Читать книгу Liberté am Blomenhof - Doris Distler - Страница 18
Оглавление26. November 1796
Der Himmel war bewölkt, es war trüb und beinahe dämmerig, obwohl es erst früher Nachmittag war. Annamirl saß am hölzernen Esstisch in der Stube und flickte Löcher in den Socken und Unterhosen ihres Mannes, während ein Feuer im Kamin loderte und behagliche Wärme verbreitete.
Auf einmal tauchte ein Kopf am Fenster auf, der in das Zimmer sah und Annamirl erschrak zutiefst – bis sie das Gesicht erkannte. Sie warf das Flickzeug auf den Tisch und sprang hoch, rannte zur Haustür und rief nach draußen: »Ja gräiß di! Kumm rei! I wart ja schou so lang auf di!«
Als Napoleon um die Hausecke trat, rannte sie ihm entgegen, ungeachtet der mittlerweile empfindlichen Kälte. Sie flog ihrem Traummann förmlich um den Hals. Dieser ließ seine Tornister fallen, umarmte sie ebenfalls, bedeckte sie mit Küssen und flüsterte zärtlich:
»Isch abe disch so vermisst! Keine Nackt konnte isch ruhig schlafen.«
»Und i hob dramt. Geträumt. Ach Napfi, wäi schäi, dass´d dao bist. Kumm rei!« Damit zog Annamirl ihren Geliebten am Ärmel in Richtung Haustüre.
»Wo ist ´annes?« wollte der Kriegsherr vorsichtig wissen.
»Weg. Er is am Saalamack. Dao kummt er vor achte am Aumd – am Abend – niat hoam, weil er danach nu ins Wirtshaus gäiht. Kumm!« Und wieder forderte ihn Annamirl per Handzeichen auf, ihr ins warme Haus zu folgen. Beide mussten sich erst wieder an ihre Sprachschwierigkeiten gewöhnen. Aber das taten sie gerne mit einer Ahnung der Freuden, die ihnen bevorstehen würden.
Napoleon hob seine Tornister auf und ging, hinter der Oberpfälzerin her, deren verlängerten Rücken er am liebsten gleich berührt hätte. Doch noch hatte er keine Hand frei.
Als beide in der warmen Stube standen, fiel ihm Annamirl erneut um den Hals. Diesmal busselte sie ihn ab, wo sie nur ein freies Stück Haut erblickte. Napoleon ließ sich die Begrüßung gerne gefallen.
»Host Hunger? Wüsd wos essen?« fiel Annamirl ein. Ihr Gast sah etwas mitgenommen und abgemagert aus.
»Oui, gerne,« erwiderte Napoleon, der seine Tornister öffnete und nun ein Geschenk nach dem anderen herausholte.
Annamirl bekam große Augen.
»Wos is denn des?« wollte sie wissen. »Und waoher host du des?«
»Das ist aus Italia, feine Dinge zu esse. Mags du probieren?« Und schon packte Napoleon die Cantuccini aus, holte zwei der Gebäckstücke aus dem Papier und hielt eines Annamirl an die Lippen.
»Versusche es,« forderte er sie auf und biss selbst in ein Cantuccino, dass es krachte.
»San des Plätzla??«
Napoleon sah die Bauersfrau fragend an.
»Plätzchen moan i?«
Noch immer hatte Napoleon keine Ahnung, was sie meinte.
Da biss Annamirl beherzt ein Stück ab und kaute und genoss sichtlich.
»Oh is des guad!« Es war beinahe ein Aufschrei.
»Da brauch i des Rezept. Besorgst du mir des? Bitte, bitte!« Beinahe winselte sie ihn an.
»Dazu brauscht du Mandeln und Suckerr. ´ast du?«
Annamirl schüttelte den Kopf.
»Kein Problemm. Isch besorge Resept un Mandeln, wenn isch gehe retour.«
Annamirls Miene heiterte sich sichtlich auf. Dann bewölkte sie sich wieder.
»Wann wüsd du wieda zruck? Ah, retour?«
»Nisch so bald. Wir aben Joel, ehm, Weihnackt-Pause in Italia und isch muss erst in Januar wieder retour.«
Diese Neuigkeiten zauberten ein Lächeln zurück auf das Gesicht von Annamirl.
»Dann hom mia ja richtich Zeit mitanand!« Sie hüpfte wie ein kleines Kind oder eine vom Wolpertinger gebissene Frau im Esszimmer herum.
»Oui, wir aben Seit für uns,« bestätigte Napoleon und nahm Annamirl aus ihrem Hüpfen heraus in die Arme, um ihr einen sanften Kuss zu geben.
Annamirl schmolz dahin. Wie sie diese Zärtlichkeit vermisst hatte!
Schnell packte sie Napoleon am Handgelenk und zog ihn hinter sich her aus dem Raum in den Flur und die Stiege hoch ins Schlafzimmer. Oben angekommen, stieß sie ihn vorsichtig ins Bett und Napoleon gab dem gerne nach, vor allem als Annamirl sich neben ihn auf die Bettstatt fallen ließ und begann, ihn von seiner Kleidung zu befreien.
Plötzlich hielt sie inne.
»Um Gotts Willn, du host ja Hunga! Wüsd du äitz wos essen?«
»Oui, isch habe unger, abe erst isch will disch vernaschen.« Napoleon legte sich sanft auf sie und küsste sie erneut. Und so nahmen die unsäglichen Dinge im Hause Gailer im Blomenhof ihren Lauf, als Hannes im Wirtshaus hockte und mit seinen Freunden ratschte, zwei Bier und einen Schnaps trank und dabei Neues von einem französischen Kriegsherrn erfuhr, der sehr erfolgreich sein sollte und sogar die Österreicher aus Italien vertrieben haben soll.
»Des kann bloß der Napoleon sei,« äußerte er seine Überlegungen. »Wann der wohl wieder amoi kummt?«
»Du moanst den Franzosen Napoleon, ha?« fragte sein Freund Sepp Inzinger nach.
Hannes nickte. »Genau den moan i.«
»Ah gäih, du spinnst ja. Waoher wüsd äitz du den kenna?« fragte Sepp ungläubig nach, unterlegt von einer wegwerfenden Handbewegung.
»Der is amoi zu uns kumma, wäi er in der Gegend woar.«
»Naa, des gibt’s doch niat!« Ungläubig staunte ihn Sepp an. »Kannst den niat amoi ins Wirtshaus mitbringa?«
Hannes wiegte seinen Kopf hin und her.
»I woaß niat, ob der des wü. I fraog´n halt amoi.«