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1.5 Feinschlägige Nuancen

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Das Bild sieht nämlich anders aus, wenn man einige Zusatzerfahrungen mitberücksichtigt, die sich in unserer Arbeit inzwischen eingestellt hatten. So zeigt sich etwa, dass die Trefferquote erheblich ansteigt, wenn die Beurteiler über mehr Erfahrung mit der betreffenden Altersgruppe verfügen.

In einer Studie an unserem Institut hatte eine Studentin den Auftrag, die Verhaltensweisen 16-monatiger Kinder beiderlei Geschlechts, die auf Video aufgenommen waren, genau zu analysieren. Die Kinder trugen einheitlich neutrale Kleidung, und Namensnennungen sowie sonstige Hinweise auf das Geschlecht waren auf den Videobändern gelöscht. Die Studentin konnte also nicht wissen, ob es sich bei einem Kind um einen Jungen oder um ein Mädchen handelte; vorgefasste Meinungen über Geschlechtsunterschiede hätten die Auswertung daher nicht beeinflussen sollen.

Dennoch stellte sich heraus, dass es der Untersucherin gar nicht möglich war, keine Mutmaßungen über das Geschlecht der Kinder anzustellen. Wir ließen sie, eher der Vollständigkeit halber, nach Abschluss der Auswertung ihre diesbezüglichen Einschätzungen notieren. Und diese erwiesen sich dann ausnahmslos als zutreffend – die Studentin hatte sich nicht bei einem einzigen der 25 Kinder im Geschlecht getäuscht!

Es muss also bereits in diesem Alter Differenzierungen geben, die dem Experten eine zuverlässige Zuordnung ermöglichen, auch wenn die üblichen Stereotype vielleicht nicht zutreffen. Bei den Verhaltensunterschieden, die sich dann bei der Auswertung dieser Studie objektiv herausstellten, handelte es sich weder um die von Maccoby und Jacklin konstatierten Abweichungen in den kognitiven Stilen – diese manifestieren sich erst viel später im Verhalten –, noch lag es daran, dass die Jungen jetzt schon »aggressiver« waren als die Mädchen. Es handelte sich vielmehr um feinschlägige Unterschiede in der Art und Weise, wie die Babys mit Spielsachen umgingen, wie sie diese manipulierten und untersuchten und wofür sie sich besonders interessierten. Auch in der Interaktion mit der Mutter und in der Reaktion auf eine kurzfristige Trennung von ihr unterschieden sich die Geschlechter.

Wir werden auf diese Ergebnisse noch genauer zu sprechen kommen und haben hier nur auf sie verwiesen, um deutlich zu machen, dass Maccoby und Jacklin in ihrer zugegebenermaßen anerkennenswerten Absicht, Vorurteile abzubauen, offensichtlich über das Ziel hinausgeschossen sind.

Von Natur aus anders

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