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Nullhypothesen

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Wenn man dreimal hintereinander eine Sechs würfelt, muss das nicht heißen, dass der Würfel präpariert ist. Wenn also ein Forscher glaubt, irgendeinen interessanten, dem bisher verbindlichen Wissensstand widersprechenden Zusammenhang entdeckt zu haben, so muss er zunächst statistisch prüfen, ob der beobachtete Effekt nicht auch rein zufällig hätte zustande kommen können. Er muss, wie man es ausdrückt, eine Arbeitshypothese (»Der Würfel ist präpariert«) gegen die Nullhypothese (»Der Würfel ist normal«) prüfen. Das Verfahren ist asymmetrisch: Die Arbeitshypothese muss man sichern, die Nullhypothese widerlegen. Die Arbeitshypothese trägt also die Beweislast.

Das bedeutet: Wenn jemand behauptet, Unterschiede im Verhalten und Erleben von Frauen und Männern existierten nur im Volksglauben oder gar in der Fantasie von Ideologen und Chauvinisten, während in Wirklichkeit doch alle Menschen gleich angelegt seien, dann darf er dies solange tun, bis irgendwer ihn unausweichlich widerlegt, während die These, Frauen seien anders als Männer, und dies womöglich auch noch von Natur aus, die volle Beweislast zu tragen hat. Offenbar wird es als »sparsamer« empfunden, Geschlechtsunterschiede zu leugnen, als sie zu akzeptieren. Die Berechtigung zu dieser asymmetrischen Betrachtungsweise wird freilich so gut wie nie reflektiert.

Eleanor Maccoby und Carolin Jacklin von der Stanford University, die immer noch zu den prominentesten Gewährsleuten in der Frage der Geschlechtsunterschiede zählen, gingen in ihrem Buch »The psychology of sex differences« ebenfalls von der gerade formulierten Nullhypothese aus und prüften nach, ob die empirische Befundlage an irgendwelchen Stellen dazu nötigen würde, sie zu verwerfen. Sie kamen dabei zu dem Schluss, dass »viele populäre Überzeugungen über die psychologische Eigenart der beiden Geschlechter erwiesenermaßen eine geringe oder überhaupt keine Grundlage haben. Die Ursache, warum solche Mythen dennoch aufrechterhalten werden, liegt darin, dass Stereotype eine so machtvolle Wirkung haben« (Maccoby & Jacklin, 1974, S. 355, Übersetzung von D. B.-K.).

Die beiden Autorinnen haben etwa 1.600 empirische Arbeiten aus allen erdenklichen Gebieten der Psychologie daraufhin analysiert, ob männliche und weibliche Versuchspersonen dabei irgendwie abweichende Resultate erzielt hatten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Unterschiede in lediglich vier Bereichen angenommen werden müssten. Drei davon betreffen den kognitiven Stil:

Männer hätten bessere Fähigkeiten im mathematischen Denken und in der visuell-räumlichen Vorstellung, während das weibliche Geschlecht eher sprachbegabt sei.

Auf dem emotionalen Sektor gäbe es überhaupt nur einen belegbaren Unterschied, nämlich in der Aggressivität. Alle übrigen üblicherweise postulierten Unterschiede dagegen seien ohne empirische Basis.

Als Resultat ihrer Studie sahen sich Maccoby und Jacklin in ihrer Vermutung bestätigt, Stereotype seien nicht viel mehr als willkürliche Setzungen der Gesellschaft, die ihre Durchschlagskraft lediglich der Tatsache verdanken, dass sie von Generation zu Generation weitergegeben und insbesondere von den Männern bereitwillig immer wieder aufgegriffen werden, um die eigene Vorherrschaft zu sichern. Als engagierte Feministinnen folgerten die Autorinnen weiter, ein Abbau der Diskriminierung sei am ehesten dadurch einzuleiten, dass man die Stereotype als das entlarve, was sie eigentlich sind, nämlich »Mythen« ohne Wahrheitsgehalt.

Das passt zunächst gut zu der Feststellung, dass die gängigen Stereotype wenig geeignet waren, den Studierenden zu wirklich qualifizierten Urteilen zu verhelfen. Aber ganz so einfach ist es auch wieder nicht.

Von Natur aus anders

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