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Das theologische Konzept

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Es scheint, daß Michael Weisse, als er den Hymnus dem deutschsprachigen Gesang zugänglich machte, zuvörderst das Anliegen hatte, ihn mit seinem Gehalt weiterzutragen, d.h. mit der darin gegebenen Möglichkeit, im Abschreiten der Passion sich dem Leiden Christi zu nähern und darin zu erkennen, daß hier der Weg in ein Gottesverhältnis liegt, das durch den Gehorsam gegenüber Christus und die Zueignung der durch ihn erworbenen Rettung bestimmt ist.

Darin sind Aspekte einer Christologie erkennbar, die die Gottessohnschaft Christi voraussetzt, ihn als Messias begreift, die sein stellvertretendes Leiden für uns benennt. Aufgrunddessen versteht er die Passion als Handeln Gottes am Menschen, in dem Christus in seiner Ohnmacht dennoch im Leiden Herrscher bleibt.

Eine Sündenlehre entfaltet Weisse nicht, aber er spricht unter umgekehrtem Vorzeichen von der Sünde, indem er in seinen Einschüben die Schuldlosigkeit Christi betont, ihn in seinem Gehorsam als Vorbild in der Tugend versteht. Am Ende steht die Bitte an Christus, den Singenden zu befähigen, mit dem Tod Christi auch die „Ursach“ seines Todes, d.h. die eigene Sünde, fruchtbar zu bedenken.

Weisse thematisiert also die Sünde, aber er tut es aus der Perspektive heraus, daß Christus durch sein Leiden die Menschen aus ihrer Schuldverhaftetheit befreit hat.

Darum ist der Dank die Haltung, mit der er dem Geschehen um das Leiden und Sterben Jesu Christi begegnet. Darum ist auch dem Mitleiden zwar Raum gegeben, aber es ist doch umfangen von der Gewißheit dessen, daß sich hier Gottes Heilsordnung verwirklicht hat.

In diesem theologischen Konzept ist in Grundlinien die in Luthers Sermon anempfohlene Haltung gegenüber der Passion wiederzuerkennen:

Die Grundhaltung des Dankens gegenüber dem Leiden Christi, der Weg über die Betrachtung, wenn sie auch hier noch in ihrer zeitlichen Entfaltung geschieht und nicht nur auf den Anblick des Gekreuzigten konzentriert ist, die Konsequenz von Gehorsam und Nachfolge.

Diese allerdings ist bei Luther anders begründet: dort ist es die Gottesliebe, die geweckt wird durch die Betrachtung des Leidenden und die Erkenntnis seiner Liebe als Bild der Liebe Gottes zum Menschen. Der Weg zum Gehorsam beruht also nach Luther deutlicher allein auf dem Wirken Gottes am Menschen.

Allerdings kann man in der Bitte um fruchtbares Bedenken des Todes Christi und seiner Ursache die seelsorgliche Anrede des Lesenden im Sermon wiederfinden, in der er das innere Erleben seines Lesers aufnimmt, der die Erfahrung macht, daß sein Betrachten keine Frucht zu bringen scheint. Luther fordert seinen Leser auf, in diesem Falle nicht davon abzulassen, Christus zu bitten, ihm das fruchtbare Bedenken der Passion zu gewähren. So ist hier wie dort deutlich, daß es Christus ist, der im Bedenken am Betrachter handelt, der die Zueignung der im Leiden erworbenen Gottesgemeinschaft wirkt. So ist auch bei Weisse das wesentliche gegeben: Im rechten Bedenken der Passion wird eine Beziehung gestiftet zwischen Gott und dem Menschen, in der dieser in Willenseinheit mit Gott leben und ihm in Dankbarkeit zugetan sein kann.

Die Passion Jesu im Kirchenlied

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