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Kapitel 7

Berlin, 1933

Das Atelier der Fotografin lag im Dachgeschoss eines alten Ziegelbauwerks. Der Architekt hatte breite Fensterfronten in die Giebel eingelassen, wodurch der Raum optimal ausgeleuchtet wurde. Es herrschte eine angenehme, entspannte Atmosphäre. Lediglich das unstete Klicken der Rolleiflex Kamera zeugte von emsiger Betriebsamkeit. Zwischendurch gab Frau Walther einige Anweisungen, die Christie augenblicklich umsetzte.

Christie – sie hatte sich schon beinahe an ihren Künstlernamen gewöhnt, doch noch nicht ganz. Manchmal hörte sie jemanden ihren neuen Namen rufen und bemerkte erst zu spät, dass man sie meinte. Dies hatte am Filmset zu mancherlei Missverständnissen geführt, doch Helene war fest entschlossen, diesen Makel für die Zukunft abzustellen. Folglich nannte sie sich selbst nur noch Christie und verbat ihrem Umfeld, je einen anderen Namen zu verwenden. Sie wollte perfekt in ihrer neuen Lebensrolle aufgehen. Schauspielerin, Künstlerin, sie könnte eine Berühmtheit werden. Der Weg war geebnet, ihr Debüt abgedreht, Der Traum vom Rhein wurde heute uraufgeführt. Der Grundstein ihrer Karriere war gelegt.

Wenngleich sie nicht die UFA für sich hatte einnehmen können. Die kleine R. N.-Filmproduktionsfirma hatte ihr diese Chance geboten. Robert Nappach war gleich bei ihrem ersten Kennenlernen auf sie zugekommen und hatte ihr die Rolle der Mary angeboten. Eine weibliche Hauptrolle. Das hätte sie zuvor nie zu träumen gewagt. Nicht so schnell zumindest. Wie aufregend es nun war, für die Illustrierten Pressefotos anfertigen zu lassen, noch unglaublicher würde es sein, den Film in vollständiger Länge zu genießen. Heute Abend würde sie für jedermann in Großformat auf der Leinwand zu sehen sein.

Und dann erst die Gala. Ein Festessen mit Musik und Tanz zur Feier des Tages. Unterhaltung der feinsten Art, die Comedian Harmonists würden auf Bitte ihres Freundes Nappach ein Gastspiel geben. Wie außergewöhnlich.

»Ich schlage vor …«, brach die Stimme der Fotografin in ihre Gedanken ein, »… dass wir den Hintergrund austauschen. Ich möchte gerne noch eine andere Kombination versuchen.«

»Woran denken Sie?«, fragte Christie.

»Sie werden doch heute Abend zur Gala den Schwarzfuchsschal um die Schultern tragen. Sie haben ihn mitgebracht, nicht wahr?«

»Natürlich, Sie haben darum gebeten.«

»Sehr gut.« Frau Walther gab einem Assistenten ein Zeichen. »Wir brauchen die silberne Wolke«, wies sie an.

Was immer das bedeuten soll, dachte Christie und beobachtete, wie der Assistent sich einem überdimensionierten Schrank zuwandte, die Türen öffnete und einige Papprollen inspizierte. Endlich schien er gefunden zu haben, was er gesucht hatte.

Unterdessen knüpfte die Fotografin die Schnürung des kleinen Päckchens auf und holte den Pelz hervor. »Wundervoll«, sagte sie, spitzte die Lippen und blies sanft über das schwarze Fuchshaar. »Ihr Kleid?«

»Silberne Seide mit schmalen Trägern«, antwortete Christie prompt.

»Exzellent, das wird hervorragend zu den vereinzelten Silberhaaren im Pelz passen.« Hoffnungsvoll fragte sie: »Das haben Sie nicht zufällig auch mitgebracht?«

»Nein, entschuldigen Sie. Ich wollte es mir nicht versehentlich verderben.«

»Nun gut, dann muss es so gehen. Bitte setzen Sie sich …« Hedda Walther zog einen mit grauem Samt bezogenen Hocker heran und positionierte ihn mittig vor dem neuen Hintergrund, den ihr Assistent inzwischen aufgehängt hatte. Sie musterte kurz ihr Arrangement und sagte dann: »Ja. Setzen Sie sich doch bitte einmal hierher.«

Nachdenklich drehte sie sich um die eigene Achse, schaute suchend umher. »Irgendetwas fehlt noch.« Sie nahm einen schlichten Hut von einem der Ausstattungsregale, setzte ihn Christie versuchsweise auf den Kopf, runzelte die Stirn und nahm ihn wieder fort. »Nein, das nicht.«

Wieder sah sie sich suchend um. »Oh, ich weiß.« Sie klatschte in die Hände und zog die Schublade einer kleinen Kommode auf. Daraus holte sie eine mit Leder bezogene Schatulle hervor, öffnete sie, sah den Inhalt durch und nickte dann freudestrahlend. »Da ist sie.«

Als sie auf Christie zutrat, hielt sie eine diamantbesetzte Goldlibelle in den Fingern. »Ja, nennen Sie mich albern, Fräulein Christie. Niemand wird auf den schwarz-weißen Fotos sehen können, dass ich hiermit Ihr goldenes Haar mit dem Silberhauch des Fuchspelzes verbinde. Aber ich sehe es.« Sie lachte. Dann strich sie Christies Scheitel glatt und befestigte die Libelle wie eine Spange in ihrem goldblonden Haar.

Anschließend nahm sie den Pelz zur Hand und legte ihn Christie um die Schultern. »Ihre blasse Haut hebt sich wundervoll gegen den Pelz ab, dazu die hellen Augen, superb.«

Die Fotografin ging zurück zu ihrer Kamera und begann mit einem neuen Satz Aufnahmen. Es folgten einige Anweisungen wie ›Augen tiefer‹, ›Kinn vor‹ oder ›etwas mehr Profil‹, die Christie sofort befolgte; dann eine plötzliche Stille, die leichte Verlegenheit transportierte.

»Darf ich Sie um etwas bitten?«, fragte die Fotografin.

Als Christie nicht widersprach, sagte sie: »Könnten Sie vielleicht das Kleid etwas von den Schultern lassen. Ich hätte gerne nur den Pelz, ohne Kleid.«

Christies Zögern währte nur kurz, dann gab sie sich einen Ruck und tat wie geheißen.

»Sehr schön. Keine Sorge, das sieht man später nicht. Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort.« Sie zwinkerte Christie zu. »Manchmal erreicht man durch kleine Tricks die größte Wirkung.«

»Verstehe«, sagte Christie und lächelte.

»So, mal sehen – mehr ins Halbprofil bitte. … Moment.« Sie rückte mit der Kamera einige Schritte näher, trat wieder leicht zurück, dann ertönte erneut das stetige Klicken. »Die Schulter etwas vor. … Senken. … Lassen Sie den Pelz leicht hinuntergleiten. Nicht zu viel. Gut so! Sehr schön! Das ist es!«

Winterloh. Bragolins düstere Legende

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