Читать книгу Liberté am Blomenhof - Doris Distler - Страница 14

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Unaussprechliches

Suchend sah sich Annamirl um.

»Wao is dei Gaul?« fragte sie schließlich ihren Gast und setzte ein Wieher-Geräusch nach.

Nun schaute auch Napoleon in die Ferne, dann beugte er sich zu der rechts neben ihm stehenden Bauersfrau, rückte sehr nahe an sie heran und deutete mit der rechten Hand an ihr vorbei in Richtung Haus-Ende. Dabei hatte er sie beinahe im Arm. Annamirl spürte die Nähe und die von Napoleon ausgehende Körperwärme sehr wohl und auch ein Flattern in ihrem Bauch war nicht zu leugnen.

»Ici! – Dort!«

Annamirls Blick folgte Napoleons ausgestrecktem Finger und nun entdeckte auch sie das edle Ross. Im Blumenbeet tauchte immer wieder der weiße Pferdekopf aus den Margeriten und Kornblumen des kleinen Zierbeetes auf. Der Vierbeiner schien sich losgemacht und seine Vorliebe für Feldblumen entdeckt zu haben. Offensichtlich fühlte er sich in Annamirls Anpflanzungen pudelwohl.

Entschlossen stapfte die Oberpfälzerin los, ihre Blümchen zu retten. Dabei überwand sie ihre Scheu vor dem großen Tier nur wegen ihrer Erinnerung an die Kämpfe mit Hannes um ein »nutzloses« Beet mit Blumen, wie Hannes Annamirls kleine Oase für die Augen bezeichnet hatte.

»Wos machst denn dao, du Hirnheiner?« flüsterte sie dem Pferd zärtlich ins Ohr, als sie es erreicht und am Zügel genommen hatte, um es aus dem Blumenbeet zu führen.

Zu Napoleon gewandt fragte sie den Pferdehalter: »Wäi hoaßtn des?«

Der Franzose sah sie irritiert an.

»Pferd – Namen!!!« schrie Annamirl Napoleon an. Da er sie nicht verstanden hatte, war sie automatisch lauter geworden, so wie es viele Menschen tun, wenn sie andere Leute vor sich haben und diese etwas nicht verstehen, weil ihr Gegenüber unverständlich genuschelt oder vielleicht oberpfälzisch gesprochen hat.

Napoleon schmunzelte amüsiert.

»Marengo,« sagte er schließlich.

»Oh, schön,« hauchte sie und strich den Schimmel zart über den Hals. »Hat des a Bedeutung? – Sinn?« bohrte sie nach.

»Isch esse gerne Poulet Marengo,« war Napoleons Erklärung.

Nun wurden Annamirls Augen größer und ihr sonst gesund-rosiges Gesicht überzog plötzlich Blässe.

»Is des mit Pferdefleisch?«

»No, no,« beruhigte der Kriegsherr die Bauersfrau. »Ist mit Poulet – Hähnschen, Swiebel, Flusskrebs et Tomate.«

»Kannst du mir sagen, wäi ma des kocht?« wollte Annamirl wissen.

»Je regrette – no, leider nischt. Das ´at immer gemackt mein chef de cuisine.«

»Schad. Sonst hätt ich dir des aa amal kochen kinna.«

Napoleon sah Annamirl verzückt an.

»Das würdest du tun fur misch?«

»Jo fralle,« bestätigte sie und nickte dabei so heftig, dass ihre Oberweite wieder in Bewegung geriet und mit ihr Napoleons Unterleib. Da versuchte Napoleon einen kleinen Vorstoß. Sanft berührte er Annamirls Schulter und ließ seine Hand gleich dort.

»Das sein sehr freundlisch von dir.«

In diesem Moment fuhr die zarte Berührung und Napoleons französische Aussprache wie ein Blitz in Annamirls untere Körperhälfte, woraufhin ihre Beine nicht mehr richtig gehorchen wollten. Sie begann zu wanken. Das Wanken feindlicher Truppenverbände während der Schlacht war für Napoleon stets das erste Anzeichen für einen Sieg. Hier griff er aber nun auch mit der zweiten Hand helfend zu, um sie an beiden Schultern zu stützen.

»Wo Wasser?« fragte er die junge Frau. Diese deutete zum Stall, quer über den Hof.

»Ge´ en wir,« forderte Napoleon die Geschwächte auf.

Um die schwere Holztür des Stadels leichter aufzubekommen, trat Napoleon kräftig dagegen, immer noch Annamirl stützend, die wiederum die Zügel des Pferdes eisern in ihrer Hand hielt. Als die Türe aufging, sah Napoleon, dass in abgetrennten Boxen ein Haflingerpferd, ein Ochse, eine Kuh, zwei Schweine, vier Schafe und zwei Ziegen standen. Im restlichen Raum wuselten Hühner und ein Gockel durch das Stroh. Am hinteren Ende des Stadels stand ein steinerner Trog, der mit Wasser angefüllt worden war. Eine Leiter führte daneben zu einem Dachboden, auf dem Stroh und Heu sichtbar waren.

Annamirl riss sich zusammen und steuerte auf den Wassertrog zu, doch noch immer ließ Napoleon nicht die Hand von ihr, obwohl ihre Schritte sicherer wurden. Während das Pferd trank, sah ihm Annamirl versonnen dabei zu.

»Schäi, dei Marengo,« hauchte sie schließlich.

»Oui, belle,« bestätigte der stolze Tierhalter.

»Wos? Bellen? Mia hom koan Hund.«

»No, no,« korrigierte der Franzose. »Belle est – eh – schön.« Beim Ö verknotete er sich fast seine Zunge.

Verstehend nickte Annamirl und sah dem Pferd weiter zu. Napoleon, der hinter der zwanzigjährigen drallen Bauersfrau stand, hatte währenddessen einen perfekten Ausblick oder eher Einblick in ihr Dekolleté, bewunderte den sanften Schwung ihrer Hals-Schulter-Partie, die kleinen Löckchen, die sich aus dem Knoten gelöst hatten, der mit Stricknadeln festgesteckt war, und die sich im Nacken kringelten.

Plötzlich konnte der Kriegsherr nicht mehr an sich halten. Er schmiegte sich von hinten eng an den Körper der rustikalen Schönheit, seine Finger spielten an Annamirls Arm, seine Lippen und die Zunge an ihrem Hals.

»Ma belle,« stöhnte er in ihr Ohr.

Erst erschrak die Oberpfälzer Bauersfrau, doch dann nahm sie bewusst die zarten Berührungen und das Kribbeln wahr, das ihren ganzen Körper erbeben ließ.

»Isch will disch,« säuselte Napoleon in Annamirls Ohr.

Dieser Satz ließ Annamirl vor Wonne fast in den Knien einknicken.

Noch nie zuvor hatte Hannes sie so berührt oder in solch verlockenden Tönen mit ihr gesprochen. Die Oberpfälzer Aussprache unterschied sich phonetisch doch erheblich von den gesäuselt klingenden französischen Worten.

Die Oberpfälzerin war ausgehungert nach Zärtlichkeit, ohne etwas davon geahnt zu haben. Woher sollte sie so etwas auch kennen? Ihre Kindheit war rau gewesen, ohne Liebkosungen der Eltern - diese hatten sie ebenso wenig erfahren, als dass sie Zärtlichkeit hätten weitergeben können.

Und von einer »Bravo« und einem Dr.-Sommer-Team war man noch fast zwei Jahrhunderte entfernt, überlegte Kathi mitfühlend.

Bei Hannes war es die gleiche Misere gewesen. Woher also Zärtlichkeiten bekommen?

Deshalb wollte Annamirl beherzt bei dieser Chance zugreifen. Sie drehte sich entschlossen zu Napoleon um, berührte ihn zunächst zaghaft, dann immer fordernder und presste nun ihren Körper an seinen.

Napoleon dirigierte sie über sanften Druck an der Schulter zur Leiter, während er sie küsste und liebkoste und als Annamirl die Stufen zum Heuboden erklomm, konnte er die Finger nicht von ihr lassen. Er legte seine rechte Hand auf ihr Hinterteil und spürte den Bewegungen des strammen Pos nach, während Annamirl die Stufen erklomm – oder eher hochzitterte. Ihre Beine fühlten sich wie die warme Blutwurst von gerade an, ebenso wacklig, und sie befürchtete schon, nicht genügend Kraft zu haben. Doch die Sehnsucht nach diesen weichen Berührungen trug sie förmlich nach oben, wo sie sich erschöpft mitten ins Stroh und Heu fallen ließ. Auch der ansonsten durchtrainierte Kriegsherr schnaufte hörbar, als er sich oben neben sie legte. Wieder nahm er die Liebkosungen auf, berührte und streichelte sie, als würde er einen Frauenkörper zum ersten Mal sehen. Sanft fuhr seine Zunge in ihr Dekolleté und Annamirl stöhnte lustvoll auf.

»´ier beissen also diese seltsame Tier,« flüsterte er und biss spielerisch in ihren Busen.

»Ja. Owa beschdimmt niat so schäi, wäi du des machst,« stellte Annamirl fest und räkelte sich wohlig in seinen Armen.

»Oui?«

Womit Napoleon ein Kompliment für sich erheischen wollte, warf neue Fragen bei seiner Gespielin auf, aber sie wollte ihn nicht unterbrechen. Der zog Annamirl sanft aus, entkleidete sich dann selbst und kuschelte sich neben sie ins Heu, das etwas piekste. Aber da hatte Napoleon schon Schlimmeres erlebt und behände machte er sich wieder daran, den Körper dieser wunderbaren Frau zu erforschen und ihr Lustgefühle zu bereiten und damit auch sich selbst. Annamirl hatte mittlerweile jeden Anflug eines schlechten Gewissens über Bord geworfen und wollte nur eines: mit jeder Faser ihres Körpers genießen. Und das tat sie.

So gäits also aa, stellte sie für sich fest. Bisher kannte sie nur die ruppige und für sie manchmal schmerzhafte Variante ihres Gatten.

Dao kannt se der Hannes owa a Scheibm abschnein. Aber erzählen konnte sie ihm das ja schlecht.

Inzwischen war Hannes am Stall vorbei gegangen und hatte ein vermeintliches Quieken und Fiepsen für Lautäußerungen seiner Hausschweine gehalten.

»Wos hom´s denn wieda?« brummelte er, machte die Stalltür einen Spalt auf und sah, dass Friedl und Wastl grunzend fraßen. Er kannte das ja, dass die Schweine manchmal sehr menschlich (und umgekehrt) waren und sich auch einmal um Futter stritten.

Der vermutete Schweinestreit war Annamirls Höhepunkt ihres bisherigen zwanzigjährigen Lebens gewesen. Sie hätte sterben können, so schön war es und eine zarte Welle der Verliebtheit floss von ihr zu Napoleon und von diesem wieder zurück. Noch nie hatte der erfahrene Franzose so viel Natürlichkeit und ehrlichen Genuss erlebt.

Als beide plötzlich Pferdehufe und laute französische Stimmen hörten, zogen sie sich hastig an.

»Isch komme wieder zu dirr,« raunte Napoleon seiner Geliebten zu.

Liberté am Blomenhof

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