Читать книгу Phönix aus den Flammen - Desirée Scholten - Страница 9

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Kapitel 5

„Ich hoffe, dass Sie eine gute Erklärung für Ihre Schlamperei haben!“, bellte der interne Ermittler, kaum, dass die Schritte eines anderen Mannes erklangen.

Seine Worte hallten ungewöhnlich dumpf von den Wänden des Lagerhauses wider, das sie oft für ihre Treffen benutzen.

Er zeigte ein Grinsen, das mehr vom Zähne fletschen eines Raubtieres hatte, als von einem Ausdruck der Belustigung.

Der durchgebogene Rücken verstärkte den Eindruck, als Er sich langsam auf den anderen Mann zubewegte.

Fast schwarze Augen bohrten sich einen Moment kalt in grau-blaue, erweckten den Eindruck eines infernalen schwarzen Feuers.

Der interne Ermittler schluckte hart.

Er knurrte.

Gefangen in dem stummen Kampf, bemerkten beide Männer nicht die Silhouette eines anderen Mannes, der sich hinter einem der staubigen Aluregale verborgen hielt und die Szene mit seinen stechenden gelben Augen interessiert verfolgte.

„Von wegen Schlamperei!“, bellte Er.

Seine Hand glitt kurz über den strengen Zopf, zu dem Er das schwarze Haar zurückgebunden hatte.

Drohend trat Er einen Schritt auf den Glatzkopf zu, der sofort zurückwich.

Sein Ruf war gemeinhin bekannt und mit jeder Faser des fast zwei Meter großen, muskulösen Körpers machte Er ihm alle Ehre.

Er war ein Killer, der keine moralischen Werte kannte und der interne Ermittler wäre nicht der erste Auftraggeber gewesen, der von Ihm getötet worden wäre.

„Sie hätten vielleicht bei unserem letzten Telefonat erwähnen sollen, dass bereits jetzt mit Gegenwind bei der Durchführung Ihres beschissenen Crucify-Protokolls zu rechnen ist!“

Ein weiterer langsamer Schritt, dann glitt die Hand des Killers in Seine Hosentasche.

Der Blick des internen Ermittlers glitt rastlos durch den Raum, als er Deckung zu suchen schien.

Ein Feuerzeug flammte auf und die kleine Flamme ließ den Glatzkopf kurz überrascht blinzeln, als Er sich in aller Seelenruhe eine Zigarette anzündete.

„Wollen Sie sich hier wirklich mit einem Sabotageversuch herausreden?“, murrte der interne Ermittler.

Langsam fasste er wieder neuen Mut.

Er lachte trocken auf.

„Dann geben Sie mir bitte eine bessere Begründung dafür, warum der Alarm losgegangen ist, bevor ich mich dem Gebäude auf hundert Meter genähert hatte“, forderte Er kalt.

Seine Augen hatten jenes drohende Funkeln angenommen, das viele Seiner Opfer in den letzten Minuten ihres Lebens zu fürchten gelernt hatten.

„Diese Erläuterung würde ich ebenfalls gerne hören, Josh!“, betonte eine dritte Stimme ärgerlich, während Schritte ertönten.

Beide Männer fuhren herum, als der Controller aus dem Schatten seines Verstecks heraus, auf sie zu trat.

„Denn ich hätte keine bessere Bezeichnung für den Sachverhalt als bewusste Sabotage“, fuhr er fort, während er beide Männer kurz mit seinen fast gelben Augen aufspießte.

Er ließ eines dieser selbstgefälligen Lächeln sehen, die, genau wie das Jagdmesser, dass Er immer bei sich trug, eines Seiner Markenzeichen waren, während Er den Rauchwolken der Zigarette nachblickte.

Der interne Ermittler blickte unsicher auf seine Schuhe.

„Es ist denkbar unwahrscheinlich jetzt schon mit Sabotage zu rechnen“, murmelte er kleinlaut.

Der Controller lachte freudlos auf.

„Ich hätte schwören können, dass Sie ebenfalls an dem Tag anwesend waren, als wir Crucify eingeleitet haben“, betonte er ruhig, als der bullige Glatzkopf wieder überrascht die Augen hob.

„Ich bezweifle, dass er so weit gehen würde!“

„Das war schon immer Joshs Problem, Joe“, meldete sich der schwarzhaarige Killer mit einem kehligen Lachen zu Wort.

„Er glaubt selbst kein Wort von der Scheiße, die er immer wieder über die Hunter verbreitet.“

„Solange du es nicht schaffst, einen einfachen Einbruch durchzuziehen, hältst du dich besser bedeckt!“, wies der Controller Ihn scharf zurecht.

Das arrogante Grinsen verschwand von Seinem Gesicht, als nun Er auf Seine Kampfstiefel blickte.

„Hätte ich gewusst, dass John querschießt, dann hätte ich die Sache ganz anders aufgezogen!“, betonte Er sauer.

Es war offensichtlich, dass Sein Ego gerade einen ernsthaften Schlag bekommen hatte.

„Du hättest sogar noch mehr als Josh damit rechnen müssen!“, knurrte der Controller ärgerlich.

„Verdammt was hast du eigentlich die letzten zehn Jahre gemacht, außer dir an den Eiern zu spielen?“, brüllte er Ihn an.

Seine gelben Augen erdolchten Ihn ein zweites Mal.

„Wie soll ich die Situation richtig einschätzen, wenn mir wichtige Informationen vorenthalten werden!“, brüllte Er zurück.

„Wisst ihr was? Ihr könnt euer dilettantisches Kasperle-Theater in Zukunft ohne mich weiterspielen! Ich habe wirklich Besseres zu tun!“

Mit einem ärgerlichen Knurren wandte Er sich nach diesen Worten um.

Ein leises Klicken vermischte sich mit schnellen Schritten.

„Du bist tot, bevor du diese Tür geöffnet hast!“, ertönte die Stimme des Controllers scharf, übertönte nur gerade das Ratschen des Schlittens, als er seine Waffe durchlud.

Er blieb wie angewurzelt stehen, Seine Hand auf halbem Weg zur Klinke erstarrt.

In diesem Lagerhaus befand sich mit Ihm noch ein zweiter Mann, der das Wort Skrupel nur aus dem Wörterbuch kannte und dessen stechende, gelbe Augen hatten Seinen Hinterkopf ins Fadenkreuz genommen.

Lässig fuhr Er wieder zu den Männern herum, die Er soeben hatte stehenlassen.

„Und jetzt höre auf zu heulen und mach endlich deinen beschissenen Job!“, wies der Controller Ihn ärgerlich an. Die Waffe verschwand aus seiner Hand.

Eine Akte flog auf Ihn zu.

„Sieh zu, dass du es nicht wieder versaust! Ich kümmere mich um unseren Saboteur“, befahl der Controller und wandte sich zum Gehen.

*

Mit einer Bierflasche in der Hand setzte Cathrynn sich auf die Arbeitsplatte, bevor sie die Flasche an ihrem Ring öffnete.

„Das ist viel besser als Valium“, murmelte sie trocken, während sie die Flasche an ihre Lippen hob und einen tiefen Zug nahm.

Es hatte dieses Mal fast eine Stunde gedauert, bis sie wieder soweit funktionsfähig gewesen war, um das Badezimmer zu verlassen.

Versonnen schweifte ihr Blick durch die verglaste Verandatür zur dunklen Front des Nachbarhauses.

Gedankenversunken griff sie zum Telefonhörer an der Wand und wählte ohne nachzudenken eine Nummer.

Sie lauschte dem monotonen Klingeln, während sie die Flasche mit einem weiteren Zug leerte. Das gleichförmige Geräusch, das aus dem Hörer drang, beruhigte sie irgendwie.

Sie konzentrierte sich weiter auf den beständigen, langgezogenen Ton, während sie die Wiederholungen im Geist mitzählte.

Neun. Zehn. Elf.

Mit einem Blick auf die Digitaluhr über der Mikrowelle beschloss sie, wieder aufzulegen.

Es war drei Uhr in der Nacht. Nathan würde sicherlich schlafen – so wie jeder andere normale Mensch auch.

Gerade als sie den Hörer von ihrem Ohr lösen wollte, verstummte das monotone Tuten.

Ein genervtes Knurren, gefolgt von einem theatralischen Stöhnen, traten an seine Stelle.

Gegen ihren Willen machte sich ein Grinsen auf Cathrynns Gesicht breit, als sie sich den Mann am anderen Ende der Leitung vorstellte.

„Habe ich dich geweckt?“

Wie immer hielt Cathrynn sich nicht mit unnötigen Floskeln auf.

Spätestens jetzt sollte Nathan auch ohne einleitende Worte wissen, wer am Apparat war.

„Wo denkst du hin! Ich bin jede Nacht um drei Uhr wach und warte darauf, dass du anrufst, Cat“, murmelte er schlaftrunken.

Cathrynn lachte gegen ihren Willen in sich hinein.

„Kannst du rüber kommen?“, fragte sie mit leiser Stimme und erschrak.

Warum hatte sie das gesagt?

Sie würden doch ohnehin nur wieder in einen Streit geraten und dazu hatte sie heute gar nicht mehr die Kraft.

Nathan würde nur wieder versuchen ihr zu helfen, wenn er wirklich herüber käme. Aber sie wollte gar keine Hilfe.

Oder vielleicht doch?

Warum hatte sie ihn angerufen?

„Ich glaube, ich habe was an den Ohren“, murmelte Nathan gähnend.

„Du hast nicht gerade gefragt, ob ich, mitten in der Nacht, rüberkommen…?“

Er verstummte mitten im Satz.

„Was ist los? Hattest du einen Albtraum?“, fragte er plötzlich mit hellwacher Stimme.

„Eigentlich ist mir nur gerade aufgefallen, dass mir die Milch ausgegangen ist und ich habe mich gefragt, ob du mir nicht welche vorbei bringen könntest“, höhnte sie trocken, bevor sie ein zynisches Lachen hören ließ.

Nathan sollte eigentlich wissen, dass sie ihn nicht wegen irgendeines Unsinns aus dem Bett schellen würde.

Sie erinnerte sich unwillkürlich an all die Male, die sie ihn betrunken angerufen hatte, nur um irgendwelchen wehleidigen Blödsinn zu reden.

„Ich hatte gerade eine beschissene Panikattacke und bin ziemlich am Ende!“, fuhr sie ihn ärgerlich an, gleichwohl als wäre Nathan persönlich Schuld an diesem Umstand.

„Gib mir fünf Minuten! Aber versuche dich derweil bitte nicht umzubringen!“, schnappte Nathan bissig zurück.

Seine Stimme troff vor Sarkasmus.

„Den hätte ich mir schenken können, entschuldige bitte! Bis gleich!“, murmelte er nach einem tiefen Seufzen zerknirscht und unterbrach dann die Verbindung.

Als sie den Hörer auflegte, ließ Cathrynn ihren Blick noch einmal zum Nachbarhaus schweifen.

Im Schlafzimmer brannte Licht.

Augenscheinlich war er aufgestanden und wollte wirklich herüberkommen.

Für einen Moment erwog Cathrynn ihn noch einmal anzurufen, um ihm zu sagen, dass er sich wieder ins Bett legen sollte.

Eigentlich wollte sie ihn in ihrem Zustand nicht sehen.

Sie griff wieder zum Hörer, als sich eine weitere Panikattacke anzukündigen begann.

Seufzend schloss sie die Augen, im Versuch sich zu beruhigen.

Das Bellen des Hundes ertönte nur Sekunden, bevor es an der Tür klingelte.

Cathrynn atmete einmal tief durch, bevor sie sich von der Arbeitsplatte gleiten ließ.

Langsam ging sie zur Tür, während sie den freudig winselnden Dobermann zurückpfiff.

„Neue Bestzeit“, bemerkte sie trocken, als sie die Tür öffnete.

Automatisch packte sie den Hund beim Halsband, um ihn daran zu hindern, Nathan vom Scheitel bis zur Sohle abzulecken, etwas, das er immer versuchte, wenn jemand das Haus betrat.

„Willst du auch ein Bier?“, rief sie über die Schulter, während sie sich abmühte Drake unfallfrei in die Küche zu schleifen, obwohl er Nathan unbedingt ins Wohnzimmer folgen wollte.

„Für einen Kaffee wäre ich dir auf ewig dankbar“, rief Nathan mit dem Anflug eines Lachens in der Stimme aus dem Wohnzimmer.

Cathrynn warf einen scharfen Blick zu dem Dobermann, der beim Klang von Nathans Stimme sofort wieder aufspringen wollte, bevor sie den Kaffee aufsetzte.

Ihr Spiegelbild in der Glasscheibe der Mikrowelle lächelte.

Nathans bloße Anwesenheit schien auszureichen, damit sie sich besser fühlte, stellte sie mit einem verwunderten Kopfschütteln fest.

Cathrynn öffnete den Kühlschrank und nahm sich ein weiteres Bier heraus, während sie darauf wartete, dass der Kaffee durchlief.

„Dann gehen deine Panikattacken also wieder los.“

Erschrocken fuhr Cathrynn zusammen, als Nathans ruhige, tiefe Stimme in ihrem Rücken ertönte.

Überrascht blickte sie ihn an, wie er mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte.

Wie hatte sie nicht bemerken können, dass er hinter sie getreten war?

„Das heute war meine erste ernstzunehmende Attacke seit fast vier Jahren“, bestätigte sie seufzend, bevor sie sich von Nathan abwandte, um seinen Becher aus dem Schrank zu nehmen.

Ihre Stimme klang wesentlich gelassener, als sie sich fühlte.

Das blaue Glücksbärchen zwinkerte ihr kurz zu, als sie den Becher auf die Arbeitsplatte stellte.

„War es der übliche Verlauf?“

Seufzend lehnte Cathrynn sich mit dem Rücken gegen die Arbeitsplatte und suchte Nathans Blick, während sie mit einem bitteren Lachen nickte.

„Ich habe mir eine gute halbe Stunde die Seele aus dem Leib gekotzt und den Rest der Zeit gedacht, ich würde sterben, wenn es das ist, was du meinst.“

Nun war es Nathan der versonnen nickte, bevor er mit dem Kinn auf die Flasche in ihrer Hand wies.

„Ich gehe nicht davon aus, dass du was genommen hast.“

Sie schüttelte den Kopf, während sie sich eine Zigarette anzündete. Einen Moment starrte sie schweigend den Rauchwolken hinterher.

„Cat?“

„So schlimm war es auch nicht!“, betonte sie ärgerlich, ohne sagen zu können, warum sie schon wieder wütend wurde.

„Was?“, fauchte sie, als Nathan sie skeptisch musterte.

Jede Faser ihres Körpers war mit einem Mal auf Angriff eingestellt.

„Lass uns nicht schon wieder streiten“, wiegelte er kopfschüttelnd ab.

„Weißt du noch, was der Auslöser gewesen sein könnte?“

Cathrynn brauchte einen Moment, um ihre Wut zurückzufahren.

Bewusst konzentrierte sie sich auf Nathans haselnussbraune Augen, bis sie merkte, dass sie wieder etwas ruhiger wurde.

Sie hatte ebenfalls kein Interesse an einem weiteren Streit mit ihrem besten Freund.

Nicht in ihrem angeschlagenen Zustand.

Nicht, wenn sie keine Aussicht darauf hatte, ihn zu gewinnen.

„Was glaubst du?“

„Dein siebter Geburtstag? Also, die altbekannte Routine.“

Cathrynn spannte unwillkürlich die Schultern an, bevor sie sich umwandte und zur Kaffeekanne griff.

„Zu Anfang, ja. Ich war wieder in unserem Ferienhaus und Serpentine hatte Mom gerade getötet.“

Sie unterbrach sich kurz, um den Kaffee unfallfrei in den Becher zu gießen.

Ihre Hände hatten wieder zu zittern begonnen, sodass diese Aufgabe ihrer vollen Konzentration bedurfte.

„Als er sich dann mir hätte nähern müssen…“

Ihre Stimme brach.

Der Kloß in ihrem Hals schnürte ihr die Luft ab.

Noch immer, zweiundzwanzig Jahre später, waren die Erinnerungen an diese Nacht präsent genug, um sie aus der Fassung zu bringen.

Die Bilder hatten sich in ihr Gedächtnis eingebrannt, doch das altbekannte Grauen wurde schnell von anderen Erinnerungen überlagert.

„Als er sich mir hätte nähern müssen…“

Die blutdurchtränkte Matratze des Kinderbettes.

Der zerfetzte Kinderkörper.

Mit den Bildern kam die Übelkeit zurück.

Cathrynn würgte.

Die Kanne glitt aus ihren Fingern als sie losspurtete.

Sie erreichte die Toilette gerade in dem Moment, als es ihr hochkam.

Wie durch einen Schleier hindurch hörte sie Nathans Schritte.

Seine warme Hand begann sanft über ihren Rücken zu streichen, während sie die zweieinhalb Flaschen Bier keuchend, schwallweise erbrach, bis nur noch trockenes Würgen ihren zierlichen Körper schüttelte.

„Kämpfe nicht dagegen. Schwimme mit dem Strom, Schatz“, ermahnte Nathan sie sanft, als sie sich gegen die lähmende Übelkeit stemmte.

Sie musste alles an Willenskraft aufbieten, um seiner Aufforderung nachzukommen.

Der Brechreiz verschwand, wenngleich die Übelkeit blieb.

Mit noch immer rumorendem Magen sank sie zitternd gegen die Duschkabine des Gästebadezimmers.

„Tief durchatmen, Cat. Es ist alles in Ordnung, dir kann nichts passieren.“

Sie ließ es geschehen, dass Nathan sie in seine Arme zog und schloss seufzend die Augen.

„Anstatt mich zu attackieren, hat er Eirin vor meinen Augen zerfleischt.“

Die blutdurchtränkte Matratze des Kinderbettes.

Der zerfetzte Kinderkörper.

Alle Dämme brachen, als das Bild der grausam entstellten Leiche ihrer Tochter wieder vor ihrem inneren Auge erschien.

Schluchzend vergrub sie den Kopf an Nathans Brust.

„Lass es raus, Schatz.“

Sein Kinn ruhte auf Cathrynns Scheitel, als er sie fester in die Arme schloss.

Mit den Tränen kamen auch die Erinnerungen.

Die Nacht des 26. November spulte wieder vor ihrem inneren Auge ab.

Das einstürzende Haus.

McConagheys Tod.

Die Polizeiwagen in ihrer Auffahrt.

Das Blut.

Eirins zerfetzte Leiche.

„Ich werde dir jeden nehmen, den du liebst“, raunte Serpentine mit kalter Stimme in ihr Ohr.

Plötzlich hatte Nathans Umarmung nichts Tröstliches mehr. Cathrynn fühlte sich in einem Schraubstock gefangen.

Sie begann sich gegen ihn zu stemmen, als sie sich grob aus seinen Armen befreite und auf die Beine sprang.

„Cat, was ist los?“

„Scheiße, ich muss hier raus!“

„Cat?“

Ohne Nathan zu beachten floh Cathrynn aus dem kleinen Badezimmer in das geräumige Wohnzimmer.

„Cat, bitte rede mit mir!“

Sie begann wie ein wildes Tier im Käfig auf und ab zu gehen.

Sie musste in Bewegung bleiben.

War dieser verfluchte Raum schon immer so klein gewesen?

Wenn sie jetzt stehen blieb, dann würde sie ersticken.

Ihr Atem ging stoßweise.

Die Wände schienen auf sie zuzukommen – schienen sie erdrücken zu wollen, so wie Nathan zuvor.

Ihr brach der kalte Schweiß aus und plötzlich war da dieses Wispern, das sich an den auf sie zustrebenden Wänden brach.

Eine Stimme hob sich von den vielen ab.

„Ich verstehe dich nicht!“, presste sie atemlos hervor.

Sie strengte sich an, die Worte zu verstehen, die hin und her reflektiert wurden, doch sie verstand die Botschaft nicht.

Bruchstücke.

Etwas wegen ihres Traums.

Etwas, an das sie sich unbedingt erinnern musste.

Sinnlos.

Ohne Zusammenhang.

„Was willst du von mir? Ich verstehe es nicht!“

Das Bild eines lebendigen Schattens blitzte kurz auf und verschwand wieder.

Sie röchelte, japste nach Luft, doch nichts drang in ihre Lungen.

Adrenalin.

Eine Bewegung am Rand ihres Sichtfeldes.

Sie war nicht mehr allein im Zimmer.

Jemand beobachtete sie, lauerte im toten Winkel.

Mit gespannten Muskeln fuhr sie herum.

Sie erstarrte für einen Moment, gelähmt durch den Anblick seines teuflischen Grinsens.

Ein Beben erfasste ihren Körper, riss sie aus ihrer Erstarrung.

Hass und Wut wallten in ihr auf, brachten ihr Herz zum Rasen und schalteten ihren Verstand aus.

Eine Vielzahl von Lichtpunkten explodierte vor ihren Augen, während das Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren zu dröhnen begann.

Sie spürte eine urgewaltige Welle sie erfassen, ihren letzten Rest rationalen Denkens mit sich reißend, als der Blutrausch seinen roten Schleier über sie legte und alles um sie herum in ein diffuses rötliches Halbdunkel tauchte.

Sie dachte nicht mehr - konnte nicht mehr denken.

Etwas Anderes hatte sich ihrer bemächtigt und kämpfte nun um die Oberhand.

Sie ließ sich fallen, trat hinter dieser anderen Präsenz zurück, die mit einem tierischen Fauchen die Kontrolle übernahm, als sie mit gefletschten Zähnen auf Serpentine zusprang, der sie mit blasiertem Grinsen beobachtete.

Die Wucht ihres unerwarteten Sprungs riss Serpentine von den Beinen.

Er rollte sofort zur Seite.

Ihr Fausthieb traf den Boden anstelle seines Kehlkopfes.

Er kam wieder auf die Beine, doch schnell schickte ihr Tritt in den Solarplexus ihn wieder in die Knie.

„Was soll die Scheiße, Cat?“, rief Se4rpetine überrascht.

Schwankend fand er zurück auf die Füße.

„Du dreckiger Hurensohn, ich bringe dich um!“, brüllte Cathrynn, als ihre Faust auf sein Gesicht zu sauste.

Serpentine duckte sich unter ihrem Schlag, doch bevor er noch wusste wie ihm geschah, wischte ihr hochgezogenes Knie das selbstgefällige Grinsen von seinem Gesicht.

Sie setzte nach.

Sein Arm fuhr in die Höhe, blockte ihren Schlag.

Seine Finger schlossen sich um ihr Handgelenk.

Schneller als sie reagieren konnte, spürte sie den harten Tritt in ihren Kniekehlen, der sie rücklings zu Boden schickte.

„Drehst du jetzt völlig durch?“, brüllte Serpentine, als er sie mit seinem gesamten Körpergewicht auf dem Boden festnagelte.

„Du bist tot!“, spie Cathrynn ihm hasserfüllt entgegen.

Sie versuchte ihn mit einem Kopfstoß zu attackieren, dem er jedoch elegant auswich.

„Cat, sieh mich an!“

Cathrynn kämpfte weiter verbissen gegen ihn.

Wenn er sie schon tötete, dann sollte er es jedoch nicht so leicht haben.

„Cathrynn, sieh mich an!“

Verzweifelt versuchte sie wenigstens eins ihrer Beine frei zu bekommen, um ihn zu attackieren.

Es war vergebens. Serpentine war zu stark.

„Dann bring mich doch endlich um, du Wichser!“

Serpentine hob seine rechte Hand.

Der harte Schlag ließ ihren Kopf zur Seite rucken.

Sie schmeckte Blut in ihrem Mund.

Sie kämpfte weiter instinktiv gegen seinen Griff, die Augen vor Anstrengung zugekniffen, als ein zweiter Schlag hart ihr Gesicht traf.

„Cathrynn, sieh mich verdammt noch mal an!“, rief Nathan irgendwo über ihr.

Cathrynn stutzte und öffnete die Augen, als sie ihre Anstrengungen verringerte.

„Nate?“, wisperte sie überrascht und blickte einen Moment fassungslos in die besorgten braunen Augen des Mannes über ihr.

„Du erinnerst dich an mich! Ich fühle mich geschmeichelt!“, knurrte er trocken, ohne jedoch Anstalten zu machen, sie aus seinem Griff zu entlassen.

„Scheiße, für einen Moment dachte ich du wärst…“

„…Serpentine! Schon klar, vielen herzlichen Dank!“, unterbrach er ihre gestammelte Entschuldigung barsch.

„Kann ich dich loslassen oder versuchst du mich dann sofort wieder umzubringen?“

Seufzend schloss Cathrynn die Augen und nickte, wenngleich Nathans Zynismus tief in ihr Fleisch schnitt.

Etwas in dieser Art hatte sie wahrscheinlich verdient.

Immerhin hatte sie gerade eben versucht ihren besten Freund mit bloßen Händen umzubringen, weil sie davon überzeugt gewesen war, dass er Victor Serpentine sei.

Bei näherer Betrachtung war das beängstigend.

Nathan musterte sie noch einen Moment skeptisch, offensichtlich nicht vollständig überzeugt, erhob sich dann jedoch.

Seine Hand streckte sich ihr entgegen.

Cathrynn ergriff sie, um sich von Nathan auf die Beine helfen zu lassen.

Mit müden Schritten ging sie zum Sofa.

Nathan öffnete die Hausbar.

„Was ist nur mit mir nicht in Ordnung?“, murmelte Cathrynn frustriert, als sie den doppelten Whiskey entgegennahm, den Nathan ihr reichte.

Stur starrte sie in die bräunliche Flüssigkeit, während Nathan sich ebenfalls ein Glas eingoss.

Der Kaffee schien sich nach den Ereignissen des Abends erledigt zu haben.

Sie wollte ihn bei dieser Frage nicht ansehen.

Sie wollte seine aufgeplatzte Unterlippe nicht sehen.

Auch nicht den dunkler werdenden Fleck an seinem Kinn.

Vor allem wollte sie die Antwort auf ihre Frage nicht in seinem eindringlichen Blick sehen.

Sie kannte sie bereits.

„Nichts, was eine vernünftige Therapie nicht wieder gerade biegen könnte.“

„Nate, ich bin nicht verrückt!“, rief sie gequält und erhob sich.

Langsam ging sie auf das große Panoramafenster zu, das den Blick in den dunklen Garten frei gab und stierte in die Dunkelheit hinaus.

Sie spürte, dass Nathan hinter sie getreten war und lehnte sich instinktiv gegen ihn. Seine Arme legten sich um sie.

Sie roch sein Deo, spürte die Wärme seines Körpers.

Sie begann ruhiger zu werden.

Für einen Moment lauschte sie mit geschlossenen Augen seinem ruhigen Herzschlag, während sie sich fragte, wann sie begonnen hatte, den Verstand zu verlieren.

Was sie heute getan hatte, das war unentschuldbar.

Sie wollte sich nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn ihr ein solcher Aussetzer während eines Einsatzes passiert wäre.

So etwas durfte nie wieder geschehen, ermahnte sie sich bitter, während sie die Augen schloss und eingelullt von Nathans Nähe ihren Gedanken gestattete auf eine Reise in die Vergangenheit zu gehen. Zurück zu dem Einsatz, der ihr Schicksal besiegelt hatte. Zurück zu dem Abend, an dem ihre Höllenfahrt ihren Anfang genommen hatte.

„Wie ist die Lage, Rhinestone?“

Nathans Stimme drang ruhig aus dem Headset.

„Hier unten ist alles ruhig.“

Ein geschultes Ohr hätte den Hauch von Enttäuschung in ihrer Stimme wahrgenommen, den sie unter ihrem sachlichen gelangweilten Tonfall zu verbergen versuchte.

Sie hatte so sehr gehofft, dass sie Serpentine hier treffen, oder zumindest einen Hinweis auf seinen Verbleib finden würden.

Aber hier war nichts, rein gar nichts.

Wer immer die Information in Umlauf gebracht hatte, dass es sich hier um eines von Serpentines Verstecken handelte, hatte sich offensichtlich geirrt.

Das Gebäude war sauber.

Ein letztes Mal ließ Cathrynn ihren Blick durch den Keller schweifen, bevor sie sich seufzend abwandte.

Sie stockte mit dem Fuß auf der ersten Treppenstufe und fuhr herum.

Prüfend blickte sie sich noch einmal um, um sich zu vergewissern, dass sie gerade wirklich etwas im Augenwinkel gesehen hatte.

Sie hatte sich nicht geirrt.

Gebannt starrte sie das schwache blinkende Licht an, bevor sie sich ihm langsam näherte.

Sie erstarrte kurz.

„Desperado, ich habe etwas gefunden!“, rief sie fast triumphierend, den Blick starr auf die heruntertickende Displayanzeige gerichtet.

„Sprich dich ruhig aus, Rhinestone! Ich habe Feindkontakt!“, antwortete Nathan trocken.

Cathrynn verdrehte die Augen.

Jetzt, als es brenzlig wurde, wurden sie natürlich angegriffen.

War ja klar gewesen.

„C4, jede Menge davon und knapp fünf Minuten Zeit!“, berichtete sie trocken, als sie vor dem Sprengsatz in die Hocke ging.

„Kriegst du das hin?“

Ein heiseres Lachen kommentierte seine Worte.

„Da willst du nicht wirklich eine Antwort drauf, oder?“

Sie griff zu ihrem Taschenmesser.

Schnell hatte sie die Abdeckung mit geübten Fingern aufgehebelt.

„Wollt ihr mich beleidigen?“, flüsterte sie in den Kragen ihres schwarzen Hemdes, als sie das Gewirr aus Drähten einen Moment betrachtet hatte.

Ein fassungsloses Lächeln umspielte ihre Lippen.

Dieser Sprengsatz hätte auch aus einem Lehrbuch nachgebaut sein können.

Sie überprüfte die Drähte noch einmal genau, nur um sicher zu gehen, dass es hier nicht doch noch eine Falle gab.

Das konnte unmöglich so leicht sein.

Kopfschüttelnd stellte sie fest, dass sie sich mit ihrer ersten Einschätzung nicht geirrt hatte.

Es war so leicht.

Der blaue Draht war die Erdung und der weiße Draht würde das Biest entschärfen.

„Also dann.“

Cathrynn klappte die Zange aus und führte sie mit ruhiger Hand zum weißen Draht.

Die kleine Zange schloss sich um ihn.

Ein kurzer Druck noch und das wäre es gewesen.

Ihre Hand begann zu zittern, als ihre Finger ihr den Dienst versagten.

Klappernd fiel das Taschenmesser zu Boden.

Cathrynn knurrte unwillig, als sie im Halbdunkel nach dem kleinen Werkzeug suchte, während der Timer weiter tickte.

03:00

Endlich hatte sie das Taschenmesser wieder in ihren schweißfeuchten, zitternden Händen.

Ihr Atem ging keuchend.

Ihr Herz hatte zu rasen begonnen.

Was war mit ihr los?

War das noch immer der posttraumatische Stress nach McConagheys Tod?

02:30

Sie schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln.

Eine andere Erklärung gab es nicht.

02:15

Die kleine Zange legte sich wieder um den weißen Draht.

„Verdammte Scheiße, jetzt mach schon!“

Ihre Finger weigerten sich noch immer beharrlich das bisschen Druck auszuüben, das genügte, um den Draht zu durchtrennen.

Ihr brach der kalte Schweiß aus.

Wenn sie nicht langsam etwas tat, würden sie und Nathan hier sterben.

02:00

„Reiß dich zusammen, Rayven!“

Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für einen emotionalen Zusammenbruch.

Cathrynn befahl ihrer Hand erneut Druck auszuüben.

Ohne Erfolg.

01:45

„Nein, was machst du da? Du bringst uns um!“, keuchte sie als ihre Hand die Zange gemächlich um die Erdung legte.

01:15

Ihre Hand übte einen kurzen Druck auf die Zange aus.

Es klickte.

„Scheiße!“

Schicksalsergeben schloss Cathrynn die Augen und wartete auf den Knall.

Die Detonation blieb aus.

„Was zum…?“

Erstaunt öffnete Cathrynn die Augen wieder.

Der Timer stand bei 45 Sekunden.

Sie hatte den Sprengsatz entschärft.

Noch einmal beugte die schwarzhaarige Hunterin sich über den kleinen Kasten und begutachtete die Drähte.

Hatte sie sich zweimal so sehr irren können?

Sie konnte es sich nicht vorstellen.

„Wie ist das möglich?“, murmelte sie ungläubig, als sie kopfschüttelnd zum vierten Mal die Verkabelung des Sprengsatzes überprüfte.

Sie hatte die Erdung durchtrennt.

Das C4 hätte hochgehen müssen.

Nathan und sie müssten jetzt tot sein.

Es war der falsche Draht gewesen.

„Gute Arbeit, Rhinestone!“, erklang Nathans Stimme irgendwo neben ihr, als seine Hand sich kurz auf ihre Schulter legte, doch sie konnte sich noch immer nicht bewegen.

Sie starrte weiter auf den Sprengsatz.

„Was hast du?“, fragte Nathan besorgt, als er sich neben ihr niederließ.

Cathrynn hörte ihn erschrocken die Luft ausstoßen.

Dann riss ein grober Ruck sie auf die Füße.

Sie blickte überrascht auf und begegnete Nathans wutverzehrten Zügen.

„Hast du völlig den Verstand verloren?“, brüllte er.

Cathrynn zuckte zusammen.

Natürlich hatte er nach einem Blick auf den Sprengsatz begriffen, was hier unten geschehen war.

„Ist dir eigentlich klar, was du da getan hast?“, bearbeitete er sie weiter, seine Finger gruben sich schmerzhaft in ihre Schultern, als er sie zwang ihn anzublicken.

„Es ist nur einem offensichtlichen technischen Defekt zu verdanken, dass wir nicht über den ganzen Block verteilt sind!“

Seine Lautstärke hatte sich nicht verändert und langsam begannen Cathrynns Ohren von seinem Gebrüll zu klingeln.

„Vielleicht hast du die Freundlichkeit dich zu äußern oder ich vergesse mich!“

Kein Ton drang über ihre Lippen, als sie weiterhin nur dastand und ihren Kollegen mit weit aufgerissenen Augen anblickte.

Sie war zu geschockt und zu verwirrt, um ihm zu antworten.

„In Ordnung!“, knurrte Nathan.

Sein Griff löste sich, als er sich brüsk von ihr abwandte, Wut loderte noch immer deutlich in seinen sonst sanften braunen Augen.

„Dann erklärst du es eben Frank!“, murmelte er, während er mit schnellen Schritten die Treppe hinaufstampfte.

Cathrynn starrte ihm nach, nicht fähig sich zu regen.

Ihre Gedanken überschlugen sich.

Sie war fassungslos über das, was sie getan hatte, doch unter ihrer Fassungslosigkeit konnte sie noch etwas anderes wahrnehmen.

Etwas, das zusammen mit dem langsam verebbenden Adrenalin durch ihre Adern schoss und ihr Herz zum Rasen brachte.

Etwas, das ein Lächeln auf ihr Gesicht zeichnete.

Cathrynn erschrak, als sie es begriff.

Ihr Körper war nicht mehr in der Taubheit gefangen, die sie nach McConagheys Tod eingehüllt hatte.

Zum ersten Mal seit seinem Tod fühlte sie sich wieder lebendig.

Ihr Hochgefühl war schnell vergangen.

Die Taubheit hatte wieder ihren Mantel um sie gelegt und natürlich folgte das von Nathan versprochene Nachspiel sehr bald.

Frank verhängte eine einmonatige Feldsperre und schickte sie zum Abteilungspsychologen.

Trauma-Aufarbeitung.

Eine nette Geste ihres besten Freundes Nathan.

Halbherzig hatte sie ihre zwanzig Pflichtstunden abgerissen.

Sie hatte Dr. Benson alles erzählt, was er, wie sie wusste, hören wollte.

Sie hatte sich sogar ein paar Tränen abgequetscht, als sie die Irrationalität ihrer Handlung eingesehen hatte.

Benson hatte ihr schnell geistige Gesundheit bescheinigt und sie hatte ihren Feldstatus zurückbekommen.

Sie hatte sich zusammengerissen.

Eine Weile war es gut gelaufen.

Wenn nicht die Leere immer stärker und drückender geworden wäre.

Sie wusste, dass sie etwas dagegen tun musste und ihre Chance kam schneller als sie es zu hoffen gewagt hatte.

Es war der dritte Einsatz nach der Wiederfreigabe gewesen.

Sie erinnerte sich, dass sie gelangweilt neben Nathan im Transporter gesessen hatte.

Sie hatte mit dem Magazin ihrer Dienstwaffe gespielt.

Nur am Rande hatte sie wahrgenommen, dass ihre Finger gemächlich die Patronen aus dem vollen Magazin gedrückt hatten, bevor sie es wieder in die Waffe geschoben hatte.

Die Patronen waren in ihrer Westentasche verschwunden.

Ihre Überraschung war jedoch echt gewesen, als sie auf den Gegner angelegt und es nur kurz geklickt hatte.

Nathan war außer sich gewesen, als er sich zusammengereimt hatte, was geschehen war.

Auch ihre kleinlauten Beteuerungen, dass sie fest überzeugt gewesen war, dass sie ihre Waffe geladen hatte, konnten ihr nicht helfen, als sie sich von der lebensgefährlichen Schusswunde erholt hatte.

Der Verlauf nach ihrer Entlassung war derselbe gewesen.

Feldsperre, Therapiestunden.

Auch dieses Mal verschwand das Hochgefühl schnell wieder und die Hoffnungslosigkeit hielt wieder Einzug.

Es hatte nicht mal eine Woche angehalten.

Die Idee war ihr spontan gekommen.

Eine halbe Flasche Whiskey hatte sie manifestiert.

Sie hatte sich eine heruntergekommene Kneipe gesucht, die wie sie wusste, ein Tummelplatz für Vampire und Werwölfe war.

Ihre Waffen hatte sie sicherheitshalber zuhause gelassen, als sie bewusst Streit gesucht hatte und schnell fündig geworden war.

Hinterher hatte sie nicht mehr sagen können, wie und warum um alles in der Welt Frank und Nathan aufgetaucht waren.

Die Feldsperre war verlängert worden.

Doch man schickte sie nicht wieder zu Benson.

Sie durfte sich danach mit Nathan herumärgern.

Ihn konnte sie nicht so leicht täuschen wie Benson, das musste sie schnell einsehen.

Er hatte ihr Spiel schon beim ersten Gespräch durchschaut, leugnen hatte keinen Sinn.

Wenngleich Nathans Versuche zu ihr durchzudringen sie nicht stoppten.

Die Abstürze kamen inzwischen zu schnell und hinterließen jedes Mal eine noch tiefere Hoffnungslosigkeit als zuvor.

Müde hatte sie einen Entschluss gefasst.

Sie wollte so nicht weiterleben.

Ihre Bemühungen wurden nicht von Erfolg gekrönt.

Jedes Mal war Nathan rechtzeitig zur Stelle gewesen, egal was sie auch versucht hatte.

Es war wie verhext gewesen.

Schnell war es zu einem Wettkampf zwischen ihnen geworden, der vor knapp vier Wochen seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte.

Seufzend ließ Cathrynn die Tür hinter sich ins Schloss fallen und tätschelte Drake, der sie überschwänglich begrüßte, fahrig den Kopf.

Die Autoschlüssel flogen auf die Kommode, während sie mit steifen Gliedern ins Wohnzimmer schlich und die Tür zum Garten öffnete, damit der Hund seinen abendlichen Auslauf bekam.

Die Feldsperre war endlich wieder aufgehoben worden.

Ihr erster Einsatz lag hinter ihr.

Natürlich war er eskaliert.

Frank und sie waren sich an die Gurgel gegangen.

Das taten sie inzwischen fast täglich.

Eine Migräne begann sich anzukündigen.

Sie war fertig – ausgelaugt.

Ihre Verfassung lag sicherlich nicht nur an ihrem neuesten Streit mit Frank, Nathan hatte eine große Mitschuld daran.

Ärger begann wieder in ihr aufzuwallen, als sie zur erleuchteten Fensterfront des Nachbarhauses blickte.

„Gregory, du bist ein blöder Wichser!“

Nathan hatte nach ihrem Streit mit Frank tatsächlich vorgeschlagen, dass sie darüber nachdenken sollte, die Hunter zu verlassen.

Mit einem harten Lachen ging sie zur Bar.

„Vergiss es, Arschloch!“, murmelte sie, als sie sich einen Whiskey eingoss.

Die Hunter waren ihr Leben, sie würde die Einheit niemals verlassen.

Sie leerte ihr Glas in einem Zug, doch der erhoffte Effekt blieb aus.

Also goss sie noch einmal nach.

Aussichtslos.

Sie schlurfte ins Badezimmer.

„Baby, du brauchst Schlaf!“, empfahl sie ihrem Spiegelbild, das ihr müde, mit schwarzen Ringen unter den Augen, entgegenstarrte.

Schlaf, das war eine grandiose Idee.

Unbewusst griff ihre Hand in den Medizinschrank und fand die Schlaftabletten.

Sie schüttete drei der kleinen weißen Pillen in ihre Hand und spülte sie mit einem Schluck Wasser hinunter.

Dann erst wurde ihr klar, was sie getan hatte.

Whiskey und Schlaftabletten.

Da waren Kopfschmerzen am Morgen vorprogrammiert.

Kurz erwog sie sich den Finger in den Hals zu stecken, um das Schlimmste zu verhindern.

Sie entschied sich stattdessen aber für einen weiteren Whiskey, bevor sie beschloss sich ins Bett zu legen.

Vielleicht würde es dann morgen nicht ganz so schlimm werden.

Mit steifen Fingern vertauschte sie ihre Arbeitskleidung mit ein paar Shorts und einem ausgeblichenen T-Shirt, bevor sie unter die Decke kroch.

Der ersehnte Schlaf kam nicht.

Nur die Bilder.

Der 26. November.

McConagheys Tod.

Eirins Leiche.

Feuer und Blut.

Unruhig wälzte Cathrynn sich hin und her.

Schließlich gab sie seufzend auf.

Zwei Stunden hatte sie sich nun gequält, verriet ihr die Digitaluhr auf dem Nachttisch.

Sie erhob sich aus dem Bett, ihr T-Shirt klebte unangenehm an ihrem Körper.

Vielleicht würde ein heißes Bad sie etwas entspannen.

Das Wasser lief gluckernd in die Wanne ein.

Der Drang nach einem weiteren Whisky wurde übermächtig.

Dann würde sie sich eben bis zur Besinnungslosigkeit besaufen.

Hauptsache, sie konnte schlafen.

Sie schlurfte zurück ins Wohnzimmer und blickte irritiert auf den Tisch.

Die Schlaftabletten standen einträchtig neben der halbvollen Whiskeyflasche.

„Nanu?“

Cathrynn hätte beschwören können, dass sie das Döschen zurück in den Medizinschrank gestellt hatte.

„Was auch immer.“

Sie öffnete das Döschen, um noch eine Tablette zu nehmen.

Fünf kullerten auf ihre Handfläche.

„Drauf geschissen!“

Ohne nachzudenken führte sie die Hand zum Mund und spülte dann großzügig mit Whiskey nach.

Sie wiederholte den Vorgang noch zweimal, bis die Flasche leer war.

Dann erst schwankte sie zurück ins Badezimmer.

Achtlos ließ sie ihre Kleidung zu Boden gleiten.

Ihre Hand griff noch einmal in den Medizinschrank, doch sie bemerkte es gar nicht.

Seufzend glitt sie ins heiße Wasser und schloss für einen Moment die Augen.

Ein kurzer stechender Schmerz durchzuckte sie.

Cathrynn blickte überrascht auf ihre linke Handfläche, die zu bluten begonnen hatte.

Sie konnte sich nicht erklären, woher die neben dem Schnitt liegende Rasierklinge gekommen war.

Versonnen griff sie zu der kleinen scharfen Klinge, die ihr verschmitzt zuzwinkerte.

„Du hier! Das ist ja ein Zufall!“, lallte sie, durchaus fröhlich.

Plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte.

Irgendwo begann das Telefon zu klingeln.

Sie konnte sich an einem Finger abzählen, wer am anderen Ende sein würde.

„Dieses Mal nicht, Nate!“, flüsterte sie.

Sie ignorierte das penetrante Klingeln, während sie gebannt die Rasierklinge zwischen ihren Fingern beobachtete, die sich langsam ihrem rechten Handgelenk näherte.

Phönix aus den Flammen

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