Читать книгу Gesamtausgabe der "silent sea"-Trilogie - Christiane Weller / Michael Stuhr - Страница 11

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07 OLDIES UND NAGELLACK

Total verschwitzt und wie gerädert fahre ich um halb acht aus einem unruhigen Schlaf. Langsam, ganz langsam kommt die Erinnerung an den gestrigen Abend zurück und an das, was heute passieren soll: Ich soll mich vor aller Welt blamieren, steht heute auf dem Programm.

„Quatsch!“ fluche ich laut vor mich hin und schäle mich ächzend aus meinem Bettzeug, das sich bei meinem nächtlichen Hin- und Hergewälze mindestens fünf Mal um meinen Körper gewickelt hat.

Ich schlüpfe in meine Bikinihose, schnappe mir mein Badehandtuch von unserer Wäscheleine und schlurfe nicht gerade energiegeladen zum Strand. Das Einzige, was mir jetzt helfen kann, wieder fit zu werden, ist ein Bad im kühlen, morgendlich stillen Meer.

Der Strand ist völlig leer. Mein Handtuch lasse ich neben den Badelatschen achtlos in den Sand gleiten und gehe langsam ins Wasser. Es ist so still, die Wasseroberfläche bewegt sich zu dieser frühen Morgenstunde kaum. Nur ein sachtes Plätschern der Wellen am Strand, das man auch hören kann, wenn man sich ganz still auf dem Rücken treiben lässt. Deswegen liebe ich den Morgen so sehr. Der ganze Strand gehört zu dieser frühen Stunde mir allein.

Am Horizont sehe ich ein kleines Boot, das eilig auf Port Grimaud zu tuckert. Sonst ist es ganz still. Langsam gehe ich weiter und zerteile dabei die Wasseroberfläche mit den Händen. Der Sand unter meinen Füßen ist weich und geschmeidig. Spielerisch bewege ich die Zehen, um die kleinen neugierigen Fische anzulocken, die sich begierig auf den aufgewirbelten Sand stürzen und mir vor lauter Eifer auch manchmal ein bisschen in die Zehen kneifen.

Ich lasse die kleinen Räuber hinter mir, wobei ich tief einatmen muss, weil mir die Kühle um meine Brust einen Schauder über den Körper treibt. Ich stoße mich ab, tauche mit dem Kopf zuerst ein und schwimme ein gutes Stück unter der Wasseroberfläche. Schließlich drehe ich mich auf den Rücken und lasse mich treiben. Arme und Beine ausgebreitet, den Blick in den blauen Himmel gerichtet. Meine Ohren sind unter Wasser und ich höre das gedämpfte Tuckern des kleinen Fischerboots.

Alles ist so friedlich. Ich könnte stundenlang so treiben. Es hat schon etwas Meditatives, dieses Schweben in dem mich leicht wiegenden Wasser. Aber trotzdem fühle ich mich nicht so unbefangen wie sonst, denn ich habe das merkwürdige Gefühl, dass mich jemand beobachtet. Es ist nicht unangenehm, eher ungewöhnlich, und es ist mir fast so, als hätte ich heute Nacht etwas Ähnliches geträumt. Ich versuche mich zu erinnern, aber die Träume sind fort und verblasst.

Mit ein paar schnellen Zügen schwimme ich an das Ufer zurück und schaue mich dabei um. Niemand ist zu sehen, ich bin hier ganz allein.

Lana, nimm dich zusammen, du bist noch nicht bei der Miss-Wahl, keiner beobachtet dich und du solltest das alles nicht zu Ernst nehmen, schimpfe ich mich, während ich meine Sachen zusammensuche und barfuß zur Dusche laufe, um mir das Salzwasser vom Körper zu spülen.

Alle sitzen schon vor unserem Wohnwagen an dem wackeligen kleinen Campingtisch und frühstücken. Ich lege das Badehandtuch über meinen blau-weiß gestreiften Klappsessel und lasse mich lustlos hineinfallen.

Dank des guten Vorrats, den Maman in unseren Wohnwagen gestopft hat, muss ich heute noch nicht mit der Blauen Elise in den Ort fahren. Das ist auch gut so, denn ich kann mich vor Aufregung kaum auf den Beinen halten, geschweige denn einen Roller sicher durch das tägliche Verkehrschaos auf der Küstenstraße steuern.

„Nun iss doch was Chérie“, drängt meine Mutter mich. „Du fällst dort sonst noch um, das willst du doch nicht, oder?“

Als ich sehe, wie Didier sein rattiges Grinsen aufsetzt, siegt mein Verstand. ‚Du wirst mich nicht zusammenklappen sehen, mein Lieber!’ Aufseufzend nehme ich mir ein Croissant, bestreiche es mit Konfitüre und quäle es mir lustlos in meinen protestierenden Magen. Geht doch!

Nach dem Frühstück treffen wir uns wie verabredet bei Pauline. Fleur sieht auch nicht besser aus, als ich mich fühle. Nur Felix tänzelt wieder fröhlich um uns herum. „Ihr werdet schon sehen, alles wird great!“, behauptet sie.

„Ja klar, und peng“ meint Fleur müde.

„Habt ihr auch alles mitgebracht?“ Pauline rennt hin und her und holt Klamotten aus ihrem Wohnmobil. Was hat die nur alles mitgenommen?

Ich hingegen hatte einige Mühe, überhaupt ein paar coole Sachen zu finden, denn ich habe mit Schrecken festgestellt, dass Maman längst nicht alles, was ich zu Hause aufs Bett gelegt hatte, auch wirklich eingepackt hat. Wahrscheinlich zugunsten von Fressalien und Getränken.

Wir breiten unsere Sachen auf einer Campingliege aus und begutachten unsere Schätze. Pauline schleppt ihre beachtliche Kollektion von Einteilern heran.

„Warum besitzt du so much von diese Swimsuits?“ fragt Felix verwundert.

„Weil ich keine Bikinis tragen darf. Es ist zu unanständig. Originalzitat meiner Mutter!“ Pauline verzieht genervt den Mund.

„Strange!“, sagt Felix. „Crazy!“, und wieder mal: „Franzosen sind lustig.“ Ich kann das nur bestätigen.

„Die setzt mich damit für das ganze Jahr matt“, jammert Pauline weiter. „Wenn ich die Dinger eine Woche lang getragen habe, kann ich Bikinis noch nicht einmal mehr heimlich anziehen. Oben braun, unten braun und in der Mitte schneeweiß, das geht ja nun gar nicht.“

Wir stellen uns das alle natürlich sofort vor, und während wir grinsend auf der Kante der Liege hocken und uns Paulines Badeanzüge anhalten, ruft Felix plötzlich freudig: „Look! Die Hund von Strand. Da bist du ja wieder! Hey, little Dusty.“

Schwanzwedelnd steht der Hund von gestern Abend vor uns und lässt sich von Felix kraulen. Er ist rötlich-blond mit ein paar dunkleren Flecken im borstig aussehenden Fell und hat lustige Klappohren. Mit seinen braunen Augen schaut er uns neugierig an und schnuffelt schließlich mit seiner dunklen Nase an unseren Sachen herum.

„Hübsche Swimsuits, Dusty, oder?“ meint Felix und klopft ihm dabei auf sein Fell, das es staubt. Lachend wendet sie sich zu uns. „Dusty passt, right?“

„Ja Dusty“, sagt Fleur und hält ihm die Hand hin. Auch ich versuche, ihn zu mir zu locken.

„Na, du schwimmst wohl gerne“, flüstere ich ihm zu, denn sein Fell fühlt sich salzig an. Trotzdem ist es weicher, als es aussieht.

Nur Pauline schaut kritisch und bleibt lieber in sicherem Abstand auf der anderen Seite der Campingliege. „Gebt ihm bloß nichts zu essen, sonst werden wir ihn nicht mehr los“, sagt sie bestimmt. Dusty legt seinen Kopf schräg und schaut uns neugierig an. Genau darauf hat er wohl gewartet, denn als er merkt, dass bei uns nichts zu holen ist, trollt er sich und stellt sich bei dem noch frühstückenden Nachbarn erwartungsvoll vor dem Tisch auf.

Alain und Pascal kommen herangeschlendert. „Braucht ihr professionelle Unterstützung?“ Alain deutet mit großer Geste auf sich und seinen Bruder. „Hier ist sie.“

„Tja, ich weiß nicht. Was meint ihr?“ Fleur schaut uns an und wirft dabei einen mehr als kritischen Seitenblick auf Pascal. Pure Abneigung spiegelt sich darin und er schaut weg. - Was ist denn da los?

„Warum nicht?“, sage ich und Felix nickt, also machen wir kurzerhand vor den beiden eine kleine Modenschau. Ich bin ja zuerst skeptisch, was ihre Fachkunde betrifft, aber zumindest Alain erweist sich als echte Hilfe. Er ist auch nicht mehr so albern und kicherig, wie ich ihn von früher her kenne. Er ist ein richtig schicker Kerl geworden, stelle ich fest. Seine bewundernden Blicke, als ich mich mit Hotpants und einem im Nacken gebundenen, schwarzen Necktop vor ihm drehe, gefallen mir gut.

„Das ist es!“ sagt er bestimmt. „Das musst du anziehen, Lana!“

Pascal nickt dazu und lächelt mich unsicher an. „Du siehst toll aus“, flüstert er heiser und verschränkt dabei die Arme vor der Brust. „Ich hab jetzt ein Auto.“

Aha! Und was sagt mir das jetzt? Ich sage jedenfalls: „Schön!“

„Ich bin damit hier“, stößt er hervor.

Oh, Pascal, versuch doch mal, zwei Sätze miteinander zu verbinden. „Fein!“, sage ich und wende mich wieder den Klamotten zu. Er scheint ein wenig enttäuscht zu sein. Fleur schaut ihn schon wieder so seltsam an. Ich muss sie gelegentlich mal fragen, was los ist.

Bald haben wir uns alle entschieden, wer was tragen könnte und die Jungs gehen wieder. In dem kleinen Laden vom Campingplatz besorgen wir uns dank der Spende von Paulines Vater noch ein paar bunte Tücher, verschiedene Kettchen und coole Sonnenbrillen.

Nur High Heels sind nicht so schnell zu beschaffen. Fleur meint, dass sie sich welche leihen kann und Felix ist mit ihren Eltern ja auf großer Europafahrt. Die sind besser ausgerüstet, falls sie mal ins Theater wollen, oder so. Felix meint, sie nimmt einfach welche von ihrer Mutter. Für mich sehe ich allerdings schwarz. In meiner Größe wird nichts aufzutreiben sein. Sicher gibt es hier auf den Campingplätzen ein paar Frauen, die zu Hause etwas Passendes hätten, aber wer schleppt so was mit zu einem Campingurlaub? Das wäre ja bescheuert.

„Mach dir nix draus“, meint Fleur. „Dann starten wir eben auch barfuß.“

„Of course wir machen das“, meint Felix dazu.

Das haut mich so um, dass ich ganz feuchte Augen kriege. „Ihr seid toll!“, sage ich nur.

Bleibt nur noch eines zu klären: Die Auswahl der Lieder. Fleur hat eine CD mit den neuesten Hits mitgebracht, die wir uns gemeinsam anhören. Alles zu schwierig, zu blöd, zu hoch, zu tief. Verdammt, wir stecken da wirklich in einer Zwickmühle, was sollen wir singen?

Ich laufe schnell zu unserem Stellplatz und frage Papa um Rat. Er kramt eine Oldie-CD heraus.

„Oldies?“ frage ich zweifelnd und drehe die CD unschlüssig hin und her.

„Ja, warum nicht?“, meint mein Vater, „da sind ein paar richtig gute Sachen drauf. Das sind so neuere Oldies.“

Neuere Oldies? Aha! Zögernd gehe ich mit meiner mageren Beute zu Pauline und den anderen. Na, ja, versuche ich mich selber zu ermutigen, reinhören kann man ja mal, wenn ich mir auch nicht viel davon verspreche.

Wie man sich täuschen kann: Die Mädels sind begeistert und schließlich findet jede von uns doch noch einen Song, der zu ihr passt. Felix entscheidet sich für „In your Eyes“ von Kylie Minogue, ich wähle nach langem hin und her „Eternal Flame“ von Atomic Kitten und für Fleur entscheiden wir uns alle einstimmig für den „Las-Ketchup-Song.“ Erstens versteht den eher gesprochenen Text sowieso keiner und zweitens bauen wir darauf, dass Fleur die Leute so zum Mitsingen animiert, dass keiner merkt, wie schlecht sie wirklich ist. Pauline findet unsere gesanglichen Bemühungen nach einigem Üben perfekt. Nur mit den Bewegungen zum Las-Ketchup-Song kommt Fleur immer wieder durcheinander. Aber irgendwann hat sie mit unserer Hilfe auch das kapiert.

Mittlerweile ist es Mittag, bis zur Miss-Wahl bleiben uns noch zwei Stunden. Also ab unter die Dusche, Haare waschen, Fußnägel lackieren – und – und - und.

Fleur hat ihren ganzen Vorrat an Kosmetikartikeln mitgebracht. Eine halbe Stunde lang sind wir damit beschäftigt, uns nach Kräften aufzubrezeln: Kettchen und Schleifchen um die Fußgelenke legen, Augen schminken, Haare stylen und so weiter. – Alles was unsere bescheidenen Mittel hergeben.

Alle meckern an meinem dünnen Lederbändchen herum, das ich um mein Fußgelenk trage. Aber ich will es nicht ablegen. Meinetwegen mache ich mir noch ein Plüschschleifchen darüber, das Pauline aus ihrer Kiste zaubert, aber das Lederbändchen bleibt! Das hat mir Hervé mal geschenkt und es hat mir bisher immer Glück gebracht.

Madame Poireaux drängt uns, wenigstens etwas von ihrem grässlich faden Nudelsalat zu essen, damit wir nicht mit ganz so leerem Magen zur Misswahl gehen. Wir wollen sie nicht beleidigen, also bringen wir auch das noch hinter uns.

Endlich ist es so weit: In Reih und Glied machen wir uns auf den Weg zur Schlachtbank – nein zur Miss-Wahl in der Strandbar vom Nachbarcampingplatz. - Oh je!

Jede von uns hat eine Tasche mit ihrem Outfit in der Hand. Pauline schleppt das ganze Kosmetikzeug, Föhn, Haargel und sonstiges zur Verbesserung unseres Aussehens mit.

Felix geht vor mir. Ihre Haare hat sie gestylt wie Halle Berry zu ihrer James Bond Zeit. Sie sieht richtig klasse aus. Fleur hat ihr krauses Haar in glatte Wellen gezwungen und ich, ich sehe eigentlich aus, wie immer: glatte, lange, blonde Haare, mehr kann man daraus nicht machen.

Unsere Eltern folgen uns plaudernd und lachend. So marschieren wir über den Strand. Schon von weitem hören wir Musik und Lautsprecheransagen, wie auf einem Rummelplatz.

Das erste, was ich vor der Bar sehe, ist der aus Holzplanken bestehende Catwalk, der quer über den Strand verläuft. Rechts und links vom Laufsteg tummeln sich schon eine Menge Leute. Mir wird ganz schlecht und ich würde am liebsten umkehren. Wie bin ich nur auf diese bescheuerte Idee gekommen, hier mitzumachen, und das auch noch freiwillig?

Felix vor mir strahlt mit bezauberndem Lächeln nach rechts und links und steuert geradewegs auf das Zelt zu, wo wir uns anmelden müssen. Ich wäre vor lauter Aufregung daran vorbeimarschiert.

Jede von uns bekommt einen Fragebogen, mit dem wir nach hinten ins Zelt an einen Tisch gehen.

Der Typ, der uns die Bögen gibt, hat seinen Stuhl vor dem Eingang aufgebaut. Wir kriegen schnell raus, warum. Obwohl die Seitenwände locker herunterhängen, sodass der warme Nachmittagswind unter der Plane hindurchwehen kann, ist eine brütende Hitze hier drin. Dagegen kann auch der Ventilator nicht an, der in einer Ecke steht und kläglich vor sich hinsurrt.

„Puh, was für ein Backofen!“, stöhnt Pauline, die als erste hinein gegangen ist. Entschlossen macht sie kehrt, kaum dass sie sich zwei Schritte hineingewagt hat. „Wir müssen hier raus, sonst ist eure Schminke gleich verlaufen. Irgendwohin in den Schatten. Alles ist besser als das!“

So hocken wir uns im kargen Schatten einer Pinie in den Sand und beschäftigen uns mit den Fragebögen: Name, Herkunftsort, Schule beziehungsweise Beruf, Alter und so weiter sollen wir dort eintragen, und dann wollen sie natürlich auch noch die Unterschrift eines Erziehungsberechtigten. Da können wir ja froh sein, dass unsere Eltern alle mitgekommen sind.

Zuerst füllen wir aber die vorgedruckten Felder mit unseren Daten aus. Allein damit sind wir schon eine ganze Weile beschäftigt. Vor alle Dingen mit unseren Körpermaßen.

„Warum müssen wir das? Das ist dumm. Die sehen uns doch!“ protestiert Felix empört. „Maße von Brust und so! Ich weiß nichts davon!“

Richtig. Da steht B: - T: - H: - Wir sehen uns alle ratlos an, denn keine von uns hat je ihren Körper genau an diesen Stellen gemessen. – Außer mir vielleicht. Fast täglich. Aber das war in einer Zeit, die weit zurückliegt und an die ich nicht mehr denken will.

Die praktische Pauline weiß Rat. Sie hatte nur an die Körpergröße gedacht, die wir in dem Fragebogen auch angeben müssen und hat vorsichtshalber einen Zollstock von ihrem Vater mitgebracht. Nun wühlt sie aus ihrer Tasche ein Band heraus, das sie uns um die jeweiligen Körperpartien schlingt und dann an den Zollstock hält. So kriegen wir einigermaßen genaue Angaben über B, T und H.

Das Gewicht wollen sie auch noch wissen, aber da Pauline keine Waage mitgeschleppt hat, verlegen wir uns aufs Schätzen. Dann schnell noch die Unterschrift von den Eltern geholt, und endlich können wir unsere Anmeldezettel abgeben.

Jetzt sind wir also offizielle Teilnehmerinnen des Wettbewerbs. Zum Zeichen dafür bekommen wir einen Button, auf dem in pinkfarbener Schrift auf knallblauem Grund Miss-Teen-Beach-Competition steht. Darunter ist eine Nummer aufgedruckt.

So geschmückt begeben wir uns zu der ziemlich großen Gruppe der anderen Teilnehmerinnen, die bereits im Schatten des Bühnenaufbaus warten. Keine Minute zu früh, denn von einer jungen Frau werden uns dort im Schnellverfahren die Spielregeln und der Ablauf der ganzen Veranstaltung erklärt: Als erstes steht der Catwalk im Badeanzug auf dem Programm, dann Karaoke, dann die Präsentation von Freizeitklamotten, dann ein kleiner Intelligenztest und ganz zum Schluss müssen wir uns nach Musik tänzerisch bewegen. „Alles klar?“, fragt sie uns mit einem Blick, der jede Frage sofort im Keim erstickt.

„Alles klar!“ Stolz klettern wir auf die Bühne. Ich drehe mich um und falle fast in Ohnmacht.

Steht man unten in der Menge, fällt es gar nicht so auf, aber von der Bühne, über die wir zur Garderobe gehen, hat man den besseren Überblick. Es müssen an die tausend Leute sein, die da unten bei Lautsprechermusik auf den Beginn der Veranstaltung warten, und es kommen über den Strand immer noch welche dazu.

Ich muss schlucken. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Offen gestanden hatte ich überhaupt nicht darüber nachgedacht, aber ist ja klar: Deswegen läuft die Show ja, damit die Leute was zu schauen haben.

Da soll ich gleich im Badeanzug raus? Im Moment wünsche ich mir nichts mehr, als im Winter bei einer Skimodenschau zu sein. Im Val-d’Isère zum Beispiel oder in Annecy.

Etwas verzagt gehe ich hinter den anderen her, ohne auf die Mädchen vor mir zu achten. Plötzlich gerate ich ins Gedränge. Wir alle wollen auf einmal durch den schmalen Spalt im Vorhang, der die Bühne nach hinten abschließt.

Höflich, wie ich bin, lasse ich den anderen den Vortritt und sehe mich nochmals um. Das ist ein Fehler, denn plötzlich sind alle weg. Ich stehe allein vor dem geschlossenen Vorhang auf der Bühne und finde den Spalt nicht, der mich vor den 1000 Augenpaaren in meinem Rücken rettet. Hektisch taste ich die Falten ab, um bitte endlich zu verschwinden, am besten ganz plötzlich, so wie in einer Zaubershow.

Als es mir schließlich gelingt, den Durchschlupf zu finden, komme ich vor lauter Glück ins Stolpern und muss mich mit meinem vollen Gewicht am Vorhang festhalten. Der Stoff knackt gefährlich. Ich schwinge wie Tarzans Braut hinter die Bühne und bin endlich in Sicherheit. Und wer steht vor mir auf der breiten Treppe, die hinunter ins Garderobenzelt führt? Celine! Sie grinst, dreht sich um und geht kommentarlos. Ich brauche auch keine nähere Erklärung, ich hab es auch so verstanden: Ist schon klar! Auch Trampel dürfen sich bewerben. Vive la démocratie! Wo bin ich hier nur reingeraten? Eigentlich will ich mich nur noch irgendwo verkriechen.

Gesamtausgabe der

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