Читать книгу Gesamtausgabe der "silent sea"-Trilogie - Christiane Weller / Michael Stuhr - Страница 19
Оглавление15 JAGDVORBEREITUNGEN
Der Nachmittag war so öde wie üblich gewesen, aber Adriano hatte ihn wenigstens durch einen seiner Lieblingsscherze ein wenig aufpeppen können. Weit draußen vor der Küste hatte er seine Gäste genötigt, einen Schwimmwettbewerb auszutragen, und als sie alle von Bord gesprungen waren, hatte er die Maschinen angelassen. Gut einen Kilometer weit war er gefahren, ohne auf das immer leiser werdende Geschrei der jungen Leute zu achten, dann hatte er wieder gestoppt.
Es war ein schöner Schwimmwettbewerb geworden, zumindest aus Adrianos Sicht. Tausend Meter Freistil ums nackte Überleben, das war schon was für untrainierte Körper. Geschockt und verängstigt waren die unfreiwilligen Langstreckenschwimmer nach und nach bei der Yacht angekommen. Adriano hatte nur so zum Scherz die Maschinen wieder gestartet, was die, die nahe genug herangekommen waren, zu einem lustigen, kleinen Endspurt veranlasst hatte.
Adriano war nicht wieder losgefahren und die ersten hatten geradezu panisch nach der Badeleiter geschnappt. Zu ausgepumpt, um auch nur ihrem Ärger Luft zu machen, hatten die jungen Leute sich erschöpft auf die Polsterliegen fallen lassen. Eine schöne Gelegenheit für Adriano, ein paar beruhigende Worte zu ihnen zu sprechen, und zu beteuern, dass es doch nur ein harmloser Scherz gewesen sei. Eine schöne Gelegenheit auch, die erschöpften und immer noch ängstlich-verwirrten Gäste ein wenig in den Arm zu nehmen und fest an sich zu drücken. Nicht allzu lange, nur bis die überströmende Energie spürbar wurde, das reichte aus.
Dolores war unter den Schwimmern gewesen und hatte sich ihren Teil schon im Wasser geholt. Sie hatte sich an die Erschöpften gehalten und den engen Körperkontakt gefunden, indem sie ihnen eine zeitlang geholfen hatte, über Wasser zu bleiben. Auch sie schien einigermaßen zufrieden zu sein.
Inzwischen fingen die Gäste an, ihren Ärger und die ausgestandene Angst mit Drinks hinunterzuspülen, und auch sonst standen noch ein paar Leckereien zur Verfügung, wovon die illegalen wie immer die interessantesten waren.
Eine Stunde später startete Adriano wieder die Maschinen, fuhr zum Hafen zurück und schmiss die ganze Bande von Bord – allerdings nicht, ohne die Einladung zu einer Poolparty im Garten einer bekannten Villa auszusprechen. Wer wollte, konnte auch gern noch ein paar Freunde mitbringen, denn die Besitzer des Anwesens gehörten auch zum Alten Bund und würden sich natürlich ebenfalls ihren Teil holen wollen. So ein paar Häppchen Lebenskraft reichten ja nicht ewig. Man musste sich schon ranhalten, wenn man über die Jahre hinweg frisch bleiben wollte.
Natürlich bekam er nur Zusagen. Sie wollten dabeibleiben, und das hätte auch den letzten Anflug eines schlechten Gewissens beseitigt, wenn Adriano so etwas gehabt hätte. So lief der Deal nun mal, auch wenn seine Gäste überhaupt nichts davon wussten. Dolores und Adriano stahlen ihnen Tage, Wochen oder Monate ihrer Lebenszeit und dafür durften sie in diesem Urlaub Dinge erleben, von denen sie noch ihren Enkeln erzählen konnten. Für ein paar Tage ihres Lebens waren sie on the top gewesen, wenn auch nur als Opferlämmer. Aber das wussten sie ja nicht.
„Na, war er gut?“, fragte Adriano seine Schwester, als die voll unter Alkohol und sonstigen Drogen stehende Bande über den Kai davonwankte.
„Wer?“ Dolores rückte ein wenig dichter an ihren Bruder heran.
„Der Typ der dir so gefallen hat. Der an der Tür zum Achterdeck war – Jean-Jaques, oder wie der heißt.“
„Ach, den habe ich noch nicht einmal erkannt. Aber die Schwarzhaarige hat Feuer! Ich hab mich gefühlt, als sei ich an eine Heizung angeschlossen. Das war ein Häppchen nach meinem Herzen!“
„Bei denen funktioniert es nun mal am besten.“
„Ich habe nur ein einziges Mal in meinem Leben ein noch stärkeres Gefühl gespürt.“
„Es ist vorbei!“ Adriano rückte von ihr ab. „Wirst du das je begreifen?“
„Begreifen vielleicht, vergessen nie!“
„Wir fahren heute Abend ins Les Sables.“
„Oh! Hast du eine Geburtstagsparty für mich arrangiert?“
„Könnte man so sagen, aber man könnte es auch ein Festmahl nennen.“
„Mein Geschenk? Wie sieht es aus? Sag schon!“
„Das Spiel heißt eins aus Fünfzehn“, grinste Adriano, „Und diese Lady ...“ Er fiel für einen Moment in die Rolle eines Entertainers und zeigte mit großer Geste auf Dolores. „... hat die freie Auswahl!“
„Eins aus Fünfzehn?“
„Fünfzehn hübsche, junge Mädchen, die an der Wahl zur Teen-Miss-Port-Grimaud teilnehmen, und du kannst die aussuchen, die dir am besten gefällt. Die bekommst du!“
„Ich nehme sie mit in unser Haus am Hafen. Ich will mehr, als nur ein Häppchen, das weißt du.“
„Sei trotzdem vernünftig“, warnte Adriano. „Lass noch so viel Leben in ihr, dass es nicht sofort auffällt. Ich bringe sie dann fort.“
„Ja, ja!“ Mit unwillig verzogenem Gesicht betrachtete Dolores ihren Bruder, der zum Barschrank ging. „Ich würde das jetzt nicht tun!“
„Wieso? Ich hab jetzt frei.“ Adriano nahm sich eine Flasche Wodka und drehte den Verschluss auf. „Ich hab dir deine Häppchen besorgt, dein Geschenk wartet auf dich und ich, ich hab genug von dem ganzen Mist.“ Er goss sich etwas von der klaren Flüssigkeit in die hohle Hand und verrieb sie auf dem Unterarm. Schnell wechselte er die Flasche in die andere Hand und wiederholte die Prozedur.
Die Wirkung setzte schlagartig ein. Seine Haut riss den Alkohol in sich hinein, als sei es die Lebenskraft eines seiner Opfer und innerhalb von Sekunden war er betrunken.
„Die Wahl ist zwischen Zehn und Elf“, brachte er noch heraus, bevor er in sein Schlafzimmer taumelte „Weck mich einfach rechtzeitig. – Und ruh dich auch ein wenig aus“, riet er seiner Schwester noch. „Es könnte eine lange Nacht werden.“