Читать книгу Familienrecht und Einführung in das Zivilrecht - Christopher Schmidt - Страница 36

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5. KapitelVerlöbnis

232In diesem Kapitel werden wir uns mit dem Verlöbnis befassen. Entsprechende Vorschriften sind in §§ 1297–1302 BGB enthalten.

I.Rechtsnatur und Wirkung

233Das Verlöbnis selbst, das auch als Brautstand bezeichnet wird, ist im Gesetz nicht geregelt, es wird vielmehr vorausgesetzt. Rechtlich handelt es sich um einen Vertrag zwischen zwei Personen, die einander versprechen, künftig die Ehe miteinander einzugehen.68

234Die Verwirklichung dieses Versprechens kann nicht erzwungen werden. Denn nach § 1297 Abs. 1 BGB kann aus einem Verlöbnis nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden und nach § 1297 Abs. 2 BGB ist auch das Versprechen einer Strafe für den Fall, dass die Eheschließung unterbleibt, nichtig.

235Für die Eingehung des Verlöbnisses bestehen keinerlei Formerfordernisse. Sie kann also auch mündlich oder konkludent erfolgen, und zwar spätestens dadurch, dass zwei Personen gemeinsam eine konkrete Eheschließung planen und keine Zweifel an ihren Heiratsabsichten lassen. Insbesondere ist das Verlöbnis nicht an die Einhaltung hergebrachter Formen gebunden69 und muss Dritten gegenüber nicht offengelegt werden. Voraussetzung eines wirksamen Verlöbnisses ist allerdings, dass keine der Parteien bereits verheiratet oder anderweit verlobt ist. Denn dann wäre das Verlöbnis gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und deshalb nichtig.

236Wegen der mit dem Verlöbnis im Falle seiner Aufhebung verbundenen Risiken kann es für in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Minderjährige nicht als lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne des § 107 BGB gelten. Diese bedürfen daher der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters.70

237Neben der nicht einklagbaren (Haupt-)Pflicht zur Eingehung der Ehe führt das Verlöbnis zu verschiedenen Zeugnisverweigerungsrechten im Prozessrecht (z. B. § 30 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 383 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

II.Ersatzpflicht bei Rücktritt und Rückgabe der Geschenke

238Anders als die Pflicht zur Eingehung der Ehe sind die Folgen bei einem Rücktritt vom Verlöbnis, der von beiden Teilen ohne weitere Begründung erklärt werden kann, und bei einem sonstigen Unterbleiben der Eheschließung justitiabel.

239So besteht nach § 1298 Abs. 1, 2 BGB im Falle des Rücktritts vom Verlöbnis ein Anspruch des anderen Teils auf Ersatz angemessener Aufwendungen, die er in Erwartung der Ehe gemacht hat. Derselbe Anspruch steht seinen Eltern und dritten Personen, die an deren Stelle gehandelt haben, zu. Weiter ist dem anderen Verlobten ein Schaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er in Erwartung der Ehe sonstige sein Vermögen oder seine berufliche Stellung berührende Maßnahmen getroffen, insbesondere in Absprache mit dem Partner eine bisherige Tätigkeit aufgegeben hat.

240Ausgeschlossen ist der Anspruch nach § 1298 Abs. 3 BGB dann, wenn der Zurücktretende einen wichtigen Grund für seinen Rücktritt hat. Solche wichtigen Gründe können eine Täuschung über eine frühere Ehe oder bereits vorhandene Kinder sein, ferner ein Bruch der Verlöbnistreue, eine Verzögerung der Eheschließung ohne triftigen Grund oder ernsthafte Zerwürfnisse mit den künftigen Schwiegereltern.71 Trifft insoweit den anderen Teil ein Verschulden, so ist umgekehrt er nach § 1299 BGB dem Zurücktretenden zum Schadensersatz verpflichtet.

Beispiele:

Ersatz kann grundsätzlich verlangt werden für Kosten der Verlobungs- und Hochzeitsfeier sowie für die Hochzeitsreise, Umzugskosten, Anschaffungen für den späteren gemeinsamen Haushalt usw.

241Bei Unterbleiben der Eheschließung kann zudem nach § 1301 S. 1 BGB jeder Verlobte vom anderen die Geschenke zurückverlangen, also im Wesentlichen alle Zuwendungen, die mit der Auflösung des Verlöbnisses ihre Grundlage verlieren. Darunter fallen auch Gegenstände ohne materiellen Wert (Fotos, Liebesbriefe). Nicht erfasst werden dagegen Unterhaltsbeiträge von Verlobten, die bereits vor der Ehe einen gemeinsamen Haushalt führten. Denn diese werden nicht in Erwartung der Ehe, sondern im Hinblick auf das gegenwärtige Zusammenleben erbracht.72

Praxishinweis:

Ein Anspruch auf Löschung von Daten (z. B. digitalen Foto- und Videoaufnahmen, Kurzmitteilungen und E-Mails) aus § 1301 BGB besteht nicht.73 Droht allerdings die Verletzung des Persönlichkeitsrechts dadurch, dass solche Dateien Dritten zugänglich gemacht werden, kann (ebenso wie nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder nach Ehescheidung) ein Unterlassungsanspruch analog § 1004 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG bestehen.74

Darüber hinaus kann hinsichtlich intimer Aufnahmen ein Löschungsanspruch bestehen, wenn (wie im Regelfall) die Einwilligung in die Anfertigung und Verwendung der Aufnahmen konkludent auf die Dauer der Beziehung beschränkt wurde.75 Fälle sog. Rachefotos („revenge porn“) können zudem nach § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB strafbar sein.

242Der Anspruch auf Kranzgeld, der vormals in § 1300 BGB geregelt war, wurde dagegen 1998 abgeschafft. Bis dahin konnte eine unbescholtene Verlobte, die ihrem Bräutigam die Beiwohnung gestattet hatte, unter den Voraussetzungen der §§ 1298 f. BGB auch wegen des Nichtvermögensschadens eine gerechte Entschädigung verlangen. Die Abschaffung des Kranzgeldes ist zugleich ein Beispiel dafür, wie sich gerade im Familienrecht geänderte gesellschaftliche Wertvorstellungen auswirken.

Familienrecht und Einführung in das Zivilrecht

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