Читать книгу Liberté am Blomenhof - Doris Distler - Страница 15
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Dout dia wos wäih? Wos is´n lous, Wei?« Hannes rüttelte an der Schulter von Annamirl, die nun endlich erwachte. Hannes hatte sich sitzend im Ehebett aufgerichtet und zeigte eine Sorgenfalte auf der Stirn, sein Blick war bestürzt und verwirrt. Solche Lautäußerungen seiner Ehefrau waren ihm gänzlich fremd.
»Ha? Wos is?« war die Gegenfrage seiner Gattin, die durch sein Schütteln erwacht war.
»Du host so komisch dou, g´stöhnt und g´schria. Ganz narrisch.«
Hannes schüttelte den Kopf. Er schien sich ernsthaft Sorgen zu machen, was Annamirl einerseits mit Freude erfüllte, weil es zeigte, dass er sich noch immer etwas aus ihr machte, andererseits schalt sie sich selbst insgeheim aus. Wie konnte sie nur! Seit einem halben Jahr träumte sie immer wieder von dem zärtlichen Besucher, der für das schönste Erlebnis ihres bisherigen Lebens gesorgt hatte. Noch schöner als das erste Fensterln von Hannes damals. Nun war der Winter schon fast zu Ende und bald würden ihre Blumen wieder blühen, die Marengo so gerne verspeist hatte und sie hatte keine Ahnung, ob der Franzose wiederkommen würde. Versprochen hatte er es. »Napfi«, wie Annamirl ihren Galan für sich nannte, hatte noch am Tag ihres glücklichen Zusammentreffens zurückgemusst. »Isch muss kehren rück,« hatte er ihr ins Ohr geflüstert, »aber isch komme wieder zu dirr!«
Dann hatte er noch ein Fassl Bier auf dem Rücken seines schönen Schimmels Marengo festgezurrt – damit wollte er seinen Soldaten Mut machen und einen Beleg abliefern, »dass Obere Falz is charmant et humanité«, dann war der Prinz auf dem weißen Pferd davon geritten. Tränen hatten in Annamirls Augen geglitzert, als nur noch das Hufgetrappel zu hören war.
Hannes hatte dagegen mehr interessiert, wie sein selbstgebrautes Bier wohl ankäme. »Auweia, wenn des bloß guat gäiht,« hatte er vor sich hingemurmelt. Damit meinte er das später vermutlich überschäumende Bier beim Anstechen des Fasses und nicht etwa die motivierten Soldaten, die Castiglione und Rovereto belagerten und nun vermutlich noch etwas besser durchhielten.
Im Moment hatte Annamirl klassischen Liebeskummer. Sie nahm sich vor, einfach weiter zu machen wie bisher, dann würde ihre Stimmung schon wieder so werden wie zuvor.
Kathi litt mit Annamirl, deren hinterfotziges Unterbewusstsein sie Nacht für Nacht an das schöne Erlebnis erinnerte und regelmäßig stöhnen ließ.
Da Hannes normalerweise laut schnarchte, bekam er das nicht mit. Bis auf heute Morgen, wo er früher als seine Ehefrau wach geworden war. Und nun zerbrach sich der achtundzwanzigjährige Hannes den Kopf, was mit Annamirl los sein könnte.
»I mou aufs Heisl,« sagte diese jetzt und schlug die Bettdecke zurück. Sie sprang aus ihrer Bettseite, schlüpfte in eine Jacke und in ihre Schuhe und stapfte die Stiege nach unten zum ausgelagerten Holzhaus mit Herzl in der Tür, ihrem Plumpsklo. Das Ganze hatte sie so schnell gemacht, dass Hannes ihre Gesichtsröte nicht sehen konnte.
Während Annamirl ihren morgendlichen Toilettengang etwas hinauszögerte, grübelte Hannes noch immer, was mit ihr los sei. Da kam ihm eine Idee: Seine Frau hatte ein Gericht aus getrockneten Pilzen zum Abendessen gemacht. Ein wahrer Genuss war das gewesen! Hatte sie womöglich beim Sammeln einige Pilze verwechselt? Einen Tiger-Ritterling mit einem Erdritterling womöglich vertauscht? Oder den fleischrötlichen Giftschirmling mit dem Maipilz? Oder womöglich den leuchtenden Ölbaumpilz mit einem Pfifferling? Oder hatte Annamirl gar eine Morchel erwischt? Oder einen Krempling?
Hannes wurde selbst mulmig im Magen. Aber eher wegen der Vorstellung des Fiaskos. Wenn seine Frau auf dem Hof ausfallen würde – nicht auszudenken! Er selbst hatte beim Gericht schmatzend mitgegessen und er spürte keinerlei Bauchgrummeln, nichts.
Unterdessen war Annamirl fertig mit ihrem Geschäft und ging vom Herzlhäusl direkt zu ihrem Blumenbeet. Die ersten Knospen spitzten schon aus dem Boden.
Wieder fiel sie in einen tranceähnlichen Zustand, als sie daran dachte, wie Napfis Pferdl Marengo ihre Blumen genossen hatte. Eine Träne stahl sich aus ihrem linken Auge. Da sah sie ihn, den kleinen blauen Schmetterling. So früh im Jahr? Annamirl schüttelte verwundert den Kopf. Aber sie wusste nun: Sie würde ihren Geliebten wiedersehen. Der Schmetterling hatte ihr das klar gemacht. Denn die Seherfrauen in der Oberpfalz waren schon damals keine Seltenheit.
Froh gestimmt und mit neuem Mut ging sie zum Haus zurück und kehrte gleich in die Küchenecke der Stube ein, wo sie das Frühstück für sich und Hannes zubereitete. Sie musste einfach warten, bis ihr Napfi wieder zu ihr kommen würde. Sie würde das aushalten, das wusste sie. In der Zwischenzeit würde sie einfach ganz normal wie vorher mit Hannes weiterleben.
Zur Hölle mit dem Unterbewusstsein! Dem würde sie es durch ihren starken Willen und Sturkopf schon zeigen, wer Herrin war.