Читать книгу Phönix aus den Flammen - Desirée Scholten - Страница 14

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Kapitel 10

„Scheiße, ja! Ich komme schon!“, knurrte Nathan genervt, als es nun schon zum dritten Mal an seiner Tür klingelte.

Er hasste nichts mehr als die Störung seines wohlverdienten Feierabends.

Es klingelte ein viertes Mal, gerade als er den Türgriff berührte.

Er öffnete und stutzte.

Es war Cathrynn.

Irritiert blickte er auf seine Uhr.

Sie hätte eigentlich noch bei dem Treffen sein müssen.

„Du kannst mir nicht erzählen, dass ihr schon fertig seid. Zehn Uhr ist bei Jennifer das Minimum.“

Cathrynns Blick ließ ihm für einen Moment das Blut in den Adern gefrieren.

Das war der Blick eines Menschen, der zu allem fähig war.

Instinktiv trat er einen Schritt zurück.

„Nenne mir einen guten Grund, warum ich dir keine Kugel verpassen sollte!“, schnaubte sie, als sie sich an ihm vorbei ins Haus schlängelte.

„Du hättest dann niemanden mehr, den du mit deinen Psychosen in den Wahnsinn treiben könntest. Wie wäre es damit?“, rief Nathan ihr trocken hinterher, als sie in die Küche ging.

Der Kühlschrank wurde geöffnet und wieder geschlossen.

„Bring mir auch eins mit!“

Seufzend schloss Nathan die Haustür und wandte sich um.

„Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass du es wenigstens versuchen würdest?“, rief er, auf dem Weg in die Küche.

„Ich war da!“, murrte Cathrynn augenrollend, als er eintrat, bevor sie die Bierflasche an die Lippen führte.

„Und solltest es noch sein!“, betonte er, den Blick strafend auf die junge Frau gerichtet, die, mit den Beinen baumelnd, auf seiner Arbeitsplatte saß.

Nathan ging kopfschüttelnd zum Kühlschrank und nahm sich ebenfalls eine Flasche heraus.

Er schenkte Cathrynn einen vorwurfsvollen Blick, als er sich wieder zu ihr umwandte.

„So haben wir nicht gewettet, mein Freund!“, protestierte Cathrynn ärgerlich, während sie Nathan automatisch die Flasche aus der Hand nahm, um sie an ihrem Ring zu öffnen.

„Ich war da und habe somit meinen Teil der Abmachung erfüllt!“

Ärgerlich suchte Nathan ihren Blick, als er die geöffnete Flasche wieder entgegen nahm.

„Der Deal hat ein bisschen anders ausgesehen, meine Liebe!“

„Nate, ich warne dich! Versuche keine Spielchen mit mir zu spielen!“

In ihren Augen funkelte Mordlust, als sie Nathan ärgerlich musterte.

„Im Moment bin ich noch geladen genug, um dir das Hirn mit bloßen Händen aus dem Schädel zu prügeln!“, betonte sie völlig ruhig, ein verlässliches Zeichen dafür, dass sie kurz vorm Explodieren stand.

„Wie konnte ich auch so blöd sein anzunehmen, dass du ernsthaft etwas an deinem Zustand ändern wolltest!“, schoss Nathan ihr herausfordernd entgegen.

Cathrynn lachte bitter auf, bevor sie Nathan einen wütenden Blick zuwarf.

„Ich versuche seit Monaten, etwas an meinem Zustand zu ändern, aber wer sabotiert mich noch gleich immer wieder?“

„Selbstmord ist kaum eine adäquate Lösung deiner Probleme!“

„Wann habe ich mit einem verdammten Wort behauptet, dass ich meine Probleme lösen will?“, versetzte Cathrynn ärgerlich, bevor sie die Flasche in ihrer Hand mit einem langen Zug leerte.

„Entschuldige bitte, dass ich versucht habe, dir zu helfen!“, schnaubte Nathan verächtlich.

„Ich will deine beschissene Hilfe aber nicht, Nathan!“ Nathan öffnete den Mund, eine ganze Reihe harscher Kommentare auf der Zunge.

Er schloss ihn wieder.

Es hatte keinen Sinn, mit Cathrynn zu diskutieren.

Sie hatte vollkommen dicht gemacht.

Jedes weitere Wort wäre eine Verschwendung von Atem und Energie gewesen.

„Ich nehme an, dass heute Abend dein letzter Besuch in Jennifers Gruppe war“, stellte Nathan seufzend fest, nachdem er einen Moment in nachdenklichem Schweigen verharrt hatte.

„In ihrer und in jeder anderen, die du vielleicht noch irgendwo ausgräbst!“, betonte Cathrynn kompromisslos.

„Ernsthaft Nate, lege mich das nächste Mal einfach sofort flach, wenn du der Meinung bist, dass ich mal wieder vögeln sollte und schicke mich nicht auf ein Woodstock-Revival!“, fuhr sie dann ärgerlich auf, bevor er etwas erwidern konnte.

„Ich kenne Jennifer seit etlichen Jahren und ehrlich gesagt fällt es mir schwer, mir vorzustellen, dass ihre Gruppensitzungen derart schlecht sind“, bemerkte Nathan skeptisch und Cathrynn begann lauthals zu lachen.

„Nate, ich flehe dich an, sage mir nicht, dass diese Schnalle mehr als einen Abendkurs für angewandte Psychologie besucht hat, ansonsten sehe ich mich gezwungen, meinen akademischen Grad noch heute zurückzugeben.“

Nathan tat ihr seufzend den Gefallen und enthielt sich der Anmerkung, dass Jennifer und er seinerzeit zusammen Psychologie studiert hatten und sie ihm eine sehr große Hilfe nach dem gewaltsamen Tod seiner Frau gewesen war.

Cathrynn hatte beschlossen, diese Frau für inkompetent zu befinden und ihre momentane Haltung machte ihm klar, dass der Versuch, sie vom Gegenteil zu überzeugen vergebliche Liebesmüh war.

„Ich habe es doch nur gut gemeint“, erwiderte er resignierend.

„Ich dachte es würde dir gut tun, zu sehen, dass du mit einem solchen Verlust nicht alleine dastehst und dass es trotz allem irgendwann weitergeht.“

Cathrynn schnaubte bitter nach diesen Worten und warf ihm dann einen unergründlichen Blick zu.

„Ich brauche mich nur im Büro umzusehen, um das zu wissen. Immerhin ist es genau diese Art von Verlusten, die uns tun lässt, was wir tagtäglich tun.“

Nathan nickte versonnen bei diesen Worten.

Ja, es war richtig, dass die meisten Hunter irgendwann in der Vergangenheit Ähnliches erlebt hatten.

Sie alle hatten schmerzliche Verluste hinter sich und genau diese Verluste und der mit ihnen einhergehende Schmerz waren es schließlich, die sie bei der Arbeit hielten, die sie tagein tagaus diesen verzweifelten Kampf ausfechten ließen.

Er selbst machte dabei keine Ausnahme, dachte er für einen Moment, mit aufwallender Bitternis, als das Bild einer jungen rothaarigen Frau, vor seinem inneren Auge auftauchte, zwang sich aber augenblicklich zur Ruhe.

Im Moment war niemandem damit geholfen, wenn er nach über sechzehn Jahren begann alte Wunden wieder aufzureißen.

„Ich bin trotzdem der Meinung, dass du wenigstens versuchen solltest Hilfe anzunehmen“, beharrte er entgegen besseren Wissens.

„Die einzige Hilfe, die ich brauche, ist Frank davon zu überzeugen, dass er die Feldsperre aufhebt, danach geht es mir wieder blendend!“, erwiderte die schwarzhaarige Hunterin stur.

„Ich werde morgen mit Frank darüber reden“, versprach er seufzend.

Inzwischen hatte auch er bemerkt, dass er heute Abend nicht mehr an seine Freundin herankommen würde, nicht nachdem sie sich dermaßen in Rage geredet hatte.

Dennoch war er ganz und gar nicht begeistert, wenn er an das bevorstehende Gespräch mit Frank dachte.

Er wusste, dass Frank sicherlich ausrasten würde, im besten Fall.

Nathan konnte sich noch sehr deutlich an die Reaktion seines

Vorgesetzten erinnern, als er nur vorgeschlagen hatte, Cathrynn wieder Innendienst schieben zu lassen.

Wie, so fragte er sich, würde Frank wohl auf den Vorschlag reagieren, Cathrynns Feldsperre aufzuheben und sie wieder in Kampfeinsätze zu schicken.

Idealerweise würde er ihn nur aus dem Büro werfen, fasste Nathan im Geiste zusammen.

Schlimmstenfalls würde er ihn erschießen.

*

Schockiert las Singer zum dritten Mal den Untersuchungsbericht der Dienstaufsicht.

Die interne Ermittlung, die er vorgestern in Gang gesetzt hatte, hatte Ergebnisse geliefert.

Frustriert warf er das Dossier zurück auf den Schreibtisch, bevor er sich mit einem tiefen Seufzen durch die grauen Haare fuhr.

Eigentlich hätte es ihn mit Befriedigung erfüllen müssen, dass seine Instinkte ihn nicht getrogen hatten.

Er hatte sich getäuscht.

Er spürte keine Befriedigung und auch keine Freude, noch nicht einmal einen Hauch von Genugtuung.

Ganz im Gegenteil, er fühlte sich miserabel.

Sein Verdacht war richtig gewesen und das frustrierte ihn.

Er hatte bis zuletzt gehofft, dass er sich wieder einmal getäuscht hatte, hatte gebetet, dass alles nur ein dummer Zufall gewesen wäre.

Selbst die Bestätigung für einen internen Tötungsbefehl wäre ihm lieber gewesen, als das, was die Dienstaufsicht herausgefunden hatte.

Es waren keine Zufälle gewesen, aber das hatte er schon befürchtet.

Es jetzt allerdings schwarz auf weiß bestätigt zu sehen, machte es nicht unbedingt besser.

Wieder griff er zur Akte auf seinem Schreibtisch, unschlüssig, was er nun tun sollte.

Was er tun musste, das war ihm durchaus bewusst, aber er war nicht sicher, ob er es fertig brachte.

Nicht immer war es unbedingt richtig, das Richtige zu tun, dachte er betrübt, während er die Worte erneut las, nur um sicherzugehen, dass er keinen Fehler gemacht hatte.

Egal wie oft er den Bericht las, die Worte blieben dieselben.

Innerhalb der Hunter gab es einen Verräter, der gerade sehr effizient seine Spuren verwischte.

Das waren die Fakten, daran gab es nichts zu rütteln. Der Bericht ließ hier keinen Interpretationsspielraum.

Die Dienstaufsicht hatte noch andere durchaus interessante Dinge zutage gefördert, über die er sehr bald ausführlich mit Frank sprechen müsste. Allem voran den Verdacht auf einen Tötungsbefehl, den Montgomery vor sieben Jahren unter Franks Kommando ausgeführt hatte.

Und dann waren da noch die üblichen Lappalien wie der Blutalkoholspiegel einiger Hunter und die Pornohefte in den Toiletten, sowie die nicht registrierten Waffen in den Spinden.

Natürlich würde Frank ihm versichern, dass er sich um die Angelegenheiten kümmern werde, doch dieses Versprechen hatte er ihm die letzten beiden Male ebenfalls gegeben, als er unangekündigt eine Kontrolle angeordnet hatte.

Danach hatte er Frank jedes Mal wissen lassen, wenn eine Überprüfung anstand. Das war für alle Beteiligten einfacher gewesen, doch die Dinge die er darüber hinaus mit seinem Freund erörtern musste, waren durchaus delikaterer Natur, als diverse Schmuddel-Heftchen und betrunkene Agenten.

Er blickte auf die Uhr. Es war schon wieder zwei Stunden nach Feierabend.

Maxine würde sicherlich wütend sein, wenn er schon wieder mitten in der Nacht nach Hause kam.

Natürlich ahnte seine Frau, was er tat, wenn er erst weit nach Mitternacht das Büro verließ und natürlich war sie nicht erfreut darüber, dass er sich schon wieder in seiner Obsession, wie sie es nannte, verrannte.

Das Rappeln des Faxgeräts im Vorzimmer ließ ihn überrascht aus seinen Gedanken fahren.

Er sollte sich auf den Nachhauseweg machen, beschloss er und erhob sich seufzend aus seinem Schreibtischstuhl. Alles andere konnte er auch morgen noch in die Wege leiten.

Automatisch griff er allerdings noch zu dem Fax, das gerade reingekommen war, um es seiner Sekretärin auf den Schreibtisch zu legen, als sein Blick auf die knappen Zeilen fiel. Er erstarrte, als er die Nachricht noch einmal überflog, um sicherzugehen, dass er sich nicht einfach verlesen hatte.

Stiller und Jameson waren vor einigen Stunden ermordet worden.

Singer schüttelte ungläubig den Kopf.

Er glaubte sicherlich vieles, aber in diesem Fall ganz bestimmt nicht an einen Zufall.

Er brauchte einen Moment um sich zu fassen.

Seine Gedanken überschlugen sich.

„Verzeih mir, Frank, dass ich dir deine Freundschaft dieser Art vergelte“, flüsterte Singer, als er sich schweren Herzens zu einer Entscheidung durchrang.

Es war nicht fair, was er vorhatte.

Seufzend griff er zum Telefonhörer und wählte die Nummer des NSA Direktors, um mit ihm über seinen Verdacht zu sprechen.

Phönix aus den Flammen

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