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II. Klausurprüfungsreihenfolge

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Merke: Zurechnungsprobleme sind immer im objektiven Tatbestand abzuhandeln und zwar nach der Feststellung, dass der Erfolg eingetreten ist. Im Einzelnen ist dabei wie folgt vorzugehen:

Objektiver Tatbestand

a) Eintritt des tatbestandlichen Erfolges

b) Fraglich ist, ob der Täter für den Erfolg kausal geworden ist → Äquivalenztheorie und Subsumtion. Hier: Begriffe wie hypothetische Kausalverläufe, alternative Kausalität, kumulative Kausalität, überholende Kausalität bringen.

c) Problematisch ist, ob über diese zu einem regressus ad infinitum führende Kausalität im faktischen Sinne hinaus auch eine rechtliche Zurechnung gegeben ist. Eine derartige rechtliche Zuordnung ist nur dann zu bejahen, wenn die Handlung des Täters im konkreten Erfolg auch rechtlich wirksam geworden ist. Dabei wird die Haftung für einen Erfolg immer vermittelt durch die Haftung für die Gefahr, auf der er beruht, sodass zu fragen ist, ob der Täter eine unerlaubte Gefahr für das Rechtsgut geschaffen oder erhöht hat, die sich im (typischen) Erfolg realisiert hat. (Gegebenenfalls ist hier bei der Schaffung und Erhöhung der Gefahr das Stichwort Risikoverringerung, bei der Frage der Unerlaubtheit im Hinblick auf den Erfolg das Stichwort der rechtlich irrelevanten Gefahr bzw. des Schutzzwecks der Norm, einschließlich freiverantwortlicher Selbstgefährdung, und im Rahmen der Realisierung der konkreten Gefahr die Stichworte des rechtmäßigen Alternativverhaltens und der Verantwortungsverschiebung auf Dritte unterzubringen.)

Achtung: In der Klausur ist diese Prüfungsreihenfolge strikt einzuhalten. Die objektive Zurechnung darf erst nach Bejahung der Kausalität untersucht werden. Erscheint eine Information im Sachverhalt im Rahmen der objektiven Zurechnung relevant, so ist stets zuvor eine sehr gründliche Kausalitätsprüfung vorzunehmen. Denn es ist durchaus möglich, dass die Strafbarkeit des Täters bereits an der Kausalität seines Verhaltens scheitert. Daher gilt: Vor Prüfung der objektiven Zurechnung lohnt sich ein Blick zurück zur Frage der Kausalität, selbst wenn diese auf den ersten Blick gegeben zu sein scheint. Die Frage: „Wäre der konkrete Erfolg ohne die Handlung wirklich vermieden worden?“ muss daher sicherheitshalber immer gestellt werden.

Auf diese Weise lassen sich grundsätzlich alle Fälle zumindest sauber und vertretbar lösen, wenngleich man selbstverständlich stets auf Besonderheiten im Einzelfall zu achten hat. Das zeigt nochmals folgendes abschließendes

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Beispiel: A schlägt ihrem Ehemann B in Tötungsabsicht dreimal mit einer gusseisernen Bratpfanne auf den Kopf und entfernt sich anschließend. Danach schlägt ihre Tochter T mindestens noch einmal auf den Kopf des B ein. Später kommt die A zurück und schlägt noch einmal mit der Pfanne auf Bs Kopf ein. Welcher der Schläge zum Tod führte, lässt sich nicht mehr feststellen. Strafbarkeit von A und T nach § 212 StGB, wenn diese völlig unabhängig voneinander handelten? (Bratpfannen-Fall, abgewandelt nach BGH NJW 1966, 1823)

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Lösung: Die Handlung von A kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, selbst wenn erst der Schlag der T den Tod bewirkt haben sollte, da A die Voraussetzungen für das Handeln von T schuf. A ist demnach für den Tod des B kausal geworden, selbst wenn der Schlag der T den Tod bewirkt hat, wovon zugunsten der A auszugehen ist. Wird jedoch zu Gunsten der A unterstellt, dass der Schlag der T den Tod bewirkt hat, fehlt es aber an einer Schaffung oder Erhöhung einer unerlaubten Gefahr durch A, welche sich im konkreten Erfolg realisiert hat. Insofern ist die Gefahr von drei Schlägen nicht die, dass man durch einen vierten Schlag eines Dritten stirbt. Dann wäre A nicht gem. § 212 StGB, sondern nur gem. §§ 212, 22, 23 StGB wegen versuchter Tötung strafbar (vgl. zu Versuchsprüfung später, Rn. 405).

Zu Gunsten von T ist wiederum davon auszugehen, dass bereits die ersten Schläge der A den Tod herbeigeführt haben, sodass der Erfolg auch bei Hinwegdenken der Handlung der T nicht entfiele. Damit scheidet für T eine Strafbarkeit gem. § 212 StGB schon mangels nachweisbarer Kausalität aus. Jedenfalls ist aber auch sie gem. §§ 212, 22, 23 StGB zu bestrafen, sofern sie – wovon auszugehen ist – nicht wusste, dass B zu diesem Zeitpunkt bereits tot war.

Hinweis: Für T lässt sich mangels nachweisbarer Kausalität kein anderes Ergebnis vertreten. Für A dagegen lässt sich hier durchaus auch die Auffassung einer vollendeten Tötung vertreten, indem man die von ihr geschaffene (abstrakte) Gefahr genügen lässt, dass ein Dritter (hier: die Tochter) die Situation zu weiteren Schlägen ausnutzt.[107] Sie sehen daran, dass fast jedes Ergebnis vertretbar ist, sofern man bei der objektiven Zurechnung mit der Gefahr argumentiert. Ein schwerer Fehler wäre es allerdings, die Zurechnung mit dem Argument zu bejahen, dass der Erfolg ohne das Handeln der A nicht bewirkt worden wäre; denn damit bewegt man sich wieder in den Bahnen der Kausalität und verdeutlicht dem Korrektor, dass man den Unterschied zwischen Kausalität und objektiver Zurechnung in Wahrheit doch nicht kennt. Zur Frage der Behandlung einer möglichen Rechtfertigung oder Entschuldigung, die sich im Originalfall aufgrund der sog. Haustyrannenproblematik stellt, vgl. u. Rn. 138 f.

Achtung Klausur: Das Ergebnis – ein Toter, aber nur zwei Versuche – überrascht Studierende häufig und wird von ihnen als unangemessen empfunden. Aber das zu Unrecht, weil die Lösung eine Folge des Grundsatzes in dubio pro reo ist. Es lässt sich vielfach in der Rechtswirklichkeit die Täterschaft mangels Beweisen nicht zuordnen. Dann lautet das Ergebnis sogar: Ein Toter und überhaupt keine Strafbarkeit. Vorliegend reichen die Beweise wenigstens für eine Versuchsstrafbarkeit, aber eben nicht für eine Verurteilung aus dem vollendeten Delikt! Deshalb sind auch in Fällen der sog. kumulativen Kausalität nur zwei Versuche anzunehmen. Wenn also A und B dem C in Tötungsabsicht unabhängig voneinander 0,1 g Gift geben und C nur durch das Zusammenwirken des Gifts getötet wird, so ist zwar Kausalität gegeben (s. o. Rn. 34), nicht aber ist die objektive Zurechnung zu bejahen, denn es ist nicht die typische Gefahr von 0,1 g Gift, dass das Opfer durch 0,2 g stirbt.[108] Anders ist es bei der alternativen Kausalität (s. o. Rn. 34), denn dort ist nicht nur jede Giftmenge für sich gesehen ursächlich, sondern es realisiert sich im Tode auch die Gefahr bereits einer Dosis (die 0,1 g realisieren sich im Tode, unabhängig davon, dass sich auch die weiteren 0,1 g darin ausgewirkt haben).

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