Читать книгу "Ich fühl mich nicht als Mörder!" - Christina Ullrich - Страница 8
1. Thema und Fragestellung
Оглавление„Alle sind unbestraft und abgesehen von den Geschehnissen, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, niemals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Sie haben nach dem Kriegsende ausnahmslos zu bürgerlichen Berufen zurückgefunden, einen einwandfreien Lebenswandel geführt und in achtbaren Verhältnissen gelebt.“1 Was der Vorsitzende des Landgerichts Koblenz zehn früheren Angehörigen des KdS/BdS Minsk bescheinigte, war nichts anderes als ihre soziale Reetablierung in der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Als Topos, der Tatsächliches beschreibt und gleichzeitig das Unvermögen ausdrückt, diese Personen als Täter zu begreifen und zu erfassen, lässt sich die zitierte Feststellung in fast allen Urteilsbegründungen von NS-Prozessen finden. Auch Rechtsanwälte und Leumünder der Angeklagten verwiesen regelmäßig darauf. Die Feststellung, dass NS-Täter der verschiedensten Kategorien ihren Weg in die Gesellschaft der 1950er Jahre gefunden haben, ist keine neue Erkenntnis. Dennoch finden die Nachkriegskarrieren von Tätern abseits der NS-Eliten nur langsam Beachtung, der Schwerpunkt liegt nach wie vor auf ihren NS-Lebensläufen.
Und das, obwohl die naheliegende Frage, wie die Integration und Reetablierung der Täter möglich war, wie sie funktionierte, noch nicht beantwortet ist. Wie wurde aus Georg Heuser, dem Gestapo-Chef von Minsk, der Leiter des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz? Wie wurde der Leiter der kriminalpolizeilichen Abteilung der gleichen Minsker Dienststelle, Rudolf Schl., zum Lehrlingsausbilder bei Daimler-Benz in Stuttgart? Die Worte des Richters des Koblenzer Landgerichts waren auch an sie gerichtet gewesen. Sicher, einzelne Studien haben Nachkriegslebensläufe in den Blick genommen. So hat Gerhard Paul2 differenziert nach den Möglichkeiten und Wegen, die sich Gestapo-Beamten je nach ihrer hierarchischen Exposition boten oder nicht mehr boten, gefragt, und sich Ulrich Herbert3 dem lobbyistischen Wirken Werner Bests nach 1945 gewidmet. Auch über den genannten Georg Heuser gibt es einen kurzen biografischen Aufsatz, der jedoch für die Nachkriegszeit nur die Etappen der Karriere nennt.4
Die Frage nach dem Wie wurde bislang vernachlässigt und ist daher die zentrale Frage, mit der sich die vorliegende Arbeit beschäftigt. Als Ausgangspunkt wurde ein exemplarischer biografischer Ansatz gewählt, um sich an konkreten Fällen orientieren zu können, die trotz ihrer Individualität in ihren Grundaussagen durchaus auf andere Täter übertragbar sein können. Herangezogen wurden dazu 19 Biografien von Personen, die als Angehörige der zweiten und dritten Ebene von Einsatzgruppen direkt an den Massenmorden in den Ostgebieten beteiligt oder beim Sonderkommando 1005 eingesetzt gewesen waren und ab Ende der 1950er Jahre von einem bundesdeutschen Gericht deswegen verurteilt worden sind. Ziel war es, eine möglichst heterogene Gruppe zusammenzustellen, um verschiedene Varianten insbesondere der Nachkriegslebensläufe zu erfassen. Die Entscheidung, die 19 Personen aus verurteilten Tätern herauszusuchen, mag der Täterforschung insofern entgegenlaufen, als inzwischen biografische Arbeiten bewusst diese juristische Konstruktion von Täterschaft durchbrochen haben und nicht angeklagte oder verurteilte Täter einbeziehen. Aus pragmatischen Gründen entschied ich mich jedoch für den beschriebenen Weg, um das umfangreiche Quellenmaterial der Strafprozessakten zur Beantwortung meiner Fragen heranziehen zu können. Bewusst wurde darauf verzichtet, die Personen nach einem definierten Dienstrang auszusuchen, um der Tatsache zu entsprechen, dass die jeweilige Verantwortung und die Entscheidungsspielräume der Einzelnen nicht zwangsläufig mit dem Dienstgrad korrespondieren mussten. Ausführlich wird im Kapitel „Die Täter“ auf die heterogene Zusammensetzung der Tätergruppe einerseits und die dennoch bestehenden Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten ihrer Lebensläufe eingegangen.
Allen gemeinsam ist, dass sie im Nationalsozialismus zu Tätern wurden, dass sie „Karrieren der Gewalt“ (Mallmann/Paul) durchliefen und dass es ihnen nach den Etappen der direkten Nachkriegszeit, eventueller Kriegsgefangenschaft bzw. Internierung und Entnazifizierung gelang, sich eine „bürgerliche“ Existenz aufzubauen, in die sie sich in den 1950er Jahren bewusst unauffällig zurückzogen oder in der sie wie Heuser wieder Karriere machten. Dieser Weg vom Kriegsende bis zu den einsetzenden Strafverfahren soll anhand der 19 Personen nachvollzogen werden. Der Blick wird dabei nicht allein auf die Täter gerichtet, sondern vielmehr erweitert und ergänzt um einen Blick auf die Gesellschaft im Allgemeinen und im konkreten individuellen Kontext. Auf diese Weise soll an den einzelnen neuralgischen Etappen der Nachkriegslebensläufe nach Mechanismen gefragt werden, die zur Integration der betreffenden Personen beitrugen oder sie gar erst ermöglichten. Das Zusammenwirken von Taktiken und Verhaltensweisen der Täter auf der einen Seite und dem Verhalten ihres sozialen Umfeldes vor dem jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Hintergrund soll dafür in den Mittelpunkt gerückt werden. Zunächst geht es um die direkte Zeit nach Kriegsende. Eine spektakuläre Flucht ins Ausland unternahm keine der 19 Personen, allerdings versuchten einige unterzutauchen. Letzteres, zumal noch unter falschem Namen, konnte man nur, wenn es Unterstützung aus der Gesellschaft gab, wenn man sich auf Solidaritätsverhältnisse verlassen konnte. Werner Schö., um ein Beispiel zu nennen, nützte es letztlich nichts, dass er sich falsche Papiere hatte beschaffen und mit Hilfe seiner Wiener Bekanntschaften zunächst auf einer Berghütte in Österreich hatte untertauchen können, wenn ihn dann ein ehemaliger Kollege der Gestapo verriet. An seinem Beispiel kann gezeigt werden, wer ihn aus welchen Motiven heraus unterstützte oder aber verriet. Gefälschte Identitäten bargen die Gefahr, erkannt zu werden; Kontakt zur Familie musste vermieden werden oder im Geheimen geschehen. Nicht jeder konnte oder wollte das durchhalten. Es muss nach dem Charakter der Unterstützung gefragt werden, die die Täter in dieser Phase erhielten. Die meisten befanden sich allerdings nicht in Freiheit, sondern in Kriegsgefangenschaft oder Internierungshaft. Es wird zu zeigen sein, dass diese auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen tatsächlich nicht die Weichenstellungen waren, für die sie die betroffenen Personen damals halten mochten. Aus diesem Grund wird diese Phase in der Arbeit als „Transition“ und noch nicht als Integrationsphase verstanden. Ganz im Gegensatz zur Entnazifizierung, der nächsten zu betrachtenden Phase, die bereits zur Integrationsphase gezählt wird. Es wird danach zu fragen sein, welche Taktiken die Täter anwandten, wie sie ihre Lebensläufe verfälschten, was ihnen kommunizierbar, was nicht sagbar erschien und vor allem, wie sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits selbst exkulpierten. Welchen Unterschied machte es, ob jemand sein Spruchkammerverfahren in einem Internierungslager oder in Freiheit durchlief? Wer stellte wem Persilscheine aus, was sagen sie über die Aussteller und was über die Empfänger aus? Was unterschied die eidesstattlichen Erklärungen von Mitinhaftierten, respektive alten Kameraden, von denen aus dem privaten zivilen Umfeld? Die Frage nach dem Zusammenspiel dieser die Seite der Täter betreffenden Aspekte mit den Reaktionen, Argumenten und Geschichtsvorstellungen und -deutungen ihres sozialen Umfeldes, ihrer Rechtsanwälte – so sie welche hatten – und vor allem der Spruchkammern führt direkt zur nächsten Frage: Welche Geschichts- und Täterbilder herrschten vor und konnten in Anbetracht vorhandenen oder nicht vorhandenen Geschichtswissens wirksam werden, und wie gefestigt waren sie bereits? Wie kam es beispielsweise dazu, dass obwohl der Spruchkammer August Hä.s Zugehörigkeit zum Sonderkommando 4a sowie seine Tätigkeit beim BdS Athen bekannt waren und zudem Dokumente aus dem Nürnberger Einsatzgruppenprozess vorlagen, dies keine negativen Auswirkungen auf sein Verfahren hatte? Es kann nicht darum gehen, die Phase der Entnazifizierung noch einmal auf ihre Wirksamkeit hin zu analysieren. Stattdessen sollen an ausgesuchten Beispielen Wirkungsmechanismen und Wechselbeziehungen aufgezeigt werden.
Der nächste nachzuvollziehende Schritt ist der berufliche Wiedereinstieg, der gleichbedeutend mit der gesellschaftlichen Reetablierung der Täter ist und nach der Entnazifizierung in der Arbeit als Integrationsphase II bezeichnet wird. Grundsätzlich ist dabei zu unterscheiden zwischen der Rückkehr in den Staatsdienst und in die freie Wirtschaft. Ersteres war gesetzlich geregelt und barg vor allem die Gefahr, dass gefälschte NS-Lebensläufe aufgedeckt werden konnten. Wer sah darin kein Problem für sich? Wem schien die Gefahr zu groß? Was kommunizierten die, die wieder in den Dienst der Polizei oder Kripo wollten, aus ihren Lebensläufen und wie kommunizierten sie es? Auf welche Fürsprecher konnten sie zurückgreifen, und wie kamen ihnen die einstellenden Behörden entgegen oder aber auch nicht? Wie korrespondierten Selbstsichten und Selbstdarstellungen der Täter mit denen der einstellenden Behörden? Für eine Rückkehr oder einen Wiedereinstieg in die Wirtschaft war die NS-Biografie von weitaus geringerem Interesse. Erwähnung fand sie nur dort, wo explizit danach gefragt wurde und sie als Beleg für Berufspraxis dienen konnte.
Geht man davon aus, dass sie wenig berufliche Erfahrung in ihren ursprünglich erlernten Berufen angesammelt hatten, bevor sie ihre NS-Karriere begannen, und sie, gerechnet von 1949, in den meisten Fällen weit mehr als zehn Jahre nicht mehr in ihrem Ausbildungsberuf gearbeitet hatten, stellt sich die Frage, wie sie in der Bundesrepublik daran anknüpfen konnten – nahtlos oder mit Brüchen? Auf welche Fürsprecher griffen sie zurück? Lassen sich Kontakte zu alten Kameraden nachweisen? Unabhängig davon, welchen Weg die einzelnen Personen wählten, ob sie wie Heuser wieder zur Kriminalpolizei gingen, oder sich wie August Hä. in den väterlichen Handwerksbetrieb zurückzogen, ihre Reetablierung hing maßgeblich mit dem gesellschaftlichen und politischen Klima der 1950er Jahre, vor allem der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts, zusammen und muss daher zwingend in diesem Kontext betrachtet werden. Dass sie als „normale“ und „anständige“ Bürger galten, hing nicht zuletzt mit der geltenden Konzeption dieser Normalität zusammen, in die sie sich problemlos einfügen konnten. Die Ruhe, in die sie abtauchen konnten, basierte auf einem Konsens im Umgang mit der jüngsten Geschichte. Trotzdem konnten sie sich nie wirklich sicher sein, dass sie ihre Vergangenheit nicht doch noch einmal einholen würde. Im Fall von Rudolf Th. wusste niemand an seinem neuen Nachkriegswohnort von seiner Vergangenheit; auch seine Frau, die er erst nach 1945 geheiratet hatte, wusste nichts darüber, noch nicht einmal, dass er bei der Gestapo gewesen war. Das Netzwerk, das Heuser zwischen ehemaligen Angehörigen des KdS/BdS Minsk nach Kriegsende geknüpft hatte, bot Sicherheit und Unterstützung, aber zum Zeitpunkt der einsetzenden systematischen Strafverfolgung von NS-Gewaltverbrechen bedeutete es auch eine neue Gefahr. Die Lebenslügen, die die Täter beim Begehen ihrer Taten zu einem Teil ihrer Biografie gemacht hatten, drohten im Gefolge des Ulmer Einsatzgruppenprozesses und der Einrichtung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen Ludwigsburg aufgedeckt zu werden. Aus diesem Grund endet die Arbeit ganz bewusst nicht an dem Punkt, an dem Verfahren gegen die Täter eröffnet wurden, sondern bezieht die Verfahren mit ein, um die Frage zu beantworten, ob sie Endpunkte der Integration waren. Nur hier zeigt sich, wie fest die Betroffenen integriert waren, wie das soziale Umfeld, von der Familie über Freunde, Kollegen, bis hin zu den Arbeitgebern reagierte. Werner Schmidt-Hammer war der erste der 19, der sich vor Gericht zu verantworten hatte; die folgende Lawine an Vorermittlungen erfasste dann die nächsten Täter dieser Gruppe. Nur ein einziger, Werner Schö., ergriff die Gelegenheit zur Flucht vor der bundesdeutschen Justiz, hatte er doch nach Kriegsende bereits in Österreich im Gefängnis gesessen. Alle anderen reagierten nicht, ahnend, dass es auch sie früher oder später treffen konnte, sicher, dass sie rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden könnten. Wie Werner Schö.s Flucht, bei der er auf Unterstützung angewiesen war, wird auch das Verhalten derer, die abwarteten, was passieren würde, zu untersuchen sein. Galten die Selbstsichten und Selbstrechtfertigungen, die sie bereits nach Kriegsende geäußert hatten, immer noch? Der Blick ist wiederum auf die entlarvten Täter zu richten, auf ihre Reaktionen, Selbstrechtfertigungen, Selbstsichten und Argumentationen. Das gilt auch für ihre Rechtsanwälte, die nicht nur die Rechte der Täter, sondern in bestimmten Fällen auch deren Meinungen und Ansichten vertraten. Auf der anderen Seite müssen die Familien in den Blick genommen werden, ebenso die Reaktionen und Äußerungen ihrer Kollegen und Arbeitgeber. Schließlich muss der Fokus auf die Seite der Ermittler, Staatsanwaltschaften und Gerichte gerichtet werden. In ihren Spruchkammerverfahren hatten die Täter das Wissen über die Verbrechen auf ihrer Seite gehabt; die Gegenseite in Gestalt der öffentlichen Kläger hatte ihnen nichts Konkretes entgegenzusetzen gehabt. Leicht hatten sie ihre Lebensläufe verschleiern können. Nun aber wurden ihnen Dokumente, Beweise, Wissen um Marschrouten und Einsätze vorgehalten, und sie mussten darauf reagieren. Was vor der Spruchkammer noch allgemein als „Bandenkampf“ durchgegangen war, erschien nun in einem ganz anderen Licht. In der Analyse des Zusammenwirkens der verschiedenen Akteure zeigt sich, wo welche Denkweisen und Wertvorstellungen noch konsensfähig waren und wo nicht mehr, wo sich durch die Ende der 1950er Jahre einsetzenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungsprozesse Bewertungskategorien verschoben hatten. Ein Indikator dafür ist, wie die Arbeitgeber aus dem Bereich der Wirtschaft darauf reagierten, dass einer ihrer Mitarbeiter in einem NS-Prozess angeklagt war und verurteilt wurde. Trennte man sich von dem Betreffenden oder unterstützte man ihn? Am Beispiel der Arbeitgeber Daimler-Benz und Carl Zeiss, beides bekannte Namen, kann veranschaulicht werden, wie unterschiedlich die öffentliche Meinung eingeschätzt und entsprechend gehandelt wurde. Im gleichen Zusammenhang ist danach zu fragen, was es über die Honoratioren einer Gemeinde aussagt, wenn sie sich offen für einen ehemaligen Mitbürger, der nun der Beteiligung an Massenerschießungen angeklagt war, verwandten. Veränderungs- und Lernprozesse verliefen in den unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Die großen NS-Prozesse brachten die Thematik der NS-Verbrechen mit Hilfe der Medien direkt als Diskurs in die Gesellschaft und schufen Geschichtswissen. Ob sie gleichzeitig neue Geschichts- und Täterbilder schufen oder vielmehr existierende legitimierten, ist zu diskutieren. Die Aufregung, die der Ulmer Einsatzgruppenprozess oder der Auschwitz-Prozess hervorriefen, war aber nicht von Dauer, und es muss danach gefragt werden, ob und wie sie sich im konkreten Umgang mit den Tätern bemerkbar machte.
Die Auswahl der Täterbiografien nach dem Gesichtspunkt der Vielfalt bringt es ebenso wie die unterschiedliche Quellenlage mit sich, dass einige Biografien mehr Raum einnehmen als andere, weil ihre Lebenswege sich von denen der anderen abheben bzw. weil einzelne Etappen ihrer Nachkriegsbiografien besonders gut belegt sind. Weil die Arbeit als personenbezogene Arbeit konzipiert ist, die über die bloße Nennung der Täter im Kontext der Verbrechen hinausgeht, und gesperrte Aktenbestände benutzt wurden, musste ich mich in vielen Fällen zur Anonymisierung verpflichten. Das führt zu der paradoxen Situation, dass in der Untersuchung Täter in anonymisierter Form erscheinen, die in anderen Veröffentlichungen mit ihrem vollen Namen im Zusammenhang mit ihren NS-Tätigkeiten genannt werden. Da ich eine exemplarische Betrachtung anstelle, schadet dies dem Anliegen und Ziel der Arbeit nicht; allerdings mag an manchen Stellen der Lesefluss unter den Anonymisierungen leiden, weil ich mich dazu entschieden habe, den Personen keine Schutznamen zuzuweisen, sondern sie mit Vornamen und abgekürztem Familiennamen zu nennen. Zum Schluss sei noch angemerkt, dass ein biografischer Ansatz im Bereich der Täterforschung immer eine Gratwanderung darstellt, bei der auf der einen Seite die Gefahr der Dämonisierung lauert und auf der anderen Seite die Gefahr droht, den Tätern in ihrer Selbstentschuldung zu folgen. Nicht immer lassen die Quellen den wissenschaftlich anzustrebenden differenzierten Mittelweg zu, weil sie nicht beide Seiten aufzeigen, weil schlicht Quellenmaterial fehlt oder weil die Strafprozessakten eine selektive Quelle darstellen. Die in den Quellen enthaltenen plastischen Schilderungen von Mordaktionen, Einzelschicksalen von Opfern und Fotos, die Szenen des Vernichtungskrieges, teils ganze Bildsequenzen einzelner Erschießungen, zeigen und zeitgenössische Beschriftungen auf der Rückseite tragen wie „die letzten Lebenssekunden der Juden“, sprechen eine klare, deutliche Sprache. Umso irritierender ist die Diskrepanz zwischen den Taten und dem Selbstbewusstsein, mit dem Täter ihre standesgemäße Rückkehr in die Gesellschaft der Bundesrepublik geradezu einforderten. Um beides in den Blick zu bekommen, werden im Verlauf der Arbeit immer wieder längere Originalzitate aufgegriffen, weil auch sie eine klare und deutliche Sprache sprechen.