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3. Sachgedankliches Mitbewusstsein

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Der Täter braucht im Tatzeitpunkt nicht über die einzelnen Tatumstände aktuell nachzudenken. Es genügt, dass er die Tatumstände „mitweiß“.[9]

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Beispiel: Der Polizeibeamte P entwendet im Supermarkt eine Banane, wobei er die Dienstwaffe bei sich führt, aber nicht konkret daran denkt. Strafbarkeit des P, wenn gegen ihn kein Strafantrag gestellt wurde?

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Lösung: § 242 I StGB ist tatbestandlich, rechtswidrig und schuldhaft erfüllt. Der Qualifikationstatbestand des § 244 I Nr. 1a StGB setzt objektiv voraus, dass der Täter eine Waffe bei sich führt. Umstritten ist diesbezüglich, ob Berufswaffenträger aus dem Qualifikationsbereich auszunehmen sind. Dagegen spricht jedoch, dass die von § 244 StGB vorausgesetzte erhöhte Gefährlichkeit des Waffenträgers gerade bei einem Diebstahl durch einen Polizisten erfüllt ist, da dieser im Falle der Ergreifung mit dienstrechtlichen Konsequenzen (einschließlich einer Entlassung) zu rechnen hat und daher ggf. eher zur Waffe greifen wird. Eine tatbestandliche Reduktion kommt daher nicht in Frage. Auch scheidet eine in der Lit. diskutierte entsprechende Anwendung des § 243 II StGB auf § 244 StGB aus, da die systematische Stellung des § 243 II StGB gegen eine derartige Analogie spricht. Für den Vorsatz hinsichtlich des Beisichführens der Waffe genügt es, dass der P den Besitz der Waffe „mitwusste“. Nicht erforderlich ist, dass P aktuell an das Beisichführen der Waffe gedacht hat. P ist strafbar wegen Diebstahls mit Waffen nach §§ 242 I, 244 I Nr. 1a StGB. Der fehlende Strafantrag hindert eine Strafverfolgung nicht, denn § 248a StGB bezieht sich nach seinem Wortlaut ausdrücklich nur auf Fälle der §§ 242 bzw. 246 StGB und findet daher auf qualifizierte Diebstähle nach § 244 StGB keine Anwendung.[10] Der gleichzeitig verwirklichte § 246 StGB tritt dahinter im Wege der formellen[11] Subsidiarität zurück (vgl. § 246 I a. E. StGB).

Hinweis: Das OLG Hamm[12] hat allerdings darauf hingewiesen, dass das Bewusstsein des Beisichführens nur im Regelfall allein aus dem objektiven Umstand des Tragens einer Waffe im technischen Sinne geschlossen werden kann. Zweifel an einem aktuellen Bewusstsein, eine Waffe zu tragen, können sich nach Ansicht des OLG Hamm gerade aus dem berufsmäßigen Tragen ergeben und seien insbesondere dann anzunehmen, wenn der Beamte etwa für das „Vergessen von Gegenständen“ bekannt ist oder wenn der Diebstahlsentschluss spontan gefasst wird (im konkreten Fall nach einer unmittelbar vorausgehenden telefonischen Auseinandersetzung mit der Ehefrau). Das OLG Hamm ging sogar noch einen Schritt weiter und forderte für das Vorliegen eines Bewusstseins des Beisichführens sogar eine Konstellation, in der eine entsprechende Vorstellung des Angeklagten gleichsam „auf der Hand liegt“.[13]

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Bemerkenswert ist, dass der BGH das sachgedankliche Mitbewusstsein auch auf Opferseite im Rahmen des Betrugs ins Spiel gebracht hat. So hat der BGH im Schiedsrichterskandal-Fall Hoyzer einen Irrtum kraft sachgedanklichen Mitbewusstseins bejaht. Der Fall lag so, dass A den Schiedsrichter H dazu gebracht hatte, dass dieser Spiele falsch pfeift. Nachdem sich H hierzu bereit erklärt hatte, setzte A im Wettbüro auf die entsprechende „Siegermannschaft“. Der BGH hat hier eine Täuschung des A gegenüber dem Angestellten im Wettbüro (Lotto/Toto) angenommen und den Vermögensschaden des Wettanbieters auf einen „Quotenschaden“ gestützt. Den Irrtum des Angestellten im Wettbüro gründete der BGH dabei auf ein „sachgedankliches Mitbewusstsein“ des Angestellten im Hinblick darauf, dass die wesentlichen Vertragsgrundlagen (Manipulationsfreiheit der gewetteten Spiele) vorliegen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass das Opfer bei den essentialia negotii stets davon ausgehe, „alles sei in Ordnung“. Mit den tatsächlichen Vorgängen in einem Lotto/Toto-Geschäft lässt sich dies freilich kaum vereinbaren, da wohl nicht davon auszugehen ist, dass sich ein dortiger Angestellter überhaupt Vorstellungen über die Frage der Manipulationsfreiheit macht. Der BGH fingiert hier daher wohl eher eine Fehlvorstellung bzgl. der wesentlichen Vertragsgrundlagen und lässt für eine ignorantia facti, die anerkanntermaßen keinen Irrtum auslöst, wohl nur dort Raum, wo es an einem geschäftlichen Kontakt überhaupt fehlt (näher zum konkreten Fall ausführl. Jäger, BT, Rn. 466 f. sowie zum Irrtum Jäger, BT, Rn. 478).

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