Читать книгу Der rosa Wolkenbruch - Dorothea Böhmer - Страница 18

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Die Wohnung war dunkel. Obwohl Julie wusste, dass Christian nicht da sein würde, hatte sie es tief im Herzen gehofft. Der Anrufbeantworter blinkte. Bixi, eine ehemalige Studienkollegin, teilte ihr mit, dass sie nach Hamburg umzog und erwarte, dass sich Julie bei ihr melden würde. Ausgerechnet Bixi, dieser Energievampir. Sie war eine der Personen, auf die Julie gut verzichten konnte. Bixi konzentrierte sich ausschließlich auf das Negative im Leben und sprach schlecht über andere. An Pannen in ihrem Leben hatten natürlich auch nur andere Schuld, niemals sie selbst. Sicher sprach sie auch über Julie schlecht, denn wieso sollte Julie die einzige Person sein, über die Bixi nicht herzog. In Bixis Gegenwart spürte Julie, wie ihre Kraft schwand. Julie drückte auf den Löschknopf. Müde von den Ereignissen der letzten zwei Tage, vom Reden und Rotwein ging sie zu Bett und schlief sofort ein.

Am nächsten Vormittag rief Julie bei verschiedenen Ehe-, Familien- und Lebensberatungen an, sie ließ sich Adressen und Telefonnummern von Psychotherapeuten geben. Bald hatte sie eine Liste zusammengestellt. Den Nachmittag verbrachte sie damit, ihr neues Zimmer einzurichten. Julie konnte kaum erwarten, bis Christian nach Hause kam und war erleichtert, als sich der Schlüssel im Schloss drehte.

„Christian, ich muss mit dir reden. Sophie hatte gestern eine gute Idee.“ Er war reserviert, als sie ihn so überfiel. Sie standen noch im Flur und Julie fasste bereits ihren gestrigen Abend zusammen.

„Ich habe Telefonnummern von Therapeuten besorgt und muss nur wissen, wann du Zeit hast.“

Christian sah verschlossen aus. „Ich will zu keinem Therapeuten. Ich bin nicht krank und muss nicht geheilt werden. Ich will einfach schwul sein.“

Widerstand. Wie Julie befürchtet hatte. „Darum geht es nicht. Es geht darum, herauszufinden, ob du schwul bist, weil du schwul bist oder ob es mit uns zu tun hat, dass du schwul bist.“

„Ich weiß, dass ich schwul bin, und ich werde mich von niemandem davon abbringen lassen“, stieß Christian hervor.

„Dann geh wenigstens mir zuliebe mit.“

„Ich will nicht.“ Christian ließ Julie stehen, ging in sein Zimmer und machte die Tür hinter sich zu.

Julie verschwand in ihr Zimmer, knallte die Tür zu und warf sich auf das Bett. Sie weinte, bis sie vor Entkräftung einschlief.

Julie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie das leichte Klopfen an der Rauchglasscheibe hörte.

Christian blieb im Türrahmen stehen.

„Ich habe es mir überlegt. Wenn es für dich wichtig ist, komme ich mit zum Therapeuten. Vielleicht hast du Recht und es ist das Beste für uns beide. Du kannst einen Termin ausmachen. In den nächsten Tagen geht es bei mir immer nachmittags. Und noch etwas. Pamela hat mich heute in der Bank angerufen, ich habe ihr alles erzählt. Sie kommt morgen vorbei, weil sie meint, es täte dir gut, mit ihr zu reden. Außerdem will sie hier Wäsche waschen.“

Julie nickte. „Was machst du heute Abend?“ Sie wollte so gerne bei ihm sein.

„Ich gehe ins Kino.“

Julie nahm ihren ganzen Mut zusammen. „Kann ich mitgehen?“

Christian zögerte. „Nein, ich möchte alleine sein.“

Er verließ ihr Zimmer. Wie oft hatte sie sich gewünscht, dass er klar Stellung beziehen sollte. Jetzt konnte er es von einem Tag auf den anderen.

***

Wieso kam Pamela? Julie ärgerte sich. Sie konnte Christians Cousine nicht leiden. Gerade mit ihr wollte Julie überhaupt nicht sprechen. Abgesehen davon war sie sich sicher, dass Pamela vor allem vorbeischaute, um Wäsche zu waschen und nicht um mit ihr zu reden. Pamela war etwas älter als Julie und hatte sie gleich beim ersten gemeinsamen Treffen, als Christian sie beide einander vorstellte, auf die Seite genommen.

„Weißt du, Christian ist nett, ein richtig guter Kerl, aber er ist zu weich für einen Mann. Ich stehe eher auf Machos.“ Die Machos auf die sie stand, waren verheiratete Männer oder sehr junge Männer, die Erfahrungen sammeln wollten. Pamela schlitterte von einer Affäre in die nächste. Doch kaum hatte Pamela erfahren, dass Julie und Christian heiraten wollten, gab sie eine neue Version zum Besten: „Christian war schon immer mein Traummann. Wenn wir nicht so nahe verwandt wären, hätte ich ihn geheiratet.“ Julie spürte Pamelas Eifersucht, merkte aber, dass sie auch selber eifersüchtig wurde, obwohl sie wusste, dass Christian ihr dafür keinen Anlass gab. Pamela drängte sich penetrant und permanent in ihr Leben. Wie oft war sie bei Julie und Christian „auf einen Sprung“ vorbeigekommen, um sich unter fadenscheinigen Gründen irgendetwas von Julie auszuleihen. Einmal die neue schwarze Ledertasche, ihre wäre kaputt gegangen, ein andermal den neuen Mantel, ihrer sei in der Reinigung. Das Futter der Ledertasche war danach ruiniert, weil Pamela Pflaumen hineingeschüttet hatte, und am Mantel waren Knöpfe abgerissen. Christian hielt alles für unglückliche Zufälle.

Julie bemühte sich, nicht an den bevorstehenden Besuch Pamelas zu denken, sie hatte genug Probleme am Hals. Es war jetzt wichtig, schnellstens einen Termin mit einem Psychotherapeuten zu vereinbaren. Obwohl Julie lieber eine Therapeutin aufgesucht hätte, hatte sie beschlossen, einen Mann auszuwählen. Sie glaubte, es sei für Christian einfacher, mit einem Geschlechtsgenossen über alles zu reden, da er sich ja gerade von einer Frau, von seiner Frau, von ihr, lösen wollte.

Sie telefonierte die Liste ab und erhielt für einen kurzfristigen Termin Absage über Absage. So schwer hatte sie sich die Suche nicht vorgestellt. Sämtliche Therapeuten hatten Wartezeiten von mehreren Wochen oder Monaten. Nein, sie durfte sich nicht entmutigen lassen, sie musste jemanden finden, der in den nächsten Tagen einen Termin frei hatte. Kurzentschlossen griff Julie zum Branchenbuch, suchte bei den Psychologen die Sparte Ehetherapie und fing bei A an. Nach ungefähr 30 Anrufen hatte sie Glück. Herwig Blicker war nicht nur selbst am Telefon, sondern hatte auch freie Termine. Übermorgen um 15.00 Uhr. Julie atmete durch.

Der rosa Wolkenbruch

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