Читать книгу Gesamtausgabe der "silent sea"-Trilogie - Christiane Weller / Michael Stuhr - Страница 16

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12 DER BACKFLIP

Der Spalt im Vorhang bietet eine hervorragende Aussicht über das Publikum, und ich werde immer nervöser.

Die Fotografen unten an den Tischen passen mir überhaupt nicht. Wie sie ihre Digicams emporrecken, um nur ja keinen Quadratzentimeter Haut zu versäumen. Am Strand würden sie sich das nie trauen. Aber hier, da dürfen sie ja!

Lana, rufe ich mich zur Ordnung, nur weil du nervös bist, sind nicht alle Männer mit Digicams automatisch Lustmolche – vor allem nicht mein Vater, der gerade eine Serie von Blitzen auf die beiden Schönheiten unter dem Bühnendach abschießt. Hoffentlich reichen die Batterien dann auch noch für meinen Auftritt.

Viel mehr stören mich da die Jungen an der Bühnenkante. Müssen die unbedingt da stehen und rumjohlen? Mittendrin kaspert natürlich Alain herum, während Pascal mit dem üblichen, verbiesterten Gesichtsausdruck etwas abseits steht.

Als nächstes sind Fleur und ihre Partnerin dran. Die Minibikinimädchen kommen erhitzt rein und stellen sich schnatternd und aufgeregt direkt an den Vorhang. „Pscht, leise!“ flüstert die Assistentin ärgerlich und so gehen die beiden kichernd und leise flüsternd in das Garderobenzelt vor den Ventilator.

Bei Fleur läuft es nicht so gut und wir nehmen sie tröstend in Empfang, als sie traurig zu uns kommt.

„Das war so eine gequirlte Scheiße, diese Musik, dazu kann einem doch gar nichts einfallen. Und die da“, sie weist auf ihre Partnerin, die sich schmollend in die entgegengesetzte Ecke des Zeltes verzogen hat. „Meint ihr, die hätte meine Anweisungen befolgt? Nichts stimmte! Wie peinlich! Oh Mann!“ Mit schmerzlich verzogenem Gesicht lässt sich Fleur auf einen der Stühle fallen. Pauline rennt, um ihr ein Wasser zu besorgen, während Felix und ich versuchen, sie zu trösten.

„Komm, mach dir nichts draus, ist doch alles nur ein Spaß“, versuche ich es, aber was ich wirklich denke ist: Wird es uns gleich genauso gehen? Oh nein, ich will hier weg.

Plötzlich zerrt Felix an meinem Arm. „Du“, sagt sie, „Trauerrede nachher, wir sind gleich dran!“ Mit hektischen Flecken im Gesicht schaut sie mich an und mir wird mit einem Mal richtig schlecht. „Oh Gott!“ stöhne ich gequält auf. „Mir ist ganz übel!“

„Barf later!“, meint Felix nur. „Komm jetzt!“

„Viel Glück!“ ruft Fleur und auch Pauline hebt den Daumen lächelnd in unsere Richtung, als sie mit dem Wasser für Fleur um die Ecke kommt.

Der Moderator kündigt uns mit Vornamen an, wie zwei Stars. Felix ist darüber nicht besonders ‚amused’, weil er schon wieder laut ‚Felicitas’ ins Publikum brüllt. Schließlich wird es still. Wir stehen nebeneinander und warten mit gesenkten Köpfen gespannt auf unsere Musik. Ich kann nicht anders, schon wieder lasse ich meine Blicke durch das Publikum streifen. Wo ist er, ich spüre ihn aus unerfindlichen Gründen, aber ich sehe ihn nicht.

„Mach dich locker, concentrate, er ist nicht da!“, raunt Felix mir zu.

„Woher ...“, will ich erwidern, aber da ertönt schon unser Titel. Er ist uns beiden bekannt, denn wir haben ihn erst heute Morgen auf der CD von Papa gehört: It’s my life von Bon Jovi. Klasse, denke ich, das kann nicht so schwer werden, denn es ist ein ganz einfacher Rhythmus. Ich verlasse mich voll auf Felix, die mir ein paar kurze Anweisungen zuraunt und mir dazu die entsprechenden Tanzschritte und Armbewegungen vormacht.

„Okay!“ flüstere ich, „ich bin drin“, während ich ihren Schritten und Bewegungen folge. Die Musik bricht abrupt ab. „Seid ihr bereit, Ladies?“ ruft der Moderator ins Mikro. Wir nicken und schon setzt die Musik wieder ein.

Felix ist sofort drin in der Schrittfolge, ich hüpfe ein wenig hinterher. Verdammt! Neben Felix komme ich mir vor, wie das reinste Trampeltier. Während ihre Bewegungen mühelos und gleitend wirken, habe ich das Gefühl, ich stampfe da rum, wie eine Breitarschantilope, oder wie heißen diese großen, grauen Tiere mit dem Rüssel doch gleich?

Wir klatschen im Rhythmus, was mir immerhin etwas besser gelingt. Das Publikum zieht begeistert mit. Bei den letzten Takten des Liedes macht Felix auf einmal einen Backflip aus dem Stand. Und dann kommt sie auch noch mühelos wieder in unsere Choreografie rein. Die Leute toben und auch ich kann nicht anders als klatschen. Wieso kann sie das?

„Wow!“ schreit der Moderator begeistert, während er uns anschaut „Super! Einen Sonderapplaus für Felicitas!“ Mit diesen Worten wendet er sich wieder ans Publikum, das sich sowieso schon die Finger wund klatscht. Wieder pfeift mein Vater durch die Finger und dieses Mal gilt der Pfiff eindeutig Felix. Aber ich bin nicht neidisch, dieser Rückwärtssalto war wirklich eine Glanzleistung. Wir verbeugen uns und schlüpfen hinter den Vorhang.

„Woher kannst du denn so was?“ frage ich, noch ganz benommen von unserem Erfolg.

„Ich war schon immer gut in Exercises an die Boden“, erwidert sie lächelnd. „Mit so einer hast du nicht gerechnet, ist es so?“ grinst sie und nimmt sich dabei ihr Handtuch, um sich den Schweiß von der Stirn abzutupfen.

Fleur stürmt auf uns zu „Ey, ihr wart geil, das kann keiner mehr toppen.“ Lachend fällt sie mir um den Hals und reißt Felix mit dem anderen Arm auch noch heran. Plötzlich schiebt sie uns von sich weg und meint grinsend: „Wisst ihr was? – Ihr seid fertig!“

„Richtig!“ Felix dreht sich zu mir um. „I like to swim now. Kommst du mit?“

„Klar!“ Schon schnappe ich mir mein Handtuch.

„Nein!“ schreit Pauline entsetzt auf. „Was macht ihr? Eure Haare, die Preisverleihung!“

„War doch nur Spaß“, beruhige ich sie grinsend und lege das Handtuch wieder weg.

„Just a joke“, freut sich auch Felix.

„Ruhe bitte!“ weist uns die Assistentin mit strengem Ton zurecht. Dabei spielt aber ein merkwürdiges Lächeln um ihre Lippen.

Pauline flüstert immer noch aufgebracht: „Und seid bloß vorsichtig mit eurem Make-up, oder wollt ihr gleich völlig verschmiert auf der Bühne stehen?“

„Oh!“ Felix schaut mich betroffen an. „She’s right! Das wäre dumm.“

Mich überkommt ein hysterisches Kichern. „Du glaubst doch nicht wirklich ...“, weiter komme ich nicht.

„Klar habt ihr Chancen“, Pauline stampft wütend mit dem Fuß auf, „was glaubt ihr denn, warum ich mich hier so anstrenge? Weil ich an euch glaube!“

„Du meinst really?“ Felix schaut erst mich und dann Pauline fragend an.

„Für mich wart ihr in allem die Besten!“ erwidert Pauline bestimmt. „Ich hab doch alles beobachtet.“ Mit diesen Worten dreht sie sich um und sagt „Los, kommt, wir suchen jetzt noch ein cooles Outfit für die Siegerehrung aus. Ich hab mich erkundigt, da kann jeder anziehen, was er will. Ich hätte auch schon ein paar Vorschläge für euch.“

Etwas verunsichert folgen wir ihr. Pauline scheint sich so sicher. Haben wir wirklich Chancen auf einen guten Platz?

Die beiden schwarzhaarigen Schönheiten haben sich schon umgezogen. Wieder haben sie die gleichen Klamotten nur in unterschiedlichen Farben an. Gerade flüstern sie mit der Assistentin. Sehr vertraut. Zu vertraut! Da scheint was im Gange zu sein. Die sind wahrscheinlich schon auf der Siegerliste. Was haben wir da noch für Chancen? Die Assistentin lächelt sie zuckersüß an und zuckt mit den Schultern. Gegen die beiden haben wir wohl keine Chance, die scheinen sich ja wirklich sehr sicher zu sein. Die Assistentin nickt gerade, so als wolle sie meine Worte bestätigen.

Die nächsten zehn Minuten sind die Hölle. Ich setze mich hin, stehe wieder auf, zupfe vor dem winzigen Spiegel an mir rum und durchwühle die Strandtasche, in der meine Klamotten sind. Felix geht es auch nicht viel besser. Sie wieselt die ganze Zeit zwischen einem Schlitz im Vorhang und dem Ventilator hin und her und sieht so aus, als würde sie gleich vor Aufregung platzen. Die meisten der anderen Mädchen sind auch ganz schön ruhelos, nur Fleur scheint sich völlig ihrem Schicksal gebeugt zu haben und sitzt nur teilnahmslos herum. Ich bin aber im Moment nicht in der Lage, sie zu trösten, viel eher brauche ich selber Trost.

Nachdem auch die letzten beiden Gruppen von der Bühne zurück sind, verkündet unsere Einpeitscherin laut, dass wir jetzt bis zur Entscheidung der Jury eine halbe Stunde Zeit haben.

„Die Jury? Wo saß die denn überhaupt?“ fragt Fleur erschrocken und spricht damit das aus, was mir auch gerade durch den Kopf schießt.

„Bei den Bühne“, klärt uns Felix lachend auf. „Da bei den Anmeldung. Sie haben bei der ganzen Zeit Striche auf Zettel gemacht“, fügt sie noch hinzu, als sie unsere verwirrten Gesichter sieht und schüttelt mit hochgezogenen Schultern erstaunt den Kopf. „Drei Mann, ein Frau. Strich hier, Strich da, did’nt see it? Crazy!“

Fleur und ich schauen uns ratlos an. „Das ist völlig an mir vorbeigegangen“, meint Fleur leise zu mir und ich kann nur stumm dazu nicken.

Endlich ein wenig Zeit, zu Entspannen. Erschöpft und froh, dass wir alles hinter uns gebracht haben, sitzen Felix und ich zusammen im Schatten der Pinien hinter der Bühne, während Fleur mit Pauline noch ihre Klamotten zusammensucht. Die Hitze des Tages hat mittlerweile etwas nachgelassen. Es weht ein sanfter Wind. Der Sand ist weich und warm. Ich lehne mich an den schmalen, krummen Baumstamm und strecke die Beine wohlig im Sand aus.

„Der schöne Junge, der dich mag, weißt du, wie heißt er, wer ist das?“ Felix zieht ihre beneidenswert braunen Beine in den Schneidersitz und schaut mich neugierig lächelnd an.

Ich zucke mit den Schultern, während ich die Äste über mir beobachte, wie sie sich im leichten Wind vor dem blauen, etwas dunstigen Nachmittagshimmel bewegen. „Ich weiß nicht, wer er ist, ich weiß nur, dass er Diego heißt.“

„Ein schönes Name, nicht?“

„Ja“, wieder zucke ich mit den Schultern, „und er hat gesagt ...“, platzt es aus mir heraus, bevor mir der Gedanke kommt, dass ich nicht immer alles erzählen muss.

„Was?“ Felix ist nun natürlich neugierig geworden. „Was hat er gesprochen? Tell me!“, drängt sie mich, als ich unsicher schweige.

„Er hat gesagt, dass er mich schön findet.“ Ich muss grinsen, als ich das sage, weil es mir mit einem Mal so blöd vorkommt.

Felix grinst auch, aber eher triumphierend. „Na, so ist er nicht blind“, meint sie und gibt mir einen Klaps auf die Schulter. „Hat dich gesehen und peng! Auch wenn du nicht so fühlst. Right?“

„Dass ich schön bin? Na ja“, stottere ich herum, setze mich auch in den Schneidersitz und spiele verlegen mit einem Stückchen Holz.

Felix lacht laut auf. „Du bist auch einer dumb dora. I think, du weißt gar nicht gut, wie du aussiehst.“ Sie wirft mir einen kleinen Stein gegen die Brust und ruft vergnügt „Frag mal den Spiegel!“

„Aua, das tat weh!“, versuche ich abzulenken und reibe mir die Stelle an meinem Brustbein, während Felix immer noch glucksend kichert und mit ein paar Steinchen im Sand herumspielt.

Plötzlich schaut sie ganz ernst und meint: „Mich liebt er nicht so much. Er macht immer ganz grimmige Augen, so als möchte er mich von der Welt wünschen.“

„Ach quatsch!“ Weiter komme ich nicht, denn Pauline winkt uns aufgeregt von der Bühne her zu. Wir hören, wie mehrere Fanfarenstöße ertönen.

Felix springt auf und streckt mir lächelnd die Hand hin. Ich ergreife sie und sie zieht mich aus dem Sand. Einen kurzen Moment stehen wir ganz dicht voreinander und lächeln uns an. In dieser stummen Verbundenheit vergehen ein, zwei lange Sekunden. - Wir müssen los. Schnell klopfen wir uns gegenseitig den Sand von den Kleidern und gehen gemeinsam zur Bühne zurück.

Ich mag Felix, denke ich plötzlich mit einem ganz warmen Gefühl. Sie ist echt nett und könnte eine gute Freundin sein. Schade, dass sie so weit weg wohnt.

Die Assistentin ist schon ganz nervös, als wir im Garderobenzelt ankommen, weil immer noch ein paar Mädchen fehlen. „Mon Dieu, wo treiben die sich bloß alle rum?“ ruft sie verzweifelt aus und eilt mit hochgerecktem Kopf hektisch im Garderobenzelt hin und her, wie eine aufgeschreckte Gänsemama.

Kurz darauf sind dann auch die letzten Nachzügler da, und endlich ist es so weit: Wir marschieren alle nach der Melodie von We are the Champions im Abstand von zwei Metern hintereinander auf die Bühne, dann über den Catwalk und wieder zurück. All die stolzen Mütter und Väter im Publikum johlen, klatschen und rufen begeistert und machen Fotos von uns. Es fühlt sich wirklich richtig gut an, nach dieser Musik zu laufen. Wir Mädchen strahlen alle um die Wette. Mir pocht das Herz bis zum Hals vor Freude, denn ich sehe nicht nur die Begeisterung in den Gesichtern meiner Eltern. Sogar Didier winkt mir zu. - Und dann sind da auch noch ein paar lachende, schwarze Augen am Rande des Platzes neben einer Pinie.

Wie es uns gesagt wurde, stellen wir uns auf der Bühne nebeneinander auf und die Musik bricht abrupt ab. Stille breitet sich aus. Alle, die eben im Publikum begeistert aufgesprungen waren, setzen sich wieder auf ihre Plätze und schauen gebannt zur Bühne. Der DJ lässt einen langen Trommelwirbel ertönen. Eines der Jurymitglieder erhebt sich und kommt mit einem Mikro in der Hand zu uns auf die Bühne. Der Trommelwirbel wird leiser.

„Meine Damen und Herren, liebe Mädels, es ist uns wirklich nicht leicht gefallen, eine Entscheidung zu treffen, denn ihr wart wirklich alle klasse!“ Damit wendet er sich uns zu, klemmt sich das Mikrofon unter den Arm und klatscht in die Hände.

Begeistert fällt das Publikum in seinen Applaus ein. Vereinzelt sind Pfiffe und Rufe zu hören, und er dreht sich wieder von uns weg.

„Dennoch können nicht alle den ersten Platz belegen, wie sie sicher verstehen werden. Nur drei von diesen wirklich bezaubernden Mädchen können heute Abend im Les Sables bei der Endausscheidung zur Wahl der Teen-Miss-Port-Grimaud teilnehmen. Beginnen wir mit Platz drei.“ Er räuspert sich und sortiert seine Blätter „Den dritten Platz belegt nach Entscheidung der Jury ...“ Hier macht er eine kleine Kunstpause, in der der Trommelwirbel wieder lauter wird. Mit erhobener Stimme fährt er fort, „... die hübsche Celine aus Orleans! Meine Damen und Herren bitte einen Applaus für Celine!“ Mit einer Geste bedeutet er Celine, zu ihm zu kommen. Die folgt der Aufforderung mit hochrotem Kopf, nicht ohne mir ein triumphierendes Grinsen zuzuwerfen. Sie trägt immer noch ihre High Heels. Da hat’s aber jemand nötig!

Der Moderator wartet ab, bis Celines Applaus verebbt. „Fahren wir fort, mein sehr verehrtes Publikum. Auf Platz zwei sieht die Jury eine Schönheit, die aus dem hohen Norden zu kommen scheint, tatsächlich aber eine waschechte Parisienne ist und eine unglaublich bezaubernde und natürliche Ausstrahlung hat. Auf grazilste Art und Weise hat sie uns hier - barfuß wohlgemerkt - High Heels vorgetäuscht. Sie ist intelligent, kann wunderbar singen und auch tanzen. Den zweiten Platz belegt ...“ Wieder erklingt der Trommelwirbel und mir wird mit einem Mal ganz schwindelig, denn ich höre tatsächlich ein laut gerufenes „Lana!“

Mit wackeligen Knien gehe ich nach vorne und sehe meinen Vater auf den Stuhl springen. Mein Bruder und meine Mutter machen es ihm nach. Alle drei klatschen und skandieren laut: „Lana, Lana, Lana ...“

Lächelnd schüttelt der Mann von der Jury meine Hand. Ich halte sie ihm hin, als gehöre sie gar nicht zu meinem Körper, starre ihn an und fühle mich wie im Traum. Das Publikum jubelt mir zu. Mir, Lana Rouvier!

Ich? Das kann nicht sein, das ist alles, was ich denken kann. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Verwechslung, es muss noch eine Lana geben. Ungläubig schaue ich mich zu den anderen Mädchen um.

„Hey, Lana!“ ruft mir der Mann gut gelaunt zu. „Ich hab das Gefühl, du glaubst mir nicht. Du bist auf dem zweiten Platz!“ Weil das Mikrofon offen ist, kann das Publikum alles mithören, und das Geklatsche und Gejohle wird noch lauter.

Mit etwas tapsigen Schritten stelle ich mich unsicher neben Celine, die mit versteinertem Gesicht geradeaus starrt.

„Nun aber, meine Damen und Herren, zum ersten Platz. Da war sich die Jury sofort einig. Wir konnten uns gar nicht anders entscheiden, denn diese spritzige, quirlige, intelligente Schönheit von der britischen Insel hat einfach alle getoppt. Den ersten Platz vergeben wir an ...“ Er hebt die Stimme und in das erwartungsvolle Schweigen tönt laut der Trommelwirbel. „... Felicitas aus Cardiff!“ schreit er ins Publikum, das in rasenden Applaus ausbricht.

Noch ganz in meinem eigenen Siegestraum gefangen, sehe ich einen großen, kräftigen Mann aufspringen und wie wahnsinnig applaudieren, während seine Frau wie ein aufgescheuchtes Huhn klatschend um ihren Stuhl herumhüpft, wobei sie quiekt und schreit. Das müssen Felix’ Eltern sein. Ich dachte immer, Engländer wären eher spröde und trocken, aber die zwei hier haben anscheinend andere Gene. Celines Eltern kann ich nirgends entdecken. Denen ist es wohl egal, was ihre Tochter so macht.

Strahlend kommt Felix nach vorn und reicht dem Moderator die Hand. Ich klatsche und freue mich für Felix. Sie hat es wirklich verdient. Auch die anderen Mädchen applaudieren und sogar Celine ringt sich ein Lächeln ab und klatscht, wenn auch mit mäßigem Enthusiasmus.

„Das war unsere Wahl zur Miss-Teen-Beach, bitte noch einmal einen Applaus für alle Teilnehmerinnen, die sich so mutig dieser Aufgabe gestellt haben“, ruft der Moderator in das ohnehin schon tobende Publikum.

Plötzlich steht Diego am Rand der Bühne. Ich weiß nicht, wie es passiert, aber auf einmal bin ich bei ihm, lasse mich auf ein Knie nieder und schlinge meine Arme um seinen Nacken. Ich drücke ihm schnell einen Kuss auf die Wange. Er wendet den Kopf ein wenig und für einen winzigen Moment spüre ich seine Lippen auf meinen. Am liebsten würde ich diesen Augenblick nie vergehen lassen.

„Lana!“, kommt es da wütend von hinten. „Hierhin!“

„Bäh!“, mache ich unwillkürlich und schaue mich um. Die Assistentin steht neben Celine und Felix und zeigt mit ausgestrecktem Zeigefinger auf eine Stelle am Boden vor sich.

„Sind wir hier bei der Hundeschule, oder was?“, murre ich leise.

„Du gehst besser“, lacht Diego, „sonst gibt’s was mit der Leine! Wir sehen uns heute Abend.“

Brav stehe ich auf und stelle mich unter den strengen Blicken der Assistentin wieder zu meinen beiden Mitsiegerinnen. In diesem Moment sehe ich Pascal mit festen, wütenden Schritten durch den Sand davon stürmen. - Was ist denn mit dem los?

Während die anderen Mädchen mit neidischen Blicken von der Bühne verschwinden, kriegen wir Siegerschärpen umgelegt und werden für ein paar Pressefotos hin und her geschoben. - Schließlich sollen ja im Hintergrund auch alle Labels der Sponsoren dieser Veranstaltung zu sehen sein.

Als wir endlich hinter die Bühne dürfen, bleibt Celine plötzlich vor uns an der Treppe zum Garderobenzelt stehen und lächelt uns schüchtern an. „Also ich weiß ja, dass ihr mich nicht besonders mögt, aber könnten wir trotzdem, also ich meine heute Abend, also irgendwie, na ja, ein bisschen zusammenhalten und uns helfen. Ich hab nämlich wirklich Angst vor nachher“, setzt sie mit erstaunlicher Offenheit hinzu.

Felix und ich schauen uns erstaunt an. „Warum Angst? Der ganze Sache wird ein great, big, funny thing, mehr nicht“, meint Felix schließlich dazu.

Celine schaut uns immer noch unsicher an, weil sie eigentlich wohl mit einer anderen Antwort gerechnet hat.

„Klar helfen wir uns gegenseitig“, sage ich schnell und stoße Felix leicht in die Seite, als sie mich erstaunt ansieht. „Wir sind doch das Team vom Neptune.“

Erleichtert lächelt Celine mich an und sagt aufseufzend „Danke“, während sie sich umwendet und die Treppe hinunter geht.

Felix blinzelt mich ungläubig an. „Wer bist du? Mutter Theresa von der Strand oder was? Warum hilfst du dieser, die immer nur blöd ist?“

„Ach Felix, ich weiß auch nicht. Irgendwie fühle ich mich im Moment so gut, dass ich mit niemandem böse sein kann. Und was hat uns Celine schließlich getan außer blöde Bemerkungen auszuspucken?“

Kopfschüttelnd und leise vor sich hinmurmelnd folgt mir Felix die Treppe hinunter. Ich höre so etwas wie: „Dumb dora“ und: „Wir werden sehen, was sie daraus macht“ und: „Crazy!“, aber es ist mir egal. Ich bin wie im Rausch. Diego war da und hat meinen Erfolg bei der Wahl beobachtet. Er hat mir zugelächelt und mir applaudiert. Er war da und ich habe ihn geküsst. Ich fühle mich so leicht und glücklich wie noch nie. Alle haben mir applaudiert, alle haben sich mit mir gefreut, aber etwas macht mir doch Gedanken: Warum ist Pascal bloß davon gestürmt, wie ein wütender Stier?

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