Читать книгу Nucleus - Dieter Kassing - Страница 21
9 Berlin, Bundeskanzleramt
Оглавление»Ist Ihnen das vorhin auch aufgefallen?«, flüsterte der BND-Chef Walter Mayer zu. »Unser sonst so nervenstarker Geheimdienstkoordinator rotiert wie ein aufgezogener Brummkreisel.«
Mayer und Grossmann saßen im Konferenzraum im Bundeskanzleramt und warteten. Geheimdienstkoordinator Brandstetter war noch nicht zurückgekehrt. Generalinspekteur Wildhagen nutzte die Zeit, um lautstark mit einem Mitarbeiter zu telefonieren.
Mayer beugte sich zu Grossmann und erwiderte leise: »Liegt bestimmt daran, dass er sich heute Morgen schon etliche Tassen Kaffee reingeschüttet hat. Sie wissen ja, er ist ein leidenschaftlicher Kaffeetrinker.« Vor seinem inneren Auge sah er Brandstetter vor sich. Mit seinen breiten Schultern und dem etwas platten Nasenrücken erinnerte er ihn an einen alternden Boxer. Er hatte auch so einen leichtfüßigen Gang – eigentlich war es mehr ein Tänzeln, wie es gute Boxer im Ring praktizierten. Das kleine Bäuchlein, das sich über seinem Hosenbund wölbte, ließ darauf schließen, dass dieser Mann auch eine gemütliche und herzliche Seite hatte.
Während Mayer noch diese Bilder durch den Kopf gingen, stürmte der leibhaftige Brandstetter in das Besprechungs-zimmer. »Der Chef BK lässt Sie alle herzlich grüßen. Ich hab meinen Chef noch nie so fassungslos erlebt wie eben, als ich ihm erklärt habe, wie Sie, Herr Wildhagen, die Lage einschätzen.«
»Lassen Sie mich vorweg etwas klarstellen, meine Herren«, sagte der Generalinspekteur und sah in die Runde. »Sie werden verstehen, dass ich noch keine fertige Analyse präsentieren, geschweige denn, mit detaillierten Gegenmaßnahmen aufwarten kann. Dafür fehlen uns wesentliche Angaben. Zwei meiner Generalskollegen, die mit strategischen Analysen befasst sind, habe ich in die neue Lage eingeweiht. Aufgrund der Erfahrungen und verschiedener Planspiele in der Vergangenheit haben die beiden in aller Eile mögliche Maßnahmen mit unterschiedlichen Alternativen zu Papier gebracht, sodass wir nicht ganz unvorbereitet dastehen.«
»Mir war klar«, sagte Grossmann, »dass Sie sich nicht zum ersten Mal mit einer solchen Gefechtslage beschäftigen. Als George Dabbelju Bush Präsident war, hat doch dieser smarte Chefstratege, der Paul Wolfowitz, schon mal eine ähnliche Drohung vom Stapel gelassen. Man werde Staaten, die den Terrorismus unterstützen, wegradieren oder ausradieren oder so ähnlich.«
»Dann wissen Sie sicher auch, Herr Kollege, dass Wolfowitz damals zur ›Vulcans‹-Clique um Condoleeza Rice gehörte, der späteren Außenministerin und Einflüsterin von Bush«, erwiderte Wildhagen mit einem selbstgefälligen Grinsen und sah Grossmann an.
»›Vulcans‹?«, fragte Brandstetter und warf dem Generalinspekteur einen verständnislosen Blick zu. »Vulcanus war doch der römische Gott des Feuers.« Er legte seine Stirn in Falten. »Wie sind die denn auf den Namen gekommen?«
»Ist doch jetzt egal«, polterte Grossmann. »Jedenfalls haben sie ja mit dem Irakkrieg ihrem Namen alle Ehre gemacht.«
»Am besten erkläre ich Ihnen die Lage zunächst mal aus militärischer Sicht«, sagte Wild. »Vorweg: Meine Generals-kollegen und ich sind uns einig, dass wir ganz schnell in eine ähnlich bedrohliche Situation wie zu Zeiten der Berlin- oder der Kubakrise geraten könnten.«
»Oh, Gott!« Brandstetter stöhnte auf. »Nicht auch noch das! Wir haben doch schon genug vor der Brust. Kubakrise, Berlinkrise, wissen Sie, was Sie da sagen? Wenn nur ein einziger Hitzkopf auf den roten Knopf drückt, gibt's uns alle hier vielleicht bald nicht mehr ...«
»Nur, wenn wir es versäumen, uns frühzeitig auf eine solche Entwicklung einzustellen«, fuhr der General ungerührt fort. »Dann könnten wir gewaltig eins auf die Mütze kriegen. Aber nur dann!«
Er machte eine Pause.
»Wir sollten uns nichts vormachen, meine Herren, da wird immer herumgerätselt, ob die islamistischen Fanatiker tatsächlich so brutal sein könnten, wirklich eine nukleare Bombe zu zünden. Das wären sie! Wir vergessen, dass die Sowjets schon während der Berlinkrise und auch während der Kubakrise bereit waren, Atomraketen auf den Westen abzufeuern. Ich sagte Atom ... ra ... ke ... ten, meine Herren. Nicht einfach nur Bomben.«
»Aber der Westen wäre ja auch zu so einem Schützenfest bereit gewesen«, hielt Grossmann dagegen. »Wir sind damals doch nur haarscharf einem Atomkrieg entgangen. Hätten Chruschtschow oder Kennedy die Nerven verloren, wär's das gewesen!«
»Davon mal abgesehen«, warf Wildhagen ein, »es waren doch die USA, die als Erste ihre atomare Unschuld verloren haben – ich erinnere nur an Hiroshima und Nagasaki. Deshalb werden die islamistischen Terroristen auch keine Hemmungen haben, uns so ein Ei ins Nest zu legen!«
»Diese moralische Einordnung hilft uns im Moment auch nicht weiter«, sagte BKA-Chef Mayer unwirsch.
»Ich weiß ich nicht, ob Sie da richtig liegen«, erwiderte der Generalinspekteur. »Meiner Meinung nach ist es gerade in der jetzigen Situation äußerst wichtig, dass wir uns keinen Illusionen hingeben.«
»Sie haben recht, Kollege«, sagte Grossmann. »Ich denke, es ist inzwischen müßig, den Koran zu wälzen. Es ist soweit – die Islamisten bedrohen uns. Und nach meiner Einschätzung zucken die auch nicht mehr zurück!«
»Nach dem Tod von Osama bin Laden, Gott erbarme sich auch seiner«, sagte Wildhagen und schlug zum Erstaunen aller ein Kreuz in der Luft, »müssen wir damit rechnen, dass sein weltweit operierendes Terrornetzwerk noch einen Zahn zulegt. Dabei werden diese Krieger Allahs nach unseren Erkenntnissen vor allem von den iranischen Atom-Ayatollahs unterstützt.« Er blickte in die Runde und sah in angespannte Gesichter.
Der BND-Chef räusperte sich: »Wenn wir den Iran isolieren könnten, wären wir vielleicht ein Stück weiter. Nur, wie ist das zu schaffen?«
»Schwierig, schwierig, Herr Kollege«, antwortete Wildhagen.
»Also, meine Herren«, rief Brandstetter dazwischen, »Sie galoppieren mir viel zu weit voraus. Das alles sind Langfristbetrachtungen. Im Augenblick werden wir von einer Terrorgruppe nuklear bedroht. Wir wissen bis jetzt noch nicht mal hundertprozentig, ob die überhaupt so eine Bombe haben oder ob sie nur bluffen. Aber eins steht fest: Zu einer Art Kubakrise dürfen wir es gar nicht erst kommen lassen. Niemals, meine Herren!«
Der Generalinspekteur fuhr fort, das Schreckensszenario auszubreiten. »Hinzu kommt, dass diese islamistischen Terroristen nicht immer zu identifizieren sind. Die operieren weltweit. Und da gibt es ja die sogenannten Schläfer, die plötzlich ganz wach werden. Wie soll man die fassen, bevor die es haben rumsen lassen?«
»Also wirklich«, sagte der BND-Chef und funkelte Wildhagen an, »ich glaube, verehrter Kollege, ich muss Sie in Ihrer Einschätzung der Lage doch langsam ein bisschen bremsen! An der Berlin- und Kubakrise waren die Supermächte beteiligt. Da stand es auf Messers Schneide, ob die Menschheit sich dazu entschließt, sich mit dem riesigen Arsenal an Atomraketen selbst auszulöschen. Das, Herr Wildhagen, war die Sachlage!«
Grossmann stupste mehrmals seinen ausgestreckten Zeigefinger auf die Tischplatte. »Damals ging's um Hunderte von Atomraketen«, fuhr er fort. »Und heute, jetzt, in diesem Augenblick, in dem wir hier im Kanzleramt am Besprechungstisch sitzen und Sie die Berlinkrise und die Kubakrise heraufbeschwören, bedrohen uns Terroristen, Herr General. Nur eine Terrorgruppe, vergessen Sie das bitte nicht! Dahinter stecken vermutlich Al-Kaida-Leute oder was für Gruppen auch immer. Wissen wir ja noch nicht. Okay, das ist alles schlimm genug. Aber diese Terroristen bedrohen uns zurzeit mit einer«, Grossmann hielt Wildhagen seinen hochgestreckten Daumen entgegen, »mit einer nuklearen Bombe!«
»Sie haben recht, Herr Kollege. Sie haben ja völlig recht«, sagte Wildhagen und nickte. »Aber nur auf den ersten Blick ...« Als er die entsetzten Gesichter seiner Zuhörer sah, beschloss er, die Nervosität ein wenig zu mildern. »Könnten Sie mir bitte ein Fläschchen Wasser rüberreichen?«, fragte er Brandstetter.
»Entschuldigung, hätte ich auch schon früher dran denken können«, sagte der Geheimdienstkoordinator, griff mit einer fahrigen Bewegung nach einer Flasche, die vor ihm auf dem Tisch stand, öffnete sie und schob sie Wildhagen zu.
Während der Generalinspekteur sich ein Glas Wasser eingoss und einen Schluck nahm, rutschten die anderen Anwesenden unruhig auf ihren Stühlen hin und her.
»Nun machen Sie's doch nicht so spannend und reden endlich!«, platzte der BND-Chef heraus.
Doch Wildhagen ließ sich Zeit. Erst nach einem weiteren Schluck Wasser fuhr er fort: »Herr Grossmann, Sie haben bei Ihrer Überlegung vergessen, dass wir damit rechnen müssen, dass die Terrortruppe an verschiedenen Positionen gleichzeitig zuschlägt. So war es jedenfalls bisher immer, wenn die eine ihrer spektakulären Aktionen gefahren haben. Wie wir wissen, haben mehrere Staaten entsprechende Drohvideos erhalten. Unsere Erfahrung sagt uns, dass die Terroristen in einem Land an mehreren Stellen zugleich zuschlagen. Deshalb sollten wir uns darauf einstellen, dass die Staaten, denen sie das Ultimatum gestellt haben, im Augenblick von einer insgesamt ganz erklecklichen Anzahl nuklearer Bomben bedroht werden ...«
»Aber es sind bei Weitem nicht so viele wie damals!«, fiel ihm Grossmann ins Wort und setzte sein Siegerlächeln auf. »Und vergessen Sie nicht: Damals ging es um zahllose Ra ... ke ... ten, und zwar mit Atom ... spreng ... köp ... fen!« Er zog diese erschreckenden Worte in die Länge und betonte dabei jede Silbe.
»Also bitte, Herr Grossmann!«, erwiderte der Generalinspekteur konsterniert. Durch den ganzen Mann ging ein Beben. »Was soll das? Wir können es uns schon aus Zeitgründen nicht leisten, hier eine akademische Diskussion zu führen!«
Grossmann zuckte zurück und zog die Augenbrauen hoch. Werner Brandstetter rutschte mit einem Ruck ganz nach vorn auf die Sesselkante und richtete sich auf. Walter Mayers Gesicht erstarrte. Die Stimmung im Raum knisterte.
»Sie wissen doch genauso gut wie wir alle hier«, sagte Wildhagen und streifte einen nach dem anderen mit einem kurzen Blick, »was es bedeutet, wenn die USA womöglich nuklear zurückschlagen, falls die Terroristen eine nukleare Bombe auf amerikanischem Boden zünden! Angenommen, es ließe sich nachweisen, dass der Iran in irgendeiner Weise mit Bombenstoff oder Bombentechnik an dem nuklearen Angriff beteiligt gewesen wäre ...«
»Meinen Sie wirklich, dass die Chinesen oder Russen ...?«, fragte Brandstetter skeptisch.
»Die größten Sorgen machen uns zunächst mal die Israelis«, fuhr Wildhagen unbeeindruckt fort. »Bei denen sitzt der Finger am Abzug am lockersten. Das Teheraner Atomprogramm ist ihnen schon lange ein Dorn im Auge. Wenn die in einer solchen Gefechtslage dann eine ihrer gerade getesteten Atomraketen mit einer Reichweite bis zum iranischen Atomkomplex abfeuern ... Immerhin haben sie den irakischen Atomreaktor Osirak in Bagdad in Schutt und Asche gelegt und auch den im Bau befindlichen syrischen Atomreaktor bombardiert. Wir alle hier am Tisch wissen doch, dass die in Tel Aviv nur schwer zurückzuhalten sind, Herr Grossmann. Und was dann?«, fragte er, legte den Kopf zur Seite und sah den BND-Chef herausfordernd an. »Sind Sie noch immer der Meinung, ich hätte übertrieben?«
Grossmann antwortete nicht, sondern schaute mit zusam- mengepressten Lippen aus dem Fenster.
Wildhagen schien das Schweigen den BND-Chefs noch anzustacheln. »Ja, meine Herren«, verkündete er mit erhobener Stimme, »ich versteige mich sogar zu der Behauptung, dass die Lage noch dramatischer sein könnte als zu Zeiten der Berlin- und der Kubakrise. Schließlich sind die heutigen atomaren Waffensysteme noch weit effizienter! Dabei hab ich Pakistan noch gar nicht erwähnt!«
»Das Land ist ja nach den USA, Russland und China bald die viertgrößte Atommacht«, fuhr er leiser fort. »Die haben inzwischen mehr als hundert Atomsprengköpfe auf Lager. Und wenn der Iran angegriffen wird, machen die mobil. Der pakistanische Geheimdienst hat seinerzeit bereits durchblicken lassen, dass das Land wegen der religiösen und ideologischen Affinität große Zuneigung zum Iran empfindet. Der Atompapst der Pakistaner, Abdul Quadeer Khan, ist sogar noch deutlicher geworden. Schon damals, als er bei uns im Westen auf dem Schwarzmarkt in großem Stil Atomtechnologie einkaufte, hat er, wie er selbst sagte, den Iranern die Pläne für Atomwaffen angeboten. Dabei hat er ein klares Ziel verfolgt.«
Wildhagen beugte sich weit vor und sagte in beschwö- rendem Ton: »Vor ein paar Jahren hat er in einem Interview Folgendes gesagt: ›Wenn der Iran Nukleartechnologie hat, können wir in der Region einen starken Block bilden, um uns internationalem Druck zu widersetzen.‹ Und weiter, jetzt hören Sie genau hin, meine Herren: ›Die nuklearen Fähigkeiten des Iran werden Israels Macht neutralisieren.‹ Damit ist ziemlich klar, was passiert, wenn der Iran, von welcher Seite auch immer, angegriffen wird«, schloss der Generalsinspekteur und lehnte sich zurück.
»Ich weiß nicht, ob sie alle mitbekommen haben, was Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, kürzlich in der Süddeutschen erklärt hat«, sagte Grossmann. »Moment, ich blättere mal gerade in meiner Medienübersicht. Hier habe ich's.« Er zeigte mit dem Zeigefinger auf seine Fundstelle. »Ich zitiere: ›Möglich scheint auch, dass das Land‹, er meint den Iran, ›verschiedene terroristische Gruppierungen mit atomarem Material beliefert.‹ Das, meine Herren, sagt ein absoluter Insider zu der Frage, was der Iran tun könnte, tun würde, sollte das Land angegriffen werden!«
»Dass die Pakistaner und die Iraner atomar überhaupt so stark werden konnten, haben sie ja nicht zuletzt uns zu verdanken«, sagte Mayer. Ein zynisches Lächeln umspielte seine Lippen.
»Da sagen Sie was, Herr Kollege!« Brandstetter schüttelte den Kopf. »Fehlte nur noch, dass wir denen damals die fertige Atombombe übergeben hätten. Sonst haben wir ihnen ja wohl alles geliefert, was zum Bombenbau nötig ist.« Plötzlich wurde auch der BND-Chef wieder lebendig. »Da gab's doch damals auf einmal diesen Riesenknall. Erinnern Sie sich? Wir hätten den Atomwaffensperrvertrag gebrochen und so ...« Grossmann machte eine Pause, bevor er zögernd fortfuhr. »So hieß es jedenfalls. Und war da nicht auch dieser Deckstein vom Energy Report irgendwie in den Skandal verwickelt?«
»Stimmt, Herr Grossmann«, sagte Mayer. »Ich weiß zwar auch nicht mehr, ob das Deckstein war oder ein Kollege von ihm, aber jedenfalls haben die doch den Ball erst richtig ins Rollen gebracht.«
Auch Brandstetter erinnerte sich. »Einer von den beiden, also Deckstein oder der andere, an den ich mich auch nicht mehr erinnere, hat doch damals diesen hessischen Minister interviewt und ihm gesagt, nach seinen Informationen hätten deutsche Unternehmen Plutonium nach Libyen und Pakistan geliefert.«
»Das müssen Sie sich mal vorstellen!«, sagte der BKA-Chef. »Meine Herren, ich muss mich mal bewegen. Sitz jetzt schon seit Stunden auf meinem ...« Mayer stand auf, strich seinen dunklen Anzug glatt und ging mit schnellen Schritten auf die Fensterfront zu.
»Der Eschborner Amtschef für Ausfuhrkontrolle hat das ja später bestätigt«, rief er zu den Kollegen hinüber, die ihn mit überraschtem Blick gefolgt waren. »Ich weiß noch, wie mir die Haare zu Berge gestanden haben, als der das damals im Untersuchungsausschuss des Bundestags so locker vom Hocker rausließ. Auch den Abgeordneten, die ihn befragten, blieb der Mund offenstehen. Und dann hat er auch noch ungerührt hinzugefügt, wie viel Plutonium das gewesen sei, könne er nicht mehr genau sagen.«
Brandstetter schlug mit der Hand auf den Tisch. »Unglaublich! Ich weiß noch, wie ich als kleiner Referent im Kanzleramt die Sache aus der Nähe verfolgt habe. Was meinen Sie wohl, was wir heute zu hören bekämen, wenn publik würde, dass wir quasi dieselbe Schei …, Schitte, die wir denen in Libyen und vor allem Pakistan geliefert haben, jetzt als Bombe zurückkriegen!«
»Unsere Brüder hinterm Eisernen Vorhang waren damals bestens über unsere Lieferungen über den Grauen Markt oder den Schwarzmarkt informiert, das kann ich Ihnen sagen«, erklärte Grossmann und schnaubte. »Die hatten ja eine Heidenangst davor, dass wir eine eigene Atombombe bauen würden. Deshalb haben sie natürlich alles drangesetzt, um an Informationen zu kommen. Ich habe da Stasi-Papiere auf den Tisch gekriegt, da würden Sie sich an den Kopf fassen! Schon 1980 haben sie gewusst, dass sich Pakistan über eine Bonner Deckadresse für vierzig Millionen Mark Teile für die Urananreicherungsanlage zusammengekauft hatte. Hinter dieser Deckadresse steckte übrigens der Bonner Botschafter von Pakistan. Ikram-ul Haque Khan hieß dieser zwielichtige Herr. Er wohnte in Bonn-Wachtberg, in der Hauptstraße. Wir dagegen wussten noch nicht mal, dass da unter unseren Augen solche Sachen abgelaufen waren. Zumindest mussten wir das öffentlich so darstellen ...« Er zwinkerte Brandstetter zu.
»Ich hab damals die Staatsanwälte bedauert, die in der Sache ermitteln mussten«, sagte Generalinspekteur Wildhagen. »Die waren in einer schwierigen Position. Viele Menschen in der Öffentlichkeit hatten sicher erwartet, dass die Juristen den verantwortlichen Regierungsmitgliedern und den Vorständen der beteiligten Atomunternehmen die Hosen runterziehen würden.«
»Wenn die tatsächlich den rauchenden Colt gefunden hät- ten«, sagte Brandstetter, »also bestätigt, dass wir den Atomwaffensperrvertrag gebrochen hätten, wäre Deutschland doch erst recht an die Wand genagelt worden! Das Bundesverdienstkreuz hätte man sich da mit einer erfolgreichen Ermittlung wahrhaftig nicht verdienen können.« Er schüttelte den Kopf. »Der Leitende Oberstaatsanwalt – ein erfahrener Mann – hat die Ermittlungen ja dann rasch wieder eingestellt. Und was ich Ihnen jetzt erzähle, werden Sie kaum glauben«, fuhr er fort. »Die Journalisten, über die wir eben gesprochen haben, der Deckstein und einer seiner Mitarbeiter, ich meine, es wäre der Overdieck gewesen, so ein Hüne, haben mich und Mombauer vergangene Woche wegen dieser Sache von damals kontaktiert. Die sitzen an einer großen Story da drüber, mit neuem brisantem Material.«
»Wir müssen unbedingt verhindern, dass die jetzt mit der Geschichte herauskommen!«, sagte BND-Chef Grossmann stirnrunzelnd. »Wenn öffentlich bekannt wird, dass wir von Terroristen mit einer nuklearen Bombe bedroht werden, und gleichzeitig kommt diese Story vom Energy Report unter die Leute, dann kriegen wir die Stimmung nicht mehr in den Griff. Dann hagelt's Proteste. Dann gibt's Panik!«
»Dann kann die Kanzlerin ihren Hut nehmen«, stellte Generalinspekteur Wildhagen trocken fest.