Читать книгу Die Passion Jesu im Kirchenlied - Christina Falkenroth - Страница 80
2.3.4 Ergebnis Das Abschreiten des Passionsweges
ОглавлениеDas Lied ermöglicht dem, der es singt, dem Leidensweg Christi Schritt für Schritt nachzugehen. Indem er sich vor Augen führt, was dieser alles ertragen hat, kann er ins Staunen geraten darüber, daß dies alles, wie von Weisse mehrfach betont, um seinetwillen geschehen sein soll. Das „subjektiv-emotionale Mitgehen“ mit der Passion Jesu erhält die Möglichkeit, sich zu entfalten. Es ermöglicht dem Meditierenden, anhand der Schwere des Leidens Christi seine große Liebe zum Menschen zu begreifen. Damit kann dieses Lied einen Sinn haben, wie ihn Luther in seinem Sermon beschrieben hat: Anhand der Betrachtung des Leidenden zur Erkenntnis der Liebe Gottes zu gelangen.
Durch inneren Gehalt und musikalische Gestalt ist dem Mitgehen mit dem Leidenden eine Fassung gegeben, die von Ruhe und Gewißheit getragen ist. Sie kann bedeuten, daß man durch das Mitleiden nicht in haltlosen Schmerz ausbricht – auch dieses beschreibt Luther zu Beginn seines Sermons als fehlgeleiteten Umgang mit der Passion. Sondern das Mitgehen mündet in eine Bitte um Anteilhabe an den Tugenden Christi. Diese ist in der Gewißheit ausgesprochen, daß eben darum das Passionsgeschehen sich ereignet hat: Dankopfer sind die Antwort auf das Handeln Christi am Kreuz.
Die Form, in der das Mitgehen erfolgt, ermöglicht ein in die Zeit ausgedehntes Nachdenken über die Passion. Anders als im Sermon Luthers ist hier ein Erkenntnisweg nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich beschritten. Das kommt der Tiefe des zu erkennenden Inhaltes entgegen: Menschliche Erkenntnis muß reifen und bekommt im Singen des Liedes einen Raum dazu.
Mit diesem Weg sind vorreformatorische Frömmigkeitspraxis und reformatorische Erkenntnis eine fruchtbare Symbiose eingegangen.