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II. Rom unter Augustus

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Marcus Antonius und Octavianus

Das Ende der Republik ist im Grunde schon im Jahr 42 v. Chr. mit der Niederlage der Caesar-Mörder in der Schlacht von Philippi besiegelt. Noch ist offen, wer Caesars Erbe antreten wird. Marcus Antonius beruft sich auf seine langjährigen Leistungen im Dienst des Staates und Caesars; Octavianus, ein Großneffe Caesars und von diesem testamentarisch adoptiert, versteht sich als legitimer Erbe. Der Konkurrenzkampf dieser beiden Caesarianer führt zu einem erneuten langwierigen Bürgerkrieg, dessen Hauptschauplätze Griechenland, Africa und Spanien bilden; im so genannten bellum Perusinum der Jahre 41/40, einem Krieg zwischen Octavianus und Marc Antons Bruder L. Antonius, greift der Konflikt auch tief in das Leben der italischen Landbevölkerung ein. Er endet mit der Zerstörung Perusias, heute Perugia, und Enteignungen der Bauern im weiteren Umfeld der Stadt zugunsten von Octavians Söldnern. Antonius’ Scheidung von Octavians in Rom sehr beliebter Schwester Octavia im Jahr 32 v. Chr. und seine Beziehung zu der ägyptischen Herrscherin Kleopatra, von der er drei Kinder hatte, bot Octavian Anlass, gegen ihn zu agitieren. Das letzte Kapitel im Machtkampf der ehemaligen Verbündeten eröffnete die Kriegserklärung an Kleopatra (damit war der Bürgerkrieg zum bellum externum umgemünzt). Aus der Schlacht von Actium (31 v. Chr.) retteten Kleopatra und Antonius sich durch Flucht, kamen aber 30 v. Chr. in auswegloser Lage durch Selbstmord um. Octavians Vormachtstellung war nunmehr gesichert. Er begründet die Dynastie der Familie Caesars, der gens Iulia.

Der Prinzipat

Im Vergleich zu seinem Adoptivvater Caesar erweist sich Octavianus als der machtpolitisch geschicktere, in jedem Fall aber rücksichtslosere Politiker: Caesar war berühmt für seine Milde gegenüber den ehemaligen Gegnern im Bürgerkrieg (clementia Caesaris). Octavian dagegen beginnt seine Herrschaftszeit mit einer Serie von Prozessen, Hinrichtungen und Verbannungen, ein grausames Verfahren, das ihm ein nahezu ‚befriedetes‘ Italien beschert.

In politischer Hinsicht sichert Octavian seine Macht nicht durch die sofortige Usurpation der wichtigsten Machtpositionen, sondern durch eine vorsichtige Modifikation der politischen Abläufe innerhalb der gültigen Strukturen, die auch die Republik prägten. Der Titel, den er für sich beansprucht – princeps, abgeleitet aus primum caput, erstes Haupt – existierte auch schon im Rahmen der Senatshierarchie: Der princeps senatus trug jeweils als erster sein Votum vor.

Der Taktik, den eigenen Machtanspruch hinter den Titeln der Republik zu verbergen, bleibt Octavian sein Leben lang treu: Am 13. Januar 27 v. Chr. legt er seine Ämter nieder – und wird unmittelbar darauf vom Senat für zehn Jahre mit prokonsularischer Gewalt versehen (sein Amtsbereich erstreckt sich damit nominell nicht auf Rom selbst); am 16. Januar verleiht ihm der Senat auch den Ehrentitel Augustus (der Unverletzliche, Erhabene). Im Jahr 23 wird er Volkstribun auf Lebenszeit; ab 19 besitzt er die lebenslange konsularische Gewalt, das heißt Macht auch über Rom; damit ist der augusteische Prinzipat endgültig etabliert.

Augustus achtet den gesellschaftlichen Vorrang des Senatorenstandes und weist ihm sogar durch gesetzgeberische Maßnahmen eine besondere Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung zu. Den Einfluss der Senatoren beschränkt er aber zunehmend: Sein Herrschaftssystem stützt er vorwiegend auf ‚Experten‘ aus allen Ständen.

Die gens Iulia

Die anfängliche Verfolgung der Gegner vernichtet große Teile der politischen Opposition; die Taktik, die eigene Macht mit Hilfe des Senats und unter republikanischen Titeln zu sichern, hemmt das Aufkommen neuer Gegenströmungen. So gewinnt Octavian die Zeit, eine Dynastie aufzubauen – die allerdings den Schönheitsfehler hat, dass er selbst (vermutlich auf Grund einer Masernerkrankung) nach der Geburt seiner Tochter Iulia ohne weitere Kinder bleibt. Als Erben sieht er zunächst seine Enkel vor, später, nach deren frühem Tod, die Kinder seiner zweiten Frau Livia von ihrem ersten Mann Nero Claudius Drusus, die durch Adoption in die gens Iulia aufgenommen werden. Livias Sohn Tiberius wird Augustus’ erster Nachfolger (14–37); die Reihe der iulisch-claudischen Herrscher in Rom endet im Jahr 68 n. Chr. mit Nero.

Der Caesar-Kult

Zur Rechtfertigung seiner Vormachtstellung beruft Augustus sich einerseits auf seinen Adoptivvater Caesar. Dessen politisches Testament sucht er durch die Einrichtung eines Kultes des vergöttlichten Caesar zu legitimieren. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Himmelszeichen, die angeblich Caesars Tod begleiteten, und der Stern, der vom 20. bis 30. Juli 44 bei Caesars Leichenspielen erschienen sein soll (sidus Iulium); die Caesarstatue, die Octavianus in Rom im Venus-Tempel aufstellen lässt, trägt deshalb einen Stern auf der Stirn. Der Kult des vergöttlichen Caesar dient aber auch der Erhöhung seines Erben: Er erhebt Octavianus zum Sohn eines Gottes, divi filius, der selbst kultische Verehrung empfängt. Wie Caesar führt er seine Familie auf Venus zurück.

aurea aetas

Im Verlauf der augusteischen Epoche wächst die Bedeutung einiger Leitideen, die Augustus’ Herrschaft legitimieren, indem sie ihn auf eine Erneuerung der römischen Gesellschaft, ihrer Religion und Kultur verpflichten. Das Programm, das sich allmählich aus diesen Leitideen herauskristallisiert, interpretiert die römischitalische Frühzeit als ein ‚Goldenes Zeitalter‘ (aurea aetas), in dem die Menschen ein ländliches Leben in Glück und Frieden führten. Als ihr Herrscher gilt der alte italische Gott Saturnus; die Verschmelzung mit dem griechischen Gott Kronos, der von seinem Sohn Zeus entmachtet und vertrieben wird, macht ihn zum Flüchtling, Italien zu seinem Exil; Frömmigkeit, Anstand und Treue, Fleiß und Bescheidenheit gelten als Grundwerte des Saturnischen Zeitalters. Exemplarisch für diese Werte stehen die großen Gestalten römischer Mythen und Geschichtserzählungen: der Venus-Sohn Aeneas, der seinen Vater und die Götter Troias aus der von den Griechen eroberten Heimat rettete und zum Stammvater der gens Iulia wurde; Romulus, der Rom gründete; die Helden der frühen Republik, die die junge Stadt vor ihren Feinden schützten und das eigene Glück und Leben für Rom opferten. Von den Werten, die diese Männer vertreten haben, sei die voraugusteische Zeit abgewichen; so habe sie Rom dem moralischen und religiösen Verfall ausgeliefert. Dieser Verfall könne aber durch eine Rückkehr zu den Tugenden, die Rom einst groß machten, und zur Frömmigkeit früherer Generationen geheilt werden: Das goldene Zeitalter soll aufs Neue in einem befriedeten Italien blühen.

renovatio

Der Aufgabe, die römische Gesellschaft moralisch zu reformieren, hat Augustus sich auf verschiedenen Feldern gestellt. Seine renovatio (Erneuerung) hat ihren Schwerpunkt in den Bereichen von Religion und Familie. Die alten römisch-italischen Kulte unterzieht Augustus einer umfassenden Reinigung’; er modifiziert archaische beziehungsweise allzu harte Kultvorschriften und drängt den orientalischen Einfluss zurück.

Augusteische Familienpolitik

Seine Familienpolitik hat nicht zuletzt das Ziel, dem Geburtenrückgang entgegenzuwirken, dazu dienen die sogenannten Ehegesetze, die 17 v. Chr. von Augustus selbst eingebrachte lex Iulia de maritandis ordinibus (Iulisches Gesetz über die Ehen zwischen den Ständen) und die 9 v. Chr. erlassene lex Papia Poppaea. Die Gesetze sind in ihrem Wortlaut nicht erhalten, aber aus indirekten Quellen und Kommentaren zu erschließen. Sie betreffen Frauen zwischen 20 und 50 Jahren und Männer zwischen 25 und 60 Jahren; durch steuerrechtliche Regelungen, Begünstigungen in der beruflichen Karriere und teils drastische Sanktionen soll die zunehmend ehe-unwillige römische Bevölkerung zur Gründung von Familien und Zeugung von Kindern motiviert werden. Zugleich werden die Ehen zwischen den Ständen vor allem für die Oberschicht senatorischen Rangs beschränkt; Ehebruch wird als Verbrechen sanktioniert.

Augusteische ‚Ideologie‘

Die häufig benutzten Begriffe ‚augusteisches Programm‘ oder ‚augusteische Ideologie‘ sollten nicht den Eindruck eines schriftlich fixierten Normenkatalogs mit fester Systematik erwecken. Tatsächlich hat es einen solchen Normenkatalog nie gegeben, die oben genannten Leitlinien lassen sich aber aus literarischen Quellen, aus den Wertebegriffen, die auf Münzen oder Inschriften erscheinen, und aus der bildenden Kunst der Zeit erschließen. Verfehlt ist allerdings die Vorstellung, die Schriftsteller und bildenden Künstler hätten politisch vermittelte Ideen nur aufgegriffen und verarbeitet. Vielmehr haben sie selbst durch ihre Werke einen Werte- und Romdiskurs geschaffen, der wesentlich daran mitwirkte, ein neues römisches Weltbild und Selbstbewusstsein entstehen zu lassen. Das Programm der augusteischen renovatio haben sie in Übereinstimmung mit dem politischen Willen des princeps formuliert, illustriert und modifiziert.

Die Präsenz dieses Programms in der Literatur ist uneinheitlich: Vergils Georgica und Aeneis, Horaz’ Carmina und Livius’ Geschichtswerk Ab urbe condita legen das klarste Zeugnis ab; auch Ovids Fasti tragen deutliche Züge augusteischer Ideologie. Die frühesten Werke der augusteischen Zeit, Vergils Bucolica und Horaz’ Epoden und Sermones sind dagegen dem Gedanken einer allgemeinen gesellschaftlichen renovatio eher oberflächlich verpflichtet. Properz‘ und Tibulls Elegien bekennen sich mehrheitlich zu einer Lebenseinstellung, die den Anspruch der Gesellschaft an das Individuum geradezu leugnet. Auch in Ovids Amores und Ars amatoria ist die Distanz zur augusteischen renovatio provokativ ausgespielt. Dennoch konnten selbst diese Schriften lange Jahre in Rom kursieren, ohne größeren Anstoß zu erregen: Das belegt, dass das ‚augusteische Programm‘ kein Gründungselement augusteischer Herrschaft war, sondern erst allmählich gleichzeitig mit der Konsolidierung dieser Herrschaft an Verbindlichkeit zunahm.

Monumentum Ancyranum

Wichtige Dokumente für Augustus’ Selbstverständnis bilden das so genannte Monumentum Ancyranum und die Ara pacis. Das Monumentum Ancyranum ist ein umfassender Rechenschaftsbericht der „Taten des göttlichen Augustus“ (res gestae divi Augusti), der um die Zeitenwende auf erzenen Tafeln zuerst in Rom vor Augustus’ Mausoleum, später dann auch an anderen Orten veröffentlicht wurde; die moderne Bezeichnung trägt dieses politische Testament nach dem Fundort Ancyra (Ankara). Hier berichtet Augustus von seinen Leistungen im Krieg und vor allem im Frieden; großes Gewicht liegt auf der Erneuerung der Gesellschaft und des Götterkultes sowie der Restitution zahlreicher Tempel. Der Text gibt einen wichtigen Einblick in Augustus’ Selbstverständnis und den Angelpunkt seiner Legitimation: Sein Herrschaftsanspruch erwächst aus der persönlichen Glaubwürdigkeit und Kompetenz dessen, dem es gelingt, die Zustimmung anderer zu finden und ihr Handeln anzuregen und zu leiten (auctoritas). Augustus versteht sich nicht als bloßer Inhaber faktischer Macht, sondern als moralische Autorität.

Ara pacis

Die Ara Pacis (Altar des Friedens beziehungsweise Altar der Friedensgöttin) ist noch heute in Rom am Tiberufer (wenngleich nicht am ursprünglichen Standort) zu besichtigen. Sie ist ein politisch-religiöses Denkmal zur Erinnerung an den von Augustus gestifteten Frieden. Ihr Bau geht auf einen Senatsbeschluss des Jahres 13 v. Chr. zurück; geweiht wurde sie 9 v. Chr. Der Altar präsentiert das augusteische Geschichtsbild in sinnfälligen Bildern, Reliefs, die offensichtlich von Vergils einige Jahre zuvor veröffentlichtem großen mythologischen Epos Aeneis beeinflusst wurden: eine von Fruchtbarkeitssymbolen umgebene Frau, die als Allegorie der (italischen) Erde (Tellus) oder des Friedens gedeutet wird, Aeneas beim Opfer, die Auffindung der von der Wölfin gesäugten Zwillinge Romulus und Remus und eine von Augustus als pontifex maximus (oberster aller Priester) angeführte Prozession. Diese mythischen und allegorischen Motive stellen Augustus und das von ihm erneuerte Rom in die Tradition früherer römischer Größe und italischer Frömmigkeit.

Inwieweit die Stilisierung des princeps als Friedenskaiser, sittlicher Erneuerer und Neubegründer der ersehnten aurea aetas dem Urteil seiner Zeitgenossen entspricht, ist nicht zu klären. In manchen zeitgenössischen Texten mag, wie jüngere Forschung zu erweisen sucht, Kritik an Augustus versteckt sein; offen geäußert wird dergleichen aber nicht. Das mag ebenso auf die nachweislich praktizierte Zensur wie auf politisches Desinteresse oder ein echtes Einverständnis der Schriftsteller mit dem princeps zurückzuführen sein. Das spätere Augustus-Bild ist uneinheitlich: Circa 100 Jahre nach seinem Tod schildert ihn der Historiker Tacitus (55/56 – nach 113 n. Chr.) in den Annales als Usurpator der Macht und Zerstörer der Freiheit (Ann. I, 1–2); der griechischsprachige Geschichtsschreiber Cassius Dio (circa 164–230 n. Chr.) hebt dagegen Augustus’ Leistungen für einen langfristigen Frieden hervor (Römische Geschichte 56, 37f. und 44f.).

Die moderne Geschichtsschreibung hat den Meinungszwiespalt zwischen der Verurteilung seines Anteils am Bürgerkrieg und der Würdigung seiner Leistungen nach dessen Ende wiederholt mit unterschiedlichen Akzentuierungen – und auch unter dem Einfluss der Erfahrungen aus den Kriegen des 20. Jahrhunderts – ausgetragen; eine wichtige Stimme in diesem Disput ist die des Historikers Ronald Syme, der in seinem Werk „The Roman Revolution“ (Oxford 1939) erneut das Bild des durch Grausamkeit und Rechtsbruch zur Macht gelangten Politikers zeichnet.

Die Literatur in der Zeit des Augustus

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