Читать книгу Liberté am Blomenhof - Doris Distler - Страница 17
ОглавлениеEntscheidungen
Napoleon war vom Direktorium abberufen worden, um seine Truppen in Richtung Süden in Marsch zu setzen. Er sollte einen Straffeldzug gegen den damaligen Papst Pius VI. beginnen.
Als er in den einzelnen Lagern auf dem Weg nach Italien seinen Leuten von dem guten Gailerschen Bier abgab, war der Jubel mindestens so üppig wie der Schaum, der beim Einschenken in die Becher entstand. Auch wenn das Bier durch die Hitze etwas gelitten hatte – die Soldaten bemerkten es nicht im Vergleich mit ihrer üblichen Verpflegung. Und das Schäumen tat der guten Stimmung keinen Abbruch. Selten hatten napoleonische Truppen so fröhlich Krieg geführt wie unter dem Einfluss des oberpfälzischen Biers. Das war auch der Grund, warum die Soldaten so motiviert waren und eine Schlacht nach der anderen gewannen.
Napoleon genoss die Dankbarkeit der Kameraden und ihre Anerkennung, doch wenn er nachts im Zelt lag, fand er kaum Schlaf. Immer wieder musste er an ein Bild von Annamirl denken, das er vor seinem inneren Auge hatte: die junge bayerische Schönheit im Dirndl, als sie die Geschichte mit den Wolpertingern übersetzte.
Napoleon dachte an den Biss des gefährlichen Viechs, der mit Charivari-Ketten abgewehrt werden musste und sofort begann sich wieder etwas in seinen Lenden zu regen, wenn er an die entsprechende Körperstelle bei Annamirl dachte. Sie hatte das militärische Genie wohl doch mehr verwirrt, als er sich selbst eingestehen wollte.
Wenn er so nachdachte, gefiel ihm dieser Schlag von Frauen ausnehmend gut: Zupackend, entscheidungsfreudig und sehr offen für Neues – das wäre das perfekte Volk für ihn, Napoleon, den Eroberer Europas und Bayerns samt der Oberpfalz.
Also beschloss er, künftig mehr zusammen mit dem Volksstamm der Bayern zu machen. Wenn ihre Männer nur halbwegs so waren wie ihre Frauen, konnte er mit ihnen den Rest der Welt erobern, Russland zum Beispiel. Oder Franken. Und diese widerspenstigen und verschlossen-spitzbübischen Gesellen endlich Mores lehren.
Wenn er morgens aufstand, um Kaffee zu trinken, sah er fast täglich einen kleinen blauen Schmetterling vor dem Zelt flattern, unabhängig von ihrem jeweiligen Standort, ob in Bologna, Rimini oder Ancona. Als er ihn zum dritten Mal sah, wusste auch er: er würde Annamirl wiedersehen.
Daraufhin besorgte er Mitbringsel für seine Angebetete: Cantuccini mit Mandeln, Rotwein, Olivenöl und getrocknete Tomaten. Die Cantuccini, dieses kleine süße Mandelgebäck, würden ihr bestimmt schmecken und sie würde sie ihm sicher aus der Hand fressen. Er lächelte versonnen vor sich hin.
Alle Einkäufe ließ Napoleon sorgfältig von seinem Adjutanten in seinen Tornistern verstauen, die er mitbringen würde, wenn er endlich wieder in der Nähe von Bayern sein würde.
Das dauerte aber noch bis Ende November des Jahres 1796.
So lange war er im Schlachten-Dauerstress – beinahe schon wieder Burn-out-gefährdet, überlegte Kathi, wie schon bei seinem Ausbüchser in die Oberpfalz damals, als er einmal zur Ruhe gekommen war.
Nachdem Napoleon Licht am Ende des Tunnels in Form einer kleinen Auszeit sah, ließ er Marengo satteln, zurrte die Tornister mit den Geschenken auf dem Rücken des Pferdes fest, steckte noch ein paar Kleidungs- und Goldstücke ein und machte sich von Rivoli auf nach Neumarkt in der Oberpfalz. Damit er dabei nicht über Österreich reisen musste – er mochte die Österreicher nicht und hatte sich mit ihnen manche Schlacht geliefert und auch in Neumarkt waren sie als Störenfriede aufgetaucht – wählte er eine möglichst direkte Route über die Schweiz und Liechtenstein. Den Fürsten von Liechtenstein kannte er von früheren Treffen und er verstand sich gut mit ihm. Er freute sich auf ein Wiedersehen, würde dort übernachten können, etwas Gutes zu Essen bekommen und sich erfrischt auf die Weiterreise machen.
Ein Mann, ein Gedanke, also ritt er, und ritt und ritt...