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IV. Produktion und Verbreitung von Literatur

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Der ‚Literaturbetrieb‘ war in augusteischer Zeit gut organisiert und kommerzialisiert. Entwürfe wurden auf Schreibtafeln und Papyrus notiert. Lyriker pflegten selbst zu schreiben, ‚große Werke‘ wie Epen oder historische Schriften wurden oft diktiert. Privatabschriften kursierten im kleineren vertrauten Kreis, für Breitenwirkung sorgte ein Verleger, der Kopisten beschäftigte. War er sorgfältig, so gab er die Kopien einem corrector, der die unvermeidlichen Schreib- und Hörfehler korrigierte. Die Abschriften wurden vom Buchhändler verkauft, der auch mit dem Verleger identisch sein konnte; die Sparten von Buchherstellung, -vertrieb und -verkauf waren noch nicht getrennt. Autorenhonorare waren unüblich; die weite Verbreitung des Werkes sicherte aber Popularität und erschloss damit das Potential reicher Sponsoren.

Rezitation

Ein Großteil des Publikums konsumierte Literatur als Hörer. Die Auflage der Werke orientierte sich deshalb nicht in erster Linie an den Bedürfnissen eines Lesepublikums, sondern an denen von Rezitation und Aufführung. Öffentliche Lesungen fanden im kleineren Kreis, aber auch in großen Auditorien statt; ausgerichtet wurden sie von den Autoren selbst, von ihren Gönnern, von den Verlegern oder vom kaiserlichen Hof.

Zensur

Eine Zensur fand in augusteischer Zeit in begrenztem Umfang statt, vor allem im Hinblick auf die politisch unmittelbar wirksamen Gattungen von Historiographie und Rede. Die Disziplinierungsmaßnahmen reichten von der Verbannung von Werken aus den öffentlichen Bibliotheken über deren öffentliche Verbrennung bis hin zu persönlicher Verfolgung der Autoren. Bezeugt ist, dass die Werke des Redners und Historikers Titus Labienus verbrannt, der Rhetor Cassius Severus verbannt wurde; an Ovids Relegation aus Rom hatte nach seinen eigenen Angaben seine Ars amandi Anteil, seine Werke wurden wohl nicht generell verboten, aber doch aus den öffentlichen Bibliotheken entfernt.

Bibliotheken

Konzept und Ausstattung der ersten Bibliotheken Roms stammten aus Griechenland, wo römische Feldherren (Aemilius Paullus; Sulla; Lucullus) die Büchersammlungen besiegter Feinde beschlagnahmten und ihren Söhnen schenkten. Eine Privatbibliothek besonderen Ausmaßes ist in einer Villa in Herculaneum (Casa dei Papiri) aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. erhalten; beim Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. wurden hier rund 1800 Schriftrollen verschüttet und auf diese Weise für die Nachwelt bewahrt (papyri Herculanenses).

Als erster plante Caesar eine öffentliche Bibliothek in Rom. Sie sollte aus zwei Teilen bestehen, einer Bibliotheca graeca und einer Bibliotheca latina. Sein Tod verhinderte die Umsetzung dieses Projekts. Caesars Feldherr Asinius Pollio (76 v.–4 n. Chr.), der später auch Augustus nahe stand, ließ circa 39 v. Chr. aus eigenen Mitteln (er war im Bürgerkrieg reich geworden) die erste öffentliche Bibliothek in Rom einrichten. Zwei weitere Bibliotheken stiftete Augustus selbst; die eine befand sich im direkten Anschluss an sein Haus auf dem Palatin, wo sie mehrmals abbrannte und erneuert wurde; die zweite lag in der nach seiner Schwester Octavia benannten Säulenhalle (porticus Octavia).

Das Publikum

Das Engagement, mit dem Maecenas und Messalla römische Autoren protegierten und literarische Werke anregten und einforderten, die Beharrlichkeit, mit der Augustus zeitgenössischen Schriftstellern panegyrische Dichtung nahe legte und die in Einzelfällen praktizierte Zensur und Schriftenverbrennung – all das führt zu dem Schluss, dass Literatur in augusteischer Zeit weit mehr war als der intelligente und ästhetisch anspruchsvolle Zeitvertreib einer kleinen elitären Schicht. Die Mächtigen sahen in ihr ein Instrument, politische Prozesse zu beeinflussen. Es ist unwahrscheinlich, dass sie sich geirrt haben; wir müssen davon ausgehen, dass die Autoren ein breites und aufgeschlossenes Publikum fanden, das ihre Werke intensiv rezipierte und ausgiebig diskutierte.

Dieses Publikum war mit der griechischen und römischen Literatur weitgehend vertraut. Zu den Schulautoren gehörten in augusteischer Zeit die Epen und Bühnendichtungen von Livius Andronicus (3. Jahrhundert v. Chr.), Naevius und vor allem Ennius. Auch die erste Begegnung mit den Griechen fand in der Schule statt: Homer, die griechischen Tragiker – besonders Euripides –, die Komödien von Aristophanes und Menander (um 342/41–293/292 v. Chr.) und die Reden des Demosthenes bildeten das Zentrum des Kanons. An diesen Werken (vor allem an Homers Epen) erwarb man die Sprachkompetenz, sie dienten zugleich zur Belehrung in historischen, geographischen, religiösen beziehungsweise mythologischen und grammatischen Fragen und den verschiedensten technischen Disziplinen. Der Umgang mit ‚native speakers‘ – ob es sich nun um Sklaven, bezahlte Tutoren oder aber in Rom wirkende Philosophen, Redelehrer oder Gewerbetreibende handelte – sowie der für ambitionierte junge Männer fast obligatorische Aufenthalt in Athen zur Vollendung der Ausbildung bewirkten, dass zumindest die Oberschicht das Griechische geläufig aktiv und passiv beherrschte. Die Unterweisung durch den grammaticus und den Redelehrer schärfte die Aufmerksamkeit für sprachliche Strukturen und rhetorischen Schmuck und rhetorische Strategien. Die gängige Schulpraxis, größere Passagen der Literatur auswendig zu lernen, vermittelte ein sicheres Gefühl für Prosodie und Metrik und garantierte zugleich in der an Anspielungen und Zitaten reichen Literatur das intellektuelle Vergnügen des Wiedererkennens.

Die antiken Kommentare geben Hinweise, wie das Publikum die Werke rezipierte. Dabei entsteht der Eindruck, dass Fragen wie die nach Komposition und Struktur, aber auch ein Großteil der sonstigen heute üblichen Fragen eines Interpretationsvorgangs nicht gestellt wurden. Die Hauptfragen römischer Kritiker – und vermutlich auch Leser – scheinen die folgenden gewesen zu sein: Worum geht es? Wie wirkt es auf mich? Wie erreicht es diese Wirkung? Neben diesem in erster Linie durch die Regeln der Rhetorik beeinflussten Zugang tritt dann noch das Interesse an dem Zusammenhang zwischen dem Werk und der Biographie seines Autors und die Suche nach Anspielungen auf politische oder gesellschaftliche Gegebenheiten (Jones/Sidwell 1997, 263).

Die Literatur in der Zeit des Augustus

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