Читать книгу Nucleus - Dieter Kassing - Страница 23
11 Berlin, Bundeskanzleramt
Оглавление»Ich hielte es für gut, wenn jemand Kontakt zu diesem Deckstein aufnehmen würde«, sagte BKA-Chef Mayer. Generalinspekteur Wildhagen und BND-Chef Grossmann nickten.
Werner Brandstetter stand auf und ging einen Moment lang nachdenklich im Zimmer auf und ab. »Ich rede mal mit Conradi«, sagte er dann. »Soviel ich weiß, ist er mit Deckstein befreundet.«
»Lassen Sie das aber nicht zu lange ungesteuert laufen!«, warf Grossmann ein.
»Okay, das hätten wir ja dann abgehakt!«, sagte der Generalinspekteur ungeduldig. »Ich muss noch meinen Speech über die Pakistanis zu Ende bringen, Herr Brandstetter«, erklärte er. »Sie sollten das der Kanzlerin unbedingt mit in den Bericht schreiben.«
»Bitte sehr, Herr Wildhagen«, sagte Brandstetter und nahm wieder auf seinem Sessel Platz.
»Ich schließe nicht aus, dass es in Pakistan womöglich zu einem Putsch kommt, wenn die Amis irgendwo, ob in Teheran oder sonst wo, nuklear zuschlagen«, erklärte der Generalinspekteur. »Die Unruhen würden vor allem durch islamistische Kräfte in Militär und Geheimdienst geschürt. Wir müssen davon ausgehen, dass es dann zu islamischen Solidaritätsaktionen käme. Als die Pakistanis damals mit ihrem Atombombenbau angefangen haben, sind sie von einigen arabischen Brüdern massiv unterstützt worden. Es ging schließlich um die erste islamische Atombombe. Auch Gaddafi hat Hunderte Millionen dazu beigesteuert. Die Gelder liefen großenteils über die pakistanische Skandalbank BCCI – ein altes Gespenst, das im Zusammenhang mit Waffen und Atomtechnik immer wieder auftaucht. Mitbegründer dieser Bank der Betrüger, Drogendealer und Terroristen war Abbas Gokal. Ein Mann mit engen Bindungen zum pakistanischen Staatschef Zia ul-Haq ...«
»Tatsächlich? Das ist ja interessant!«, sagte BKA-Chef Mayer überrascht.
»Der Name Gokal ist ja auch damals im Zusammenhang mit dem Hanauer Atomskandal aufgetaucht«, sagte Brandstetter. »Eine ganz dubiose Figur. Im Lübecker Hafen gehörten ihm ein größeres Unternehmen, eine Kokerei, die Neuen Metallhüttenwerke, und der Gokal ist da in einen hässlichen Verdacht geraten: Aus dem Hafen sind damals jede Menge Atomstoff und ...«
»Aktuell sieht's in Pakistan so aus«, unterbrach ihn Wildhagen, »dass sich der Präsident schon jetzt nicht mehr der Loyalität seines Militärs sicher ist.«
»Da ist was Wahres dran.« Grossmann nickte dem Generalinspekteur zu. »Wir haben ja unsere Leute dort. Es stimmt, die Terroristen überziehen das Land immer dichter mit einem eigenen Netzwerk und haben auch bei den Militärs Erfolg.«
»Der Armeechef ist zum wichtigsten Mann im Land geworden«, fuhr Wildhagen fort. »Und er hat eingeräumt, dass Teile des Geheimdienstes ISI außer Kontrolle geraten sind. Da kann in so einer Lage, wie wir sie eben besprochen haben, alles passieren.«
Grossmann räusperte sich. »Aufgrund der Berichte unserer Agenten und Kontaktleute in Afghanistan und Pakistan machen wir uns sehr große Sorgen, was die Sicherheit des Atombombenpotenzials in Pakistan angeht. Je instabiler Pakistan wird, desto größer wird die nukleare Gefahr, die von dort ausgeht. Fakt ist aber auch, dass die Terroristen, woher sie auch kommen, ob aus dem Jemen oder aus Pakistan, immer stärker vom Iran unterstützt werden.«
Der Generalinspekteur nickte. »Richtig, Herr Kollege. Ich würde unsere Überlegungen aber gern noch in eine ganz andere Richtung lenken.«
Er blickte ernst in die Runde.
»Was passiert, frage ich Sie, wenn Washington feststellen sollte, dass der Stoff für die nukleare Terrorbombe aus Moskau stammt? Erinnern Sie sich, den Fall hatten wir vierundneunzig schon mal. Ein Arzt – meine Herren, ein Arzt, das müssen Sie sich mal vorstellen! – ergattert in Moskauer Militärkreisen fast ein Pfund Plutonium und fliegt anschließend seelenruhig damit in einer Lufthansa-Linienmaschine nach München. Das ist hier zwar auch wie eine Bombe eingeschlagen, hat aber eher ein diplomatisches Getöse verursacht. Gekracht hat es damals noch nicht wirklich. Meine Herren, ich betone: noch nicht!«
Wildhagen legte die Hände vor sich auf den Tisch und fuhr fort: »Ich sehe Ihre erschrockenen Gesichter, meine Herren. Aber jetzt mal ganz realistisch: Wir müssen uns der Frage stellen, was passiert, wenn die in Washington feststellen, dass der Bombenstoff, den die Terroristen gezündet haben, aus Moskau stammt? Ist ja nicht auszuschließen bei dem, was die da alles ungesichert herumliegen haben. Vielleicht haben auch geldgeile oder unterbezahlte Militärs, gibt's ja immer noch, den Stoff verkauft. Ja, und dann? Dann haben wir beinahe die gleiche Ausgangsposition wie damals. So viel zum Thema Moskau.«
Er seufzte und fuhr nach einer kleinen Pause fort: »Ich will die Lage ja nicht dramatisieren. Aber solange nichts Genaues feststeht, müssen wir nach allen Seiten Ausschau halten. Dabei fällt mir ein, dass ich Ihnen, Herr Grossmann, etwas zu Nahost rübergeschickt habe.«
Der BND-Chef sah ihn irritiert an.
»Eine Meldung unseres Militärischen Abschirmdienstes. Haben Sie die denn nicht bekommen?«, fragte der Generalinspekteur. »Oder vielleicht noch nicht gelesen? Ich hatte sie ihnen extra über die gesicherte Leitung rübergeschickt.«
»Ich weiß nicht ...«, stotterte Grossmann und schüttelte den Kopf. »Worauf wollen Sie hinaus? Sagen Sie doch einfach, worum's geht!«
Wildhagen war bemüht, sich seine Verärgerung nicht anmerken zu lassen.
»Wir im Führungsstab halten es immerhin für äußerst bemerkenswert, wenn der Kronprinz von Abu Dhabi die Lage in Nahost angesichts der Spannungen, die durch das iranische Atomprogramm ausgelöst werden, mit der Lage Europas kurz vor dem Zweiten Weltkrieg vergleicht«, sagte er. »Wenn sich jetzt auch noch herausstellt, dass der lange Arm des Iran hinter der atomaren Terrordrohung steckt, können Sie sich sicher vorstellen, wie schnell sich auch das Spannungspotenzial in Nahost hochschaukelt. Selbst der britische Ex-Premier, Tony Blair, hat eingesehen, dass nicht Saddam Hussein der größte Unterstützer des Terrors gewesen ist. Inzwischen ist auch er der Meinung, das sei der Iran.«
»Hat ja lange genug gedauert«, warf Grossmann ein.
»In einem Interview mit der Times fordert Blair den Sturz des Teheraner Regimes«, sagte Wildhagen.
»Vermutlich wieder mit einem Krieg.« Grossmann schüttelte den Kopf. »Was die Meldung über Kronprinz Abu Dhabi angeht, da muss ich mein Büro nach den Unterlagen fahnden lassen. Mir liegt da bisher nichts vor. Wenn es aber so ist, wie Sie sagen – und ich habe keinen Anlass, daran zu zweifeln –, dann ist das in der Tat mehr als bemerkenswert. Dann sieht die Sache schon ein bisschen anders aus.«
»Nur ein bisschen, Herr Grossmann?«, fragte Wildhagen mit spöttischer Stimme. »Seit Teheran eine US-Spionage-Drohne vom Himmel geholt und auch noch damit gedroht hat, die Straße von Hormuz zu sperren – rund ein Viertel der globalen Ölversorgung läuft da durch –, hat sich die Lage doch deutlich verschärft.«
»Sie werden Ihre Analyse ja nachher noch im Sicherheitskabinett vortragen, Herr Wildhagen«, sagte Brandstetter. »Ich möchte jetzt doch noch mal auf die brandaktuelle Bedrohung durch die Terroristen eingehen. Herr Mayer, da sind Sie und Conradi aus dem Innenministerium gefragt. Haben wir überhaupt eine Chance?«
Walter Mayer richtete sich in seinem Sessel auf. »Ja, meine Herren, zum ersten Mal müssen wir einen Ernstfall durchstehen. Die Zentrale Unterstützungsgruppe des Bundes ist ja, wie Sie wissen, als eine Art Sondereinheit des Bundes gegen Atomkriminalität und Atomterrorismus geschaffen worden. Genau das ist in diesem Fall aber ihre Achillesferse ...«
»Wieso?«, fiel ihm BND-Chef Grossmann ins Wort.
»Die ZUB kann nur tätig werden, wenn sie von der Regierung eines unserer Bundesländer angefordert wird. Diese tut das aber nur, wenn sie erkennt, dass sie selbst nicht mit der Bedrohungslage fertig wird. Und da liegt in unserem aktuellen Fall der Hase im Pfeffer.«
Walter Mayer zögerte einen Moment, bevor er weitersprach. Er überlegte, wie er das, was er sagen wollte, am besten formulieren sollte.
»Um in unserem aktuellen Fall keine Zeit zu verlieren«, erklärte er dann, »müssten wir eigentlich schleunigst die Bundesländer informieren und sie bei ihrer Suche nach der Bombe unterstützen. Aber wenn wir die Länder einweihen und denen erzählen, was los ist, bricht im Land Panik aus. Hinzu kommt, dass wir gleich alle Bundesländer informieren müssten – wir wissen ja noch gar nicht, wo die Bombe liegt.«
Generalinspekteur Wildhagen griff zu seinem Wasserglas, leerte es mit schnellen Schlucken und setzte es hart auf dem Tisch ab. Seine Miene verriet große Anspannung.
»Ich muss sagen, Kollegen, irgendwie stecken wir da schon in einer beschissenen Gefechtslage. Wir werden nuklear bedroht, wissen aber nicht mal hundertprozentig, ob diese Terroristen überhaupt eine nukleare Bombe haben. Wir müssten die Bundesländer über diese absurde Lage informieren, um die Bombe suchen und überall Abwehrmaßnahmen treffen zu können. Aber wenn wir sie informieren, haben wir eine Panik am Hals, die wir mit Sicherheit nicht mehr stoppen können.« Der Generalinspekteur rieb sich mit der Hand über die Stirn.
»Deshalb plädiere ich dafür, zunächst alles auf ganz kleiner Flamme zu kochen«, sagte Mayer. »Wir sollten das so machen wie bei den Übungen: zuerst nur alle benötigten Spezialisten auf Bundesebene in unserem Berliner Lagezentrum zusammenziehen und mit denen die Lage sondieren. Und dann erste Maßnahmen treffen. Solche, die wir zumindest schon mal auf Bundesebene einleiten können. So lange brauchen wir die Länder noch nicht zu fragen oder zu informieren.«
»An welche Leute denken Sie denn da? Wen können wir ansprechen, ohne dass die Länder argwöhnisch werden?«, fragte Grossmann.
»Also, wenn wir das Ganze als Übungsfall deklarieren wollen, sollten wir erstmal, wie auch sonst bei Übungen üblich, unser Lagezentrum oben im Innenministerium mit dem des Reaktorsicherheitsministeriums in Bonn kurzschließen. Ich hab das oft genug mit Conradi durchexerziert – wir sind ein eingespieltes Team. Dann sollten wir aus dem Bonner Umweltministerium am Anfang nur einen ganz bestimmten Kollegen von der Reaktorsicherheit über Videostandleitung zuschalten. Diesen Kollegen informieren wir dann schon etwas detaillierter, denn auf den sind wir angewiesen. Ist ein vertrauenswürdiger Mann mit Zugriff auf alle wichtigen Daten, Unterlagen und Karten, die wir brauchen. Das alles funktioniert natürlich nur, solange die Kanzlerin nicht anders entscheidet.«
Der BKA-Chef blickte in die Runde und sah in abwartende, angespannte Gesichter.
»Dann brauchen wir ganz dringend die ›Strahlemänner‹ vom zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter«, fuhr er fort. »Die können uns mit ihren über zweitausend Messstationen ganz schnell warnen, wenn irgendwo im Land höhere Radioaktivität auftaucht. Das könnte ja bedeuten, dass da schon was gezündet wurde und die gefährlichen Strahlungen sich allmählich ausbreiten. Sollte das der Fall sein, müssen wir sofort handeln und unsere ausgebildeten Hilfstrupps dorthin schicken. Dann können wir aber auch gleich mit dem entsprechenden Bundesland zusammenarbeiten. Unabhängig davon sollten aber wie im Übungsfall schon mal Messwagen zu zentralen Versorgungsanlagen geschickt werden, die vor Ort vorsorglich überprüfen, ob sie was finden. Ich denke da zum Beispiel an große Energieanlagen, Wasserwerke, vielleicht auch Lebensmittelproduzenten und andere. Womöglich haben die die Bombe schon bei irgendeiner dieser zentralen Versorgungsanlagen platziert. Da kann uns das BBK helfen. Sie wissen, wen ich damit meine.«
Als er Grossmanns fragenden Blick sah, erläuterte er: »Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn hat ja eine genaue Auflistung der kritischen Infrastrukturen, die unbedingt geschützt werden müssten. Die sollten wir, wenn möglich, alle überprüfen können. Ja, und wenn da nichts gefunden wird, können wir einerseits heilfroh sein. Andererseits müssten wir diese Plätze dann schleunigst durch entsprechendes Personal, vielleicht zunächst durch die Bundespolizei, schützen. Wir werden wohl auch nicht drum herum kommen, die Bundeswehr einzusetzen.«
»Bis hierhin einverstanden. Sollten wir der Kanzlerin und dem Kabinett nachher so vorschlagen, denke ich«, sagte Brandstetter. »Das mit der Bundeswehr wird uns allerdings noch Kummer bereiten.«
Der Generalinspekteur nickte. »Das seh ich genauso.«
»Außerdem haben Conradi und ich die Leitung des BBK in Bonn und die jeweilige Führung anderer Hilfseinrichtungen im Land alarmieren lassen«, berichtete Walter Mayer weiter. »Die stehen alle in Habachtstellung. Auch mit meinem Kollegen an der Spitze der Bundespolizei hab ich bereits gesprochen. Die zuständigen Einheiten zur Abwehr von nuklearen Bedrohungen rücken schon aus. Natürlich ist das alles in Abstimmung mit unserem Minister bis jetzt als Übungsfall deklariert. Weiter habe ich selbst unsere Spezialisten vom BKA aktiviert. Ich denke, das erregt bei den Ländern keinen Verdacht.«
»Und was machen wir mit den uns bekannten islamistischen Gefährdern hier bei uns im Land?«, fragte Wildhagen.
»Unsere Leute sind da am Ball«, sagte Mayer. »Die sind schon fleißig tätig. Wir machen das alles so unauffällig, dass uns bis jetzt noch keiner bemerkt hat. Ein paar von den uns bekannten Kandidaten aus dem islamistischen Gefährder-Lager haben wir unsanft geweckt und zur Befragung mitgenommen. Andere ahnen gar nicht, dass wir ihnen so nahe sind, dass wir sogar ihr Morgengebet im Schlafzimmer mitkriegen«, erklärte Walter Mayer in einem Ton, als sei das das Normalste von der Welt. »Natürlich läuft das bei meinen Leuten bis jetzt auch alles unter der Überschrift ›normale Arbeit‹. Das alles geht allerdings nur, so lange die Kanzlerin ...«
»Genau das ist doch die Frage«, warf Grossmann ein. »Hand aufs Herz, Kollegen, was, glauben Sie, wird die Kanzlerin wohl wollen?« Er sah die anderen Männer mit einem bohrenden Blick an.
»Ich bin davon überzeugt, dass die Kanzlerin darauf drängen wird, die Länder zu informieren«, sagte der BKA-Chef. »Sollte es tatsächlich zum Desaster kommen, und die Bombe geht hoch, will sie sich auf keinen Fall nachsagen lassen, dass die Länder zu spät informiert wurden. Die schiebt die Verantwortung gleich von Anfang an den Ländern zu. Außerdem gehen Sie mal davon aus, dass auch unser Minister bald Rabatz machen wird, oder, Herr Brandstetter?« Er warf dem Geheimdienst-koordinator einen herausfordernden Blick zu.
»Der peilt noch den Wind«, antwortete Brandstetter. »Aber sobald er feststellt, dass der günstig für ihn weht, wird er alles mobilmachen, um zu zeigen, dass er es ist, der die Krise meistert. Das ist doch die Chance für den, um nach gelungener Katastrophenbewältigung mit Volkes Rückendeckung auf den Kanzlersessel zu hüpfen!«
»Das muss aber erst mal gelingen«, sagte Mayer. »Ich warte übrigens nur noch auf den Tag, an dem der Lensbach direkt über seinem Ministerium ein großes Blaulicht installieren lässt, das signalisiert: Minister im Terroreinsatz!«
Keiner der Anwesenden konnte sich ein Grinsen verkneifen.
»Wenn es mal so weit gekommen ist, Herr Mayer, können Sie die Tage im Jahr zählen, an denen das Ding ausgeschaltet bleibt«, sagte Brandstetter schmunzelnd. Dann wurde er wieder ernst.
»Was mir gerade noch einfällt, Kollegen, wir müssen natürlich auch damit rechnen, dass die Terroristen nervös werden. Wenn die merken, dass wir mit allen Einheiten im gesamten Land, in allen Bundesländern alles unternehmen, um ihre Bombe zu finden, lassen die das Ding vielleicht sogar noch vor Ablauf des Ultimatums hochgehen.«
»Meine Herren«, schaltete sich Generalinspekteur Wild- hagen ein, »ich fasse, wenn's erlaubt ist, mal zusammen. In aller Offenheit, ich habe den Eindruck ...«
»Dazu ist es noch zu früh, Kollege Wildhagen«, unterbrach ihn Walter Mayer. »Ich habe noch was ganz Wichtiges vergessen.«
Er hielt inne und sah in die Runde.
»Wenn Terroristen eine Bombe auf Plutoniumbasis haben, also mit Alpha-Strahler, dann haben wir kaum eine Chance, die Bombe zu finden, bevor sie losgeht. Da sollten wir uns nichts vormachen. Plutonium ist nur auf kürzeste Entfernung messbar.« Er zeigte zwischen rechtem Daumen und Zeigefinger einen Abstand von gerade mal fünf Zentimetern. »Wenn wir da so nah rankämen, dann wäre das reiner Zufall.«
»Unvorstellbar!«, stöhnte Wildhagen.
»Vor allem, wenn das Plutonium auch noch abgeschirmt ist. Dann können wir alles vergessen«, fuhr Mayer fort. »Es gibt noch keine exakte Technik, um auf größere Entfernung etwas feststellen zu können. Bei einer Uranbombe müssten wir zwar auch das ganze Land absuchen, aber da hätten wir wenigstens den Hauch einer Chance.«
»Vielleicht darf ich ja mal was zur Beruhigung beitragen«, mischte sich Brandstetter ein. »Wie ich vorhin schon sagte, werden einige Atomkraftwerke zurzeit eingenebelt und können von den Terroristen aus der Luft ...«
»Dieser ominöse Nebel, meine Herren, ist der größte Humbug, der mir je untergekommen ist!« BND-Chef Grossmann sprang auf und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. Dabei sah er Brandstetter an, als hätte sich der Geheimdienstkoordinator in einem Kreis honoriger Wissenschaftler als Märchenonkel geoutet.
»Mit diesem Scheißzeug, hätte ich fast gesagt«, ereiferte sich Grossmann, »sollte man die Herren einnebeln, die uns das als Sicherheitsmaßnahme verkaufen wollen! Dann bräuchte ich mir deren Visagen nicht mehr anzusehen! Nehmen Sie meine Bemerkungen bitte nicht persönlich, Herr Brandstetter«, fuhr er ruhiger fort und setzte sich wieder.
»Aber dieser Nebel, mit dem diese Komiker an der Spitze der Atomkonzerne diese ungesicherten Atombomben, ich meine die Atommeiler im Land, im Ernstfall unsichtbar machen wollen, erinnert doch mehr an ein Kunstevent als an eine ernst gemeinte Sicherheitsmaßnahme!« Grossmann wandte sich an den Generalinspekteur.
»Sie sind doch Flieger. Sie können sich doch am besten in die Lage eines Piloten, ich meine, eines Terroristen versetzen, der mit seiner gekaperten Maschine an einem herrlichen, wolkenlosen Sonnentag wie heute, überall blauer Himmel, mittendrin plötzlich so eine herrlich dichte Nebelwolke entdeckt. Der wüsste mit Sicherheit, dass die Oberschlaumeier von den Atomkonzernen in einer bedrohlichen Situation ihre Atomkraftwerke in Nebel hüllen. Prima, würde er denken! Der hätte doch sein Ziel sofort erkannt und würde mit Hoch-geschwindigkeit in die Nebelwolke hineinfliegen. Oder?«
Mit einem zynischen Lächeln fügte er hinzu: »Danach, er ist ja bereits dem Himmel nah, winken ihm schließlich da oben schon die zweiundsiebzig Jungfrauen, meine Herren.« Der BND-Chef sah zur Decke, lächelte und winkte mit beiden Händen.
»Was diesen Nebel angeht«, sagte der Generalinspekteur, »da muss ich Ihnen leider zustimmen, Herr Grossmann. Wenn einer fliegen kann, ist es für ihn kein Problem, so eine vernebelte Atombombe wie unsere Meiler zu treffen. Für mich steht fest, dass die Terroristen, die in die Twin Towers gedüst sind, überraschend gut fliegen konnten. So gut sogar, dass man meinen könnte, sie seien gar nicht selbst geflogen. Vielleicht, das ist zumindest mein Eindruck, sind die von irgendwo, vielleicht sogar von jemandem am Boden gesteuert worden. Auch das ist ja möglich. Also, Herr Brandstetter«, fuhr Wildhagen fort und sah den Geheimdienstkoordinator mit ernstem Gesicht von der Seite an, »Nebel oder nicht – ich als geübter Flieger stelle jedenfalls im Cockpit den Kurs ein, und rums bin ich drin im Atomkraftwerk. Abschließend komme ich nicht umhin, festzustellen, dass wir die Gefahr mit der Einnebelung aus meiner Sicht noch erheblich vergrößert haben.«