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2.3.2.2 Der Passionsbericht Michael Weisses

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Die erste Strophe berichtet von der Gefangennahme Jesu. Wo der Hymnus das Verhör vor dem Hohen Rat nur im „afflictus“ andeutet, benennt es Weisse mit den Worten „geführt vor gottlose Leut und fälschlich verklaget“ und spricht hier von den falschen Zeugen, die im Hymnus erst in der 2. Strophe gegen den Text aller Evangelisten bei Pilatus auftreten.

Die zweite Strophe stellt das Verhör vor Pilatus dar. Anstelle der im Hymnus benannten falschen Zeugen, der Verletzung und Erniedrigung Jesu setzt er in diesem Zusammenhang die Feststellung der Unschuld Jesu durch Pilatus hinzu und stellt damit etwas heraus, das explizit bei Mt durch den Traum der Frau des Pilatus und bei Lk und Joh „Ich … habe an diesem Menschen keine Schuld gefunden“ (Lk 23,14; ähnlich Joh 19,4) benannt wird. Implizit ist dieser Gedanke auch bei Mk in der Frage des Pilatus „Was hat er denn Böses getan?“ (Mk 15,14; par. Mt 27,23) vorhanden. Außerdem setzt er die Überstellung Jesu zu Herodes hinzu, die lukanisches Sondergut ist.

In der dritten Strophe steht die Verspottung und Geißelung im Mittelpunkt, wie sie bei Mt und Mk berichtet ist. Hier ist bei Weisse wie auch im Hymnus die verhöhnende Inthronisation Jesu durch Mantel und Dornenkrone beschrieben. Den Ruf „crucifige“, den der Hymnus hier verortet, der aber sowohl nach Joh als auch nach den Synoptikern erst danach ertönt, übernimmt Weisse nicht.

Die Kreuzigung ist Thema der vierten Strophe. Sie wird der sechsten Stunde zugeordnet, was nicht den Synoptikern entspricht: Bei Mk wird explizit die dritte Stunde benannt, nach Mt und Lk ist Jesus lange vor dem Eintreten der Finsternis zur 6. Stunde gekreuzigt worden. Nach dem Bericht des Joh liegt die Kreuzigung weit nach der 6. Stunde, zu der Pilatus sich noch darum bemüht, den Ruf des Volkes nach der Kreuzigung Jesu rückgängig zu machen (Joh 19,14).

Dennoch übernimmt Weisse hier die Tradition aus den Stundengebeten, obwohl er an anderen Stellen korrigierend eingreift, wenn der Bericht des Hymnus nicht dem biblischen Zeugnis entspricht.

Weisse setzt in dieser Strophe den Spott der Vorübergehenden und Mitgekreuzigten hinzu und die Finsternis, die nach synoptischem Bericht um diese Stunde eintrat. Hiermit korrigiert er ihre zeitliche Einordnung nach dem Tod Jesu, wie sie im Hymnus zu finden ist.

Die fünfte Strophe beschreibt die Todesstunde Jesu. Der Eli-Ruf (Mt 27,46; Mk 15,34), der im Hymnus auftaucht, obwohl er nicht dem joh Bericht entstammt, an dem der Hymnus ansonsten entlanggeht, ist ebenso bei Weisse zu finden, aber in einer paraphrasierten Übersetzung „klaget sich verlassen“.

An dieser Stelle berichtet Weisse vom Tränken Jesu mit Essig und Galle. Nachdem der Hymnus in der vorhergehenden Strophe von einem Tränken des dürstenden Jesus zur Folter berichtet, „prae tormentis sitiens felle est potatus“, das direkt nach der Kreuzigung stattfindet, hat Weisse dies an die Stelle gesetzt, an der es auch bei Mt und Mk verortet ist. Im Unterschied allerdings zu diesen beiden Evangelisten mischt er dem Getränk Galle bei; diese ist nur bei Mt, aber an anderer Stelle, erwähnt, als Jesus vor seiner Kreuzigung Wein mit Galle vermischt dargereicht bekommt (Mt 27,34; vgl. Mk 15, 23: Myrrhe mit Wein).

Wo der Hymnus, Johannes folgend, im Psalmzitat Ps 31,6 von der Geistübergabe an Gott spricht („animam patri commendavit“), bedient sich Weisse der Sprache der Synoptiker: „da gab er auf seinen geyst“. Hier folgt der Bericht vom Beben, dem zerreißenden Vorhang und den zerklüftenden Felsen, wie er bei Mt gegeben ist, wobei aber nicht auf die Totenauferstehung Bezug genommen ist.

Die sechste Strophe ist der Vesperzeit, der neunten Stunde, zugeordnet. Der Hymnus berichtet, der Tradition des Stundengebetes folgend, von der Kreuzabnahme und fügt theologische Deutungen ein: Der göttliche Geist Jesu ist nicht dem Tod unterlegen, sondern er, die Medizin des Lebens, eine Umformung des altkirchlichen Theologumenon vom pharmakon athanasias, hat sich den Tod unterworfen. Der Gekreuzigte trägt die Ehrenkrone.

Hier greift Weisse stark in den Text des Hymnus ein: Er berichtet stattdessen vom Brechen der Beine der mitgekreuzigten Schächer und von dem Lanzenstich, der Blut und Wasser hervortreten läßt, und deutet dies als Erfüllung der Schrift. Darin folgt er Johannes (Joh 19,36f), der sich diese Ereignisse betreffend hier als Zeuge für die Erfüllung atl Passahtradition bzw. Verheißung versteht. Weisse hebt so die Rede von Blut und Wasser hervor, die für die Feier der Eucharistie liturgisch bedeutsam wurde, obwohl sie in der lateinischen Vorlage nicht zu finden ist.

Erst in der 7. Strophe berichtet auch Weisse von der Kreuzesabnahme und faßt sie zusammen mit der Grablegung Jesu, wie es auch dem biblischen Bericht eher entspricht. Er übernimmt nicht die theologische Rede von Jesus als „vitae spes futurae“, auch nicht die Rede von den Spezereien aus dem lateinischen Text, die nur nach Joh dem Leib Jesu vor seiner Grablegung zukommen; bei den Synoptikern ist von diesen erst am Ostermorgen die Rede. Stattdessen führt er den Bericht von der Grablegung Mt folgend zuende, indem er die Grabhüter erwähnt. Die Grablegung bezeichnet er als „herlich nach judischer art“, wobei er mit „herlich“ die Formulierung „nobile“ aufzunehmen scheint und mit „nach judischer art“ möglicherweise dem joh Bericht folgt: „wie die Juden pflegen zu begraben“ (19,40).

Die Passion Jesu im Kirchenlied

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