Читать книгу Examens-Repetitorium Strafrecht Allgemeiner Teil, eBook - Christian Jäger - Страница 50
2. Parallelwertung in der Laiensphäre
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„Kenntnis der Tatumstände und ihres Bedeutungsgehalts erfordert nicht die richtige Subsumtion unter ein Tatbestandsmerkmal, sondern nur die Kenntnis des vom Gesetzgeber unter Strafe gestellten Sachverhalts und seines Bedeutungsgehalts“[4] (= Parallelwertung in der Laiensphäre). Andernfalls könnte nur der Jurist bestimmte Straftaten begehen.[5]
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Beispiel 1: Student A lässt am Porsche des Professors P die Luft aus den Reifen heraus. In der Hauptverhandlung wegen Sachbeschädigung lässt er sich dahingehend ein, dass so etwas doch keine Sachbeschädigung sein könne. Er habe geglaubt, dass Sachbeschädigung ein „Kaputtmachen im Sinne eines Reifenaufstechens“ voraussetze, und außerdem müssten in Deutschland derartige Späße erlaubt sein. Strafbarkeit des A?
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Lösung: Sachbeschädigung nach § 303 I StGB ist jeder nicht ganz unerhebliche Eingriff in eine Sache, der zu einer nicht nur unerheblichen Substanz- oder Gebrauchsbeeinträchtigung führt.[6] Voraussetzung des Vorsatzes ist nicht, dass der Täter unter eine Strafvorschrift genau subsumieren kann. Entscheidend ist vielmehr bei normativen Begriffen, dass er den Bedeutungsgehalt des jeweiligen Merkmals erfasst hat. Dies ist hier der Fall, weil er wusste, dass er durch das Herauslassen der Luft die Brauchbarkeit des PKW aufhob. Dass A sich eine andere Vorstellung vom Sachbeschädigungsbegriff machte, ändert daher nichts daran, dass er sich der Bedeutung des Verhaltens, das der Gesetzgeber unter Strafe stellt, bewusst war (hinreichende Parallelwertung in der Laiensphäre). Der Subsumtionsirrtum des A schließt daher seinen Vorsatz nicht aus. Die Tatsache, dass A geglaubt hat, derartige Späße müssten erlaubt sein, kann allenfalls einen – bei gehöriger Gewissensanspannung vermeidbaren – Verbotsirrtum begründen, bei dem die Strafe nach § 17 S. 2 StGB gemildert werden kann (fakultative Strafmilderung).
Achtung Klausur: Wenn Sie sich klar machen, dass dem Täter, um eine hinreichende Parallelwertung in der Laiensphäre zu haben, nur dasjenige bewusst gewesen sein muss, „was der Richter definiert“, dann laufen alle Fälle grundsätzlich nach demselben Schema und setzen nur eine genügende Definitionskenntnis im Besonderen Teil voraus. Das zeigt auch folgendes bekanntes
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Beispiel 2: A streicht auf seinem Bierdeckel einen Strich der Kellnerin weg. In der Hauptverhandlung wegen Urkundenfälschung erklärt er, er habe nicht gewusst, dass ein Bierdeckel eine Urkunde sei.[7]
Lösung: Eine Urkunde ist jede menschliche verkörperte Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion), die ihren Aussteller – zumindest im Wege der Auslegung – erkennen lässt (Garantiefunktion) und zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion).[8]
Diesen Bedeutungsgehalt hat A erkannt, da er wusste, dass er die zum Beweis bestimmten Zeichen der Kellnerin in ihrem Beweiswert verändert hat. Selbst A wird zugeben müssen, dass ihm dieser Bedeutungsgehalt seines Verhaltens bewusst war, da es ihm ja gerade darum ging, den Sinngehalt zu verändern, um Geld zu sparen.