Читать книгу Die Passion Jesu im Kirchenlied - Christina Falkenroth - Страница 69
2.3.2.3 Der Vergleich mit dem Hymnus1
ОглавлениеPatris sapientia, veritas divina,
Christus Jesus captus est hora matutina,
a suis discipulis et notis relictus
judaeis est venditus, traditus, afflictus
Hora prima ductus est Jesus ad Pilatum,
falsis testimoniis multum accusatum
in collo percutiunt manibus ligatum
conspuentes faciem, ut est prophetatum.
„Crucifige!“ clamitant hora tertiarum
illusus induitur veste purpurarum,
caput suum pungitur corona spinarum,
fert trabem in humoris ad loca poenarum.
Jesus hora sexta est cruci conclavatus,
prae tormentis sitiens felle est potatus,
pendens cum latronibus cum eis deputatus,
sinister cum reprobat latro sceleratus.
Hora nona dominus Jesus expiravit,
„heli!“ clamans animam patri commendavit.
Eius latus lancea miles perforavit,
terra tunc contremuit et sol obscuravit.
De cruce deponitur hora vespertina
fortitudo latuit in mente divina.
Talem mortem subiit vitae medicina.
Heu corona gloriae iacet hic supina.
Hora completorii datur sepulturae
corpus Jesus nobile, vitae spes futurae,
conditor aromate inplentur scripturae,
jugis sit memoriae mors haec tuae curae.
Has horas canonicas cum devotione
tibi Jesu recolo pia ratione,
ut sicut tu passus es poenas in agone,
sic labore consonans consors sim coronae.
Der Vergleich mit dem Hymnus zeigt, daß Michael Weisse in seiner Textgestaltung in Grundzügen dem Hymnus folgt. Die zeitliche Zuordnung zu den Stundengebeten übernimmt er mit einer Ausnahme (Str. 7) auch da, wo sie dem biblischen Bericht nicht entspricht (s. Str. 4: Kreuzigung zur sechsten Stunde).
Der Hymnus ist stark am Johannesevangelium orientiert, obwohl auch hier Elemente aus den anderen Evangelien auftauchen (der links von Jesus aufgehängte Räuber, der Eli-Ausruf, die Sonnenverdunkelung) und aus der Tradition („in humoris“: der Schweiß beim Kreuztragen, evtl. soll hier auf die Tradition vom Schweißtuch der Veronika hingewiesen werden, dazu die theologisch deutenden Zusätze in Str. 6 und 7); diese Orientierung ergänzt Weisse durch Elemente der synoptischen Berichte und im Hymnus nicht auftauchende Elemente des Johannes-Berichtes (der Befund der Unschuld Jesu, die Sendung zu Herodes, der Ruf der Verlassenheit, das Tränken mit Galle, obgleich es an anderem Ort berichtet wird als es bei Mt steht, die Geistaufgabe, das Brechen der Beine, das Austreten von Blut und Wasser, die Grabhüter, der Verweis auf die Schrifterfüllung).
Dazu korrigiert Weisse den Hymnus an manchen Stellen, an denen dieser nicht dem biblischen Bericht folgt (Zeitpunkt des Auftretens der falschen Zeugen, Zeitpunkt des Tränkens mit Essig, Zeitpunkt der Kreuzabnahme, Zeitpunkt der Sonnenverdunkelung, Zeitpunkt des Bebens).
Die theologischen Deutungen des Todes Jesu als Sieg über den Tod (talem mortem subiit vitae medicina), der Verweis darauf, daß auch im Tod der göttliche Geist in ihm stark blieb (fortitudo latuit in mente divina), d.h. daß die Majestätseigenschaften Christi auch im Tod nicht verloren sind, und die Rede von der Ehrenkrone, die im Augenblick des Todes auf ihm ruht (corona gloriae jacet hic supina) nimmt Weisse in seinen Bericht nicht auf.
Weisse nimmt aus dem Hymnus nicht den affektiven Ausruf von der Ehrenkrone auf dem toten Leib Jesu („Heu corona gloriae …“) in seinen Text auf, auch nicht die Rede vom im Grab befindlichen corpus Jesu, das gleichzeitig aber „vitae spes futurae“, also Träger eschatologischer Hoffnung ist. Damit grenzt er sich von einem Verständnis ab, das den Leichnam Christi als Objekt der Anbetung und Verehrung versteht, so wie es sich in der römisch-katholischen Tradition z.B. auch in der Tradition der Bestattung der Hostien in der Grablege im Kirchenraum niedergeschlagen hat. Dieses entspricht ganz der theologischen Ausrichtung der Böhmischen Brüder, die sich in der Frage nach der rechten Feier des Abendmahls so entschieden hatten, es den reinen Worten der Schrift nach zu feiern, wie es Jesus mit den Jüngern beim letzten Mahl getan hatte, und nichts hinzuzufügen und darum die Anbetung der Hostie im Abendmahl aus ihrer Abendmahlspraxis ausgeschlossen hatten.2