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Die Grünpflanzen wuchsen und wucherten in der hellen Einzimmerwohnung. Julie und Christian hatten es sich gemütlich gemacht mit dem ausziehbaren Schlafsofa, dem alten, abgebeizten Küchentisch mit der riesigen Schublade, in der sie Besteck und viele Kleinigkeiten verstauen konnten, mit Klappstühlen, einem Kleiderschrank, Bücherregalen und zwei Schreibtischen, die sie so stellten, dass sie Rücken an Rücken saßen, um sich bei der Arbeit nicht abzulenken. Für Bilder war an den Wänden kein Platz, doch die winzige Küchenzeile beklebten sie mit bunten Postkarten, die sie mit der Zeit von Freunden und Bekannten bekamen.

Wenige Wochen nach dem Einzug fuhr Christian zu seinen Eltern. Er hatte etwas bei einer Behörde zu regeln. Julie wunderte sich, dass er sie nicht gefragt hatte, ob sie mitkommen wollte. Aber im Grunde war sie froh darüber, weil sie eine Seminararbeit schreiben musste. Außerdem vermutete sie, es ginge um Formalitäten wegen seines Umzugs.

Als Christian am nächsten Abend zurück war, deckte er sorgfältig den Tisch für das Abendessen, rückte die Kerzenleuchter zurecht, faltete die Servietten und stellte Rotweingläser neben die Teller. Er mochte es, stilvoll zu essen und Julie zu verwöhnen. Julie ließ sich gerne verwöhnen. Es war für sie eine neue Erfahrung, denn zu Hause war sie in keinster Weise verwöhnt worden.

Christian ließ seinen Blick prüfend über den Tisch gleiten.

„Weißt du, wo ich heute Morgen war?“ Er zupfte das Tischtuch zurecht.

Julie angelte konzentriert im Topf nach den Tagliatelle, um zu prüfen, ob sie fertig waren. Ständig rutschen ihr die Teigbänder vom Kochlöffel.

„Hm? Nein.“

„Ich war auf dem Einwohnermeldeamt.“

Sie hatte es immer noch nicht geschafft, Nudeln über den Kochlöffel zu hängen. Sie legte ihn weg und nahm den großen Schöpflöffel aus der Tischschublade.

„Wie schön du gedeckt hast.“

Ja, so war es kein Problem mit den Nudeln.

„Ich habe alle Unterlagen besorgt, die wir für unsere Hochzeit brauchen.“

Der Schöpflöffel platschte in den Topf. Christian stand jetzt neben Julie und fischte den Löffel samt Nudeln heraus.

„Die Papiere sind nur ein halbes Jahr gültig.“

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Julie die Sprache wieder fand.

„Das ist ein Heiratsantrag, stimmt´s?“ Sie sah ihn verdutzt an. „Dann könnten wir nach dem Essen eine Liste machen von den Leuten, die wir einladen wollen.“ Übermütig hüpfte sie durch das Zimmer. „Du darfst jetzt die Braut küssen.“

„Wie denn, wenn sie nicht ruhig hält!“

Beide waren ausgelassen und gleichzeitig bewegt. Christian ließ Julie nicht mehr los und tanzte mit ihr durch die kleine Wohnung. Dann öffnete er den Kühlschrank und holte eine Flasche Sekt heraus, die er ganz hinten versteckt hatte.

Julie hielt Christian zwei Sektschalen entgegen, als er den Korken knallen ließ. „Auf uns.“ Die Gläser klirrten.

Bei Tisch wurde Christian kleinlaut. „Aber meinen Eltern müssen wir es gemeinsam sagen, alleine traue ich mich nicht.“

Julie drehte ihre Nudeln auf die Gabel. „Erinnerst du dich an den Satz Was mich nicht umbringt, macht mich stärker? Ich weiß jetzt, auf was sich der bezogen hat, auf unsere Eltern!“

***

Dass ihre unverheiratete Tochter mit einem Mann zusammenlebte, wollten Julies Eltern nicht wahrhaben und taten vor sich und anderen alles, um es zu verbergen. Aber die hartnäckigen Fragen von Tante Lisbeth nach der Wohnform von Julie und Christian waren immer schwerer zu beantworten und wurden langsam lästig. Deshalb waren Julies Eltern über die Aussicht auf eine Hochzeit heilfroh.

Christians Eltern waren hingegen entsetzt. Wie versteinert saßen beide beim Abendbrot, als Christian die Neuigkeit verkündete. Er hatte es den ganzen Tag vor sich hergeschoben, obwohl ihm Julie oft mit rollenden Augen ermutigend zugenickt oder einen kleinen Stoß in die Rippen verpasst hatte.

„Wir wollen keine Beschwerden hören, wenn es schiefgeht“, war der einzige Satz seiner Mutter.

Der rosa Wolkenbruch

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