fall auch §§ 224, 13 StGB. Es blieb aber auf jeden Fall eine Bestrafung wegen Misshandlung Schutzbefohlener durch Unterlassen gem. §§ 225 I Nr. 1, 2; 13 StGB, d. h. Quälen durch Unterlassen, weil die Ehefrau gegen die ihr bekannten häufigen Misshandlungen durch ihren Ehemann nie eingeschritten ist (Quälen setzt typischerweise mehrere Handlungen oder Handlungen von großer Intensität voraus!). Gegeben sein kann darüber hinaus auch fahrlässige Tötung (wenn Gewalteskalationen vorhersehbar waren) und unterlassene Hilfeleistung.
Kritik: Die Beschränkung der Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen auf Fälle, in denen die eigentliche Verletzung bereits zuvor durch einen Gewalttäter stattgefunden hat, ist fragwürdig, weil das Unterlassen der Ehefrau in einem solchen Fall dennoch zu einer Intensivierung der körperlichen Schädigung mit nachfolgendem Tode führt. Das Abstellen auf die bereits zuvor erfolgte körperliche Misshandlung, die die eigentliche Todesursache bilde, ist daher zu einseitig.
In einem neueren Fall hat der BGH jedenfalls eine Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge (§§ 223, 227, 13 StGB) in einem Fall angenommen, in dem die Mutter die zum Tode des gemeinsamen Kindes führenden Gewalthandlungen, deren sie gewärtig wurde, nicht verhindert hat.[82]
Ebenso bejaht der BGH eine Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge, wenn der Unterlassende zuvor die Gefahr selbst geschaffen hat. Dazu das folgende aktuelle
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Beispiel:[83] A begab sich nach einem Club-Besuch zusammen mit G und einigen weiteren Personen in die Wohnung des G, um dort weiter zu feiern. Unmittelbar nach Eintreffen konsumierte A dort auf der Toilette GBL (Gamma-Butyrolacton, eine berauschende Substanz, die etwa in Reinigungsmitteln enthalten ist) in einer Dosis von etwa 2 ml. Die Konsummenge entnahm er mittels einer Spritze einer kleinen Flasche mit unverdünntem und hochkonzentriertem GBL, die er in seiner Hosentasche mit sich führte, nach dem Konsum aber im Wohnzimmer abstellte. Obwohl A einigen der Anwesenden gegenüber äußerte, dass das in der Flasche befindliche GBL wegen seiner Konzentration nur in ganz kleinen Konsumeinheiten eingenommen werden dürfe, trank der zu diesem Zeitpunkt stark alkoholisierte G aus der Flasche einen großen Schluck. Dabei wusste er zwar, dass sich GBL in der Flasche befand, ging jedoch von einer konsumfähigen Dosierung aus. A wurde über den Konsum durch G unterrichtet. G begab sich alsbald ins Schlafzimmer und schlief ein. Als A nach ihm schaute, hatte er nicht den Eindruck, G befinde sich in Lebensgefahr. Als nach einiger Zeit W, der zusammen mit G in der Wohnung lebte, zurückkam, schickte er die Gäste weg und bemerkte später, dass sich der Gesundheitszustand des G erheblich verschlechtert hatte. Ein herbeigerufener Notarzt brachte G ins Krankenhaus, wo er vier Tage später infolge eines durch das GBL verursachten Atemstillstands und einer dadurch hervorgerufenen Hirnschädigung verstarb.
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Lösung: Nach Ansicht des BGH ist bei einer Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge der erforderliche spezifische Gefahrzusammenhang regelmäßig – soweit nicht allgemeine Gründe für einen Ausschluss der Zurechenbarkeit der schweren Folge eingreifen – gegeben, wenn der Garant in einer vorwerfbaren Weise den lebensgefährlichen Zustand herbeigeführt hat, aufgrund dessen der Tod der zu schützenden Person eintritt.