Читать книгу Phönix aus den Flammen - Desirée Scholten - Страница 13

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Kapitel 9

Das ist nur ein Albtraum!

Genervt blickte Cathrynn sich in der Runde aus insgesamt sieben Frauen um, während sie gelangweilt an ihrem inzwischen drei Tage alten Zungenpiercing spielte.

Sie konnte noch immer nicht glauben, dass sie wirklich hier war.

Das war nichts als Zeitverschwendung.

Angestrengt überlegte sie, welcher Wahnsinn sie geritten hatte, hier wirklich aufzukreuzen.

Seufzend dachte sie an den Stapel Akten, den sie noch bis Montag durchzuarbeiten hatte.

Richtig, jetzt fiel es ihr wieder ein.

Es war Nathans bescheuerte Idee gewesen, dass sie zu einem Treffen dieser Selbsthilfegruppe ging und sie war dumm genug gewesen, um auf seinen Vorschlag einzugehen.

Vorschlag!

Cathrynn lachte bitter.

Erpressung traf den Sachverhalt wohl besser.

Ihr bester Freund hatte damit gedroht, ihre Feldfreigabe zu boykottieren, wenn sie nicht hinginge.

Sie hatte nachgegeben.

Wenigstens wusste sie jetzt, dass sie ihren Verstand verloren hatte.

Würde ihr Kopf noch richtig funktionieren, dann hätte sie Nathan für diesen Vorschlag erschossen.

Dieses Versäumnis würde sie allerdings noch heute Abend nachholen.

Immer vorausgesetzt, sie würde den Abend überleben.

Amoklauf.

Selbstmordattentat.

Sie hatte einige Ideen, wie sie diesen Abend frühzeitig beenden konnte.

Die Stimme der Frau, die nun seit fast zwanzig Minuten darüber lamentierte, wie schlecht es ihr ging, drang schrill in ihre Gedanken.

Was hatte die neurotische Ziege noch mal erzählt?

Angestrengt dachte Cathrynn nach.

Ihr Typ war kurz vor der Hochzeit im Einsatz fürs FBI verschwunden.

Wahrscheinlich hatte er genug Verstand besessen, sich noch rechtzeitig abzusetzen, bevor er die Schnalle mit ihrer schnarrenden, hysterischen Stimme hatte heiraten müssen.

Verdenken hätte sie es ihm nicht können.

Die weinerliche Stimme begann sie langsam auf die Palme zu bringen.

In Gedanken sah Cathrynn sich zu dem Wurfdolch in ihrem Stiefel greifen und der Alten die Kehle durchschneiden.

Stille.

Wunderbare Stille.

Es wurde mit jeder Minute schwerer, dem Drang zu widerstehen.

Demonstrativ blickte Cathrynn auf ihre Uhr.

Sie war erst seit einer halben Stunde hier.

Sie fragte sich aufrichtig, wie sie die noch ausstehenden zweieinhalb überleben sollte.

Ich werde dich umbringen Nathan!

Im Geiste malte sie sich verschiedene Szenarien aus, wie sie es anstellen würde.

Pervers, brutal und langsam waren die Stichworte ihrer Wahl.

In ihre Gewaltfantasien hinein, bemerkte Cathrynn, dass die neurotische Wachtel mit der schrillen Stimme, endlich schwieg.

Die Frauen um sie herum beeilten sich ihre mitfühlenden Bemerkungen herauszusprudeln und natürlich ihre Bewunderung dafür auszusprechen, dass sie so offen über ihre Geschichte gesprochen hatte.

Ich muss hier raus!

In Gedanken ging Cathrynn den Inhalt ihrer Handtasche durch, in der absurden Hoffnung irgendetwas Stärkeres als Aspirin dabei zu haben.

Alkohol?

Heroin?

Zyankali?

Sie hätte die Psychopharmaka vielleicht nicht sofort wegwerfen sollen, die Nathan ihr aufgedrängt hatte.

Heute Abend wären sie Gold wert gewesen.

Fassungslos schweifte ihr Blick noch einmal über die versammelten Frauen.

Das hier konnte nur die Retourkutsche für die Höllenfahrt sein, die sie Nathan in den letzten Monaten bereitet hatte.

Sie wollte nicht glauben, dass er wirklich überzeugt davon war, dass ihr dieses Woodstock-Revival helfen konnte.

Sie wollte nicht glauben, dass er wirklich annahm, dass sie vor diesen Tussis einen Seelenstriptease hinlegte.

Cathrynn stellte sich die Blicke der Frauen vor, wenn sie zu erzählen begänne.

Die Ermordung ihrer Mutter.

Die zerfetzte Leiche ihrer Tochter.

Ob auch nur eine unter ihnen war, die nicht würgend den Raum verlassen hätte, wenn sie ins Detail gegangen wäre?

Sie würde es nie erfahren.

Natürlich würde sie nicht über diese Dinge sprechen.

Wenngleich die Vorstellung durchaus etwas Reizvolles hatte.

Hi, ich bin Cathrynn und ich jage Vampire und Werwölfe, die übrigens meine Mutter, meinen Mann und meine Tochter auf dem Gewissen haben.

„Cathrynn, möchte Sie vielleicht auch etwas dazu sagen?“, fragte Jennifer, die selbsternannte Therapeutin der Gruppe.

Erstaunt stellte sie fest, dass sie Mühe hatte, sich zurückzuhalten.

„Besser nicht“, murmelte Cathrynn.

Ein sarkastisches Lachen untermalte ihre Worte.

„Aber ganz offensichtlich haben Sie eine Meinung zu den Dingen, die Samantha uns gerade erzählt hat und wir alle würden diese gerne hören“, ließ die Pseudo-Therapeutin sich nicht beirren.

„Ich möchte niemanden in Ihrem Handarbeitskreis ernsthaft traumatisieren, Jennifer.“

Sie blickte kurz in die Runde und dann zurück zu Jennifer, die aufmunternd nickte.

Entwaffnend hob Cathrynn die Hände.

„Ich bin der Meinung, dass Samanthas Typ wegen ihrer recht ausgeprägten bipolaren Störung das Weite gesucht hat.“

Samantha keuchte fassungslos bei Cathrynns Worten.

„Und Patti hier, die sich nach wie vor nicht erklären kann, warum sie ihr Kind verloren hat, sollte die Schuld dafür bei ihrer Bulimie zu suchen beginnen“, fuhr Cathrynn trocken fort, ihren Blick kalt auf die knochige Sekretärin aus dem State Department gerichtet, bevor sie den Kopf wieder zu Jennifer drehte.

„Soll ich wirklich weitermachen?“, fragte sie mit einem kalten Grinsen.

„Wenn Sie es schaffen, Ihre eigene Problematik ebenso treffsicher auf den Punkt zu bringen, sehr gerne.“

Widerwillig zog Cathrynn vor ihrer Ruhe den Hut.

Sie hatte erwartet, die andere Frau mit ihren provokanten Worten aus der Fassung zu bringen.

Mit einem anerkennenden Grinsen lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück, während sie die Arme vor der Brust verschränkte.

„Sagen Sie es mir“, forderte sie Jennifer heraus.

Diese schüttelte den Kopf, während sie Cathrynn weiterhin erwartungsvoll anblickte.

„Ins Blaue geschossen würde ich sagen, Borderline-Persönlichkeitsstörung auf narzisstischem Symptomniveau, wenn Ihnen das etwas sagen sollte.“

„Würden Sie sich eher als autoaggressiv oder fremdaggressiv bezeichnen?“, überging Jennifer ihre höhnische Endbemerkung ungerührt.

„Jennifer, ich nehme alles zurück, was ich bis gerade über Sie gedacht habe! Augenscheinlich haben Sie schon mal eine Infobroschüre zu einem Psychologie-Abendkurs gelesen.“

Ihre Stimme klang sogar fast aufrichtig anerkennend.

„Aber, wie sagt man? Wenn es am Schönsten ist, sollte man gehen.“

Cathrynn erhob sich graziös.

Ihr Blick schweifte noch einmal über die Runde.

„Ladies, ich verabschiede mich! Es war ein wirklich reizender Abend mit euch“, rief sie zynisch über die Schulter, als sie den Raum verließ.

„Cathrynn, einen Augenblick bitte!“, rief Jennifer hinter ihr her.

Cathrynn drehte den Kopf kurz in ihre Richtung, als sie nach ihrem Mantel angelte. Jennifer schien dies als Aufforderung zu betrachten.

„Es bringt nichts, weiter vor der Realität wegzulaufen.“

Der verständnisvolle Tonfall und der mitfühlende Blick verursachten eine vehemente Übelkeit bei Cathrynn.

Für einen Moment machte es den Anschein, als erwog sie ihre Hand auf Cathrynns Schulter zu legen.

Sie führte die Bewegung jedoch nicht zu Ende.

Etwas in Cathrynns Blick musste ihr deutlich gemacht haben, dass sie ihre Hand in genau diesem Moment verlieren würde.

Sie musterte die andere Frau kurz herablassend.

„Ich weiß, dass es schwer zu glauben ist, dass Sie nicht allein sind mit Ihrem Verlust“, betonte Jennifer.

Wieder wollte ihre Hand in die Höhe wandern.

Cathrynn knurrte drohend.

„Was geschehen ist, ist furchtbar, aber es gibt einen Weg heraus aus dem Abgrund, in dem Sie sich befinden.“

Cathrynn brach in schallendes Gelächter aus.

„Jennifer, erzählen Sie mir nichts von Abgründen, die Sie noch nie gesehen haben!“

„Verleugnung bringt Sie auch nicht weiter.“

Langsam regte die stoische Ruhe dieser Schnepfe Cathrynn auf.

„Das ist keine Verleugnung!“, schnappte Cathrynn aufgebracht, besann sich dann allerdings eines Besseren.

Es führte zu nichts mit dieser Frau eine psychologische Debatte zu beginnen.

„Glauben Sie wirklich, dass Sie dem, was Sie mit mir erwarten würde, auch nur im Ansatz gewachsen wären?“, wechselt sie trocken das Thema.

Eigentlich kannte sie die Antwort.

Wie hätte sie dem gewachsen sein können?

Selbst Nathan stand kurz davor zu kapitulieren.

Jennifer schüttelte beschwichtigend den Kopf.

„Nathan hat mich schon vorgewarnt, dass Sie ein recht schwieriger Charakter seien.“

Diese Worte verschafften ihr Cathrynns volle Aufmerksamkeit.

„Hat er das?“, fragte sie kalt, als sie lauernd einen Schritt auf die Therapeutin zutrat.

„Der kann sich gleich auch noch auf was gefasst machen, wenn ich mit Ihnen fertig bin!“, blaffte sie barsch.

„Auch Aggression ist eine ganz natürliche Reaktion auf einen großen Verlust.“

Du verlierst gleich dein Leben!

„Aggression ist ein gutes Thema“, zischte Cathrynn drohend.

Befriedigt sah sie, dass Jennifer nun doch langsam einige Schritte vor ihr zurück wich.

„Wollen Sie wissen, wie nah an einen Blutrausch mich Ihre ignoranten, unqualifizierten Auswürfe gerade bringen?“

Ohne einen weiteren Kommentar drehte Cathrynn sich auf dem Absatz herum.

Unbehelligt von weiteren gutmeinenden Plattitüden verließ sie das Gebäude und stieg in ihren Firebird.

Sie hatte noch einen Mord zu begehen, der keinen Aufschub duldete.

*

„Kommst du noch mit auf einen Drink?“, fragte Jameson seine Kollegin grinsend, als sie nebeneinander auf die Straße traten.

„Besser nicht, Danny“, erwiderte die blonde Frau gähnend, bevor sie ihren Kollegen seufzend anblickte.

„Was denkst du über die Sache?“, brachte sie das Gespräch müde zurück auf die laufende Untersuchung.

Jameson schenkte ihr einen langen undurchsichtigen Seitenblick.

„Ich denke, dass du mir aus dem Weg gehst“, betonte er mürrisch, sie offensichtlich falsch verstehend, was Martha Stiller ein ärgerliches Seufzen entlockte.

„Das tue ich nicht! Ich bin nur müde!“, verteidigte sie sich lahm, bevor sie eine Grimasse schnitt. Die Lüge war deutlich in ihrer Stimme zu hören.

Daniel Jameson ließ ein bitteres Lachen hören, bevor er den Kopf schüttelte.

„Letzte Woche warst du nicht annähernd so spröde, Martha.“

Stiller sog ärgerlich die Luft ein, bei dieser unüberhörbaren Herausforderung.

„Das mit uns war ein Fehler, soweit sollten wir uns beide einig sein, Daniel!“, fauchte sie, als sie stehengeblieben war, um ihren Partner wütend anzufunkeln.

„Sieht eindeutig nach Vertuschung aus, wenn du mich fragst“, bemerkte er, ohne auf ihren letzten Kommentar einzugehen.

Stiller runzelte kurz die Stirn, der Themensprung kam offensichtlich zu plötzlich und für einen Moment schien es, als würde sie den Zusammenhang nicht mehr finden, dann nickte sie jedoch versonnen, als beide Agenten sich wieder in Bewegung setzten.

„Ja, das war auch mein Eindruck“, bestätigte sie.

„Wir sollten Masters auf jeden Fall noch mal auf den Zahn fühlen“, fuhr sie in Gedanken versunken fort.

Jameson stieß ein freudloses Lachen aus.

„Was glaubst du damit zu erreichen?“

Der Klang seiner Stimme machte deutlich, dass er anderer Meinung war.

„Ich weiß es nicht, vielleicht haben wir Glück und er knickt ein, wenn wir ihn unter Druck setzen“, schlug sie vor, doch wieder lachte Jameson nur.

„Da glaube ich nicht dran! Der Typ weiß, dass wir ihm nichts nachweisen können“, brachte Jameson es unwillig auf den Punkt und Stiller nickte seufzend.

„Das ist es, was ich an unserer Arbeit hasse“, gestand sie säuerlich, als sie in ihrer Handtasche nach ihrem Schlüssel zu kramen begann.

„Hake es einfach ab und wende dich dem nächsten Fall zu“, schlug Jameson mit einem Schulterzucken vor, doch Stillers Knurren machte deutlich, dass sie das nicht so leicht konnte.

„Trotzdem könnte ich jeden Mal kotzen, wenn wieder einer durchs Netz schlüpft“, beharrte sie, bevor sie sich zu ihrem Wagen umwandte.

„Also dann bis morgen!“, rief sie über die Schulter, als sie den Schlüssel ins Schloss steckte.

In ihrem Rücken ertönte ein Stöhnen, gefolgt von einem Röcheln und schließlich einem Aufprall, als etwas auf dem Asphalt aufschlug.

Erschrocken wandte Stiller sich um und sah mit Entsetzen auf den Zügen, dass ihr Partner die Quelle der sonderbaren Geräusche war.

„Danny, was ist los?“, rief sie erschrocken und trat auf den anderen Agenten zu.

Stiller ging neben ihm in die Hocke und riss entsetzt die Augen auf. Ein kleiner Wurfstern steckte in seiner Kehle und Blut floss im Takt seines schwächer werdenden Herzschlags aus der Wunde.

„Danny halt durch!“, beschwor sie den Agenten, als sie zu ihrem Handy griff.

Leise Schritte ertönten hinter ihr, als sie den Notruf wählte.

Mit fliegenden Fingern zerrte sie ihre Dienstwaffe aus dem Holster und entsicherte im Umwenden.

Etwas sirrte auf sie zu und Stiller sank zu Boden, bevor sie überhaupt den Abzug hatte betätigen können.

Ihr Blick brach, noch bevor sie auf dem Boden aufgetroffen war.

Langsam trat eine schwarz gekleidete Gestalt aus dem Schatten und ging auf die beiden toten Agenten zu.

Mit einem zynischen Grinsen auf den vollen Lippen, zog sie die Wurfsterne aus den Kehlen der Leichen, wischte sie am Ärmel des schwarzen Hemdes ab und verschwand ohne einen weiteren Blick leise wie ein Schatten in der Dunkelheit.

Stiller und Jameson waren ausgeschaltet.

Phönix aus den Flammen

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