Читать книгу Die Passion Jesu im Kirchenlied - Christina Falkenroth - Страница 81
Die Gewißheit über das Herrschen Christi auch im Leiden
ОглавлениеDurch Form und Inhalt wird dem Singenden eine dialektische Verbindung offenbar: Das wirkliche Leiden Christi am Kreuz als wehrloses Ausgeliefertsein an menschliches Handeln bedeutet wahrhaftes Herrschen Gottes in der Situation der Ohnmacht.
Dies wird in der ordnungshaft strukturierten und schreitenden Musik deutlich, ebenso wie die in den Worten deutliche Geordnetheit des Geschehens. Das Ziel, die Seligkeit des singenden Menschen, ist dem Lied vorangestellt, so daß auch während des Bedenkens der Leiden Christi für den Meditierenden kein Zweifel an der Richtung des Geschehens bestehen kann. Am Ende ist dies wiederaufgenommen und explizit gemacht: Nicht das Nachahmen des Leidens Christi ist Aufgabe des Menschen, sondern die Zueignung der Tugend Christi, die sich hier erwiesen hat. Nicht Mitleiden, sondern Dank ist es, was der Mensch Christus entgegenbringen kann.
Es sind somit in dem Lied nicht nur spätmittelalterliche compassio und reformatorische Erkenntnis miteinander verschmolzen, sondern auch das altkirchliche Christusbild vom „christus victor“. Am Ende des Mitgehens und der Erkenntnis dessen, daß er in seiner Passion immer noch Gott ist, steht der Zugang, der den Menschen durch das Geschehen eröffnet ist: Anteilgabe an der Tugend, d.h. dem Anerkanntsein vor Gott durch Christi Handeln und Dank.