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2. Allgemeines Preußisches Landrecht

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§ 1187 des ALR[84] formulierte den Raubtatbestand folgendermaßen: „Wer durch Gewalt an Menschen, bewegliche Sachen, wozu er kein Recht hat, seines Gewinns, Vortheils, oder Genusses wegen in Besitz nimmt, macht sich eines Raubes schuldig.“ An diesem Tatbestand zeigt sich zunächst, dass der Raub – auch in Abgrenzung zum Diebstahl – durch das Merkmal der Gewalt an der Person gekennzeichnet war.[85] Dieses Kriterium geht dabei im Wesentlichen auf Böhmers Unterscheidung zwischen Gewalt gegen Personen und Gewalt gegen Sachen zurück, wobei letztere für die Begehung eines Raubes nicht ausreichen sollte.[86] Böhmer hatte sich insbesondere mit seinem Lehrbuch „Elementa jurisprudentiae criminalis“ um die Rechtswissenschaft verdient gemacht, das als erstes Lehrbuch des Strafrechts von wissenschaftlichem Rang gilt.[87] Mit seiner Unterscheidung von Gewalt gegen Personen und Gewalt gegen Sachen leitete Böhmer die Entwicklung der heute bestehenden Fassung des Raubtatbestandes in Abgrenzung zum Diebstahl ein.[88] So sei „durch die Aufstellung des Unterscheidungsmerkmals der Gewalt an Personen [die Abgrenzung von Raub und Diebstahl] auch im Sinne einer grundsätzlichen begrifflichen Trennung beider Delikte“ erfolgt.[89] Überdies diente nun das Tatbestandsmerkmal der Gewalt an Personen zur Begründung der gegenüber dem Diebstahl erhöhten Strafbarkeit.[90] Ursprünglich war der Raub seit der Carolina „ausschließlich der ‚violata securitas publica‘ wegen unter Strafe gestellt“, wurde also primär als Verbrechen gegen das Gemeinwesen und den öffentlichen Frieden verstanden.[91] Als man im Zuge der naturrechtlich geprägten Bestrebungen, den einzelnen Tatbeständen ein angemessenes Strafmaß hinzuzufügen, zwischen Staats- und Privatdelikten unterschied,[92] ermöglichte dies nach Landmesser gerade beim Raub, „wo sich Zweck und Hauptabsicht des Täters ja gegen das Privateigentum richten, […] [dessen] klare Zuordnung zu den Privatverbrechen“[93]. Dementsprechend hatte man nun bei der Strafzumessung „den nötigen Spielraum für eine sorgfältige Abstufung nach dem Grade des der Person zugefügten Schadens“, da das ALR hier vier verschiedene Stufen der Strafbarkeit unterschied.[94]

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Neben dem Tatbestandsmerkmal der Gewalt stellt sich auch die Frage, „inwieweit auch Drohungen den Tatbestand des Raubes erfüllen“[95] konnten. Diese Frage war schon zu Zeiten der gemeinrechtlichen Autoren problematisch,[96] Böhmer führte die (wohl auf Carpzov zurückgehende) Differenzierung zwischen vis absoluta und vis compulsiva fort.[97] Im ALR findet sich hierzu § 1188 ALR: „Auch schon derjenige, welcher einen Diebstahl ohne wirkliche Gewalt, jedoch unter Androhung gefährlicher Behandlung ausübt, hat als Räuber eine acht- bis zehnjährige Festungsstrafe, nebst Züchtigung am Anfange und Ende der Strafzeit, verwirkt.“

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Ein für uns interessanter, an dieser Stelle kurz zu nennender, Aspekt ergibt sich aus einem Vergleich von § 1188 ALR mit § 1255 ALR. In § 1255 ALR findet sich der Tatbestand der concussio: „Ist jemand durch Concussion genöthiget worden, Gelder oder Sachen ohne Vergeltung zu geben: so ist eine dergleichen Erpressung, nach Maaßgabe der dazu gebrauchten Mittel, gleich einem Diebstahle oder Raube zu bestrafen.“ Hierbei zeigt sich, dass auch das ALR für den Raub und die räuberische Erpressung verschiedene Tatbestände bereithielt und diese Unterscheidung offensichtlich „nach dem Kriterium ‚Nehmen oder Geben‘“[98] erfolgte.

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