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VII. Satura

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Unter dem Gattungsbegriff der satura (‚Satire‘ entspricht diesem Begriff nur teilweise) werden Gedichtsammlungen von Ennius, Pacuvius, Lucilius, Varro, Persius, Iuvenal und Claudian sowie Senecas Apocolocyntosis Divi Claudii (‚Verkürbissung‘ des göttlichen Claudius, das heißt Metamorphose zum Kürbis) zusammengefasst; unter rein formalem Gesichtspunkt hat man auch Petrons Satyricon, einen Roman, der sich einer Mischform aus Dichtung und Prosa bedient, als satura bezeichnet.

Nur zum Teil haben die Autoren selbst diesen Gattungsnamen verwandt: Für Ennius und Pacuvius sind saturarum libri (‚Satiren‘-Bücher) bezeugt, von deren Inhalt und Form wir wenig oder nichts wissen; Lucilius, der als der eigentliche Vollender der Gattung gilt, benutzt den Begriff in den umfangreichen erhaltenen Texten aus seiner Sammlung nie, er spricht von schedium (Improvisation), ludus (Spiel), sermo (Gespräch), poema (Gedicht). Horaz gibt seinen Gedichten den Titel Sermones (Gespräche) oder Epistulae (Briefe) und verwendet den Begriff satura erst im 2. Buch (2,1,1) der Sermones.

Die Etymologie von satura

Die Etymologie von satura ist schon in der Antike unklar, zwei Erklärungsversuche stehen nebeneinander: Die Ableitung vom Satyrspiel, einer temperamentvollen Mythentravestie, die bei griechischen Theaterdarbietungen im kultischen Kontext den Tragödien folgte (sátyros = Satyr), wirkt zunächst bestechend. Aber die dem Satyrspiel und der Satire gemeinsamen Elemente des Parodistisch-Ironischen, der Mythentravestie und der Dialogizität sinderst seit Lucilius für die Gattung typisch, während sie (soweit die erhaltenen Fragmente ein Urteil erlauben) für Ennius’ saturarum libri noch nicht prägend waren. Richtiger dürfte die von dem spätantiken Grammatiker Diomedes (wohl 2. Hälfte 4. Jahrhundert n. Chr.) vorgetragene Ableitung von satur (gesättigt, gefüllt) sein (1,485,30–34 Keil): Diomedes beruft sich unter anderem auf die satura lanx, eine im Kult gebräuchliche, mit unterschiedlichen Früchten gefüllte Opferschüssel. Saturarum libri bezeichnen demnach eine reiche Fülle von unterschiedlichen Gedichten, entsprechend den griechischen Sammlungen von átakta oder sýmmikta.

Die römische satura

Die römische satura konnte auf griechische Formen wie die Invektive und die Diatribe und vielleicht auch auf Elemente der Komödie zurückgreifen; eines ihrer Vorbilder dürfte auch die für uns nur durch spätere Kommentare und Nachahmungen bezeugte Satirendichtung des Menippos gewesen sein, Vers und Prosa miteinander vermischende Werke, in denen phantasiereiche und vielfach burleske Bilder und Szenen der Gesellschaftskritik dienten. Dennoch galt die satura den Römern als eigene Erfindung; Quintilian behauptet (inst. 10,1,93): satura quidem tota nostra est, in qua primus insignem laudem adeptus Lucilius – die satura aber gehört ganz uns; darin hat als erster Lucilius hervorragenden Ruhm gewonnen.

Lucilius

Mit Lucilius sind die Gattungskriterien der römischen satura fixiert; er übernimmt von Ennius den Gebrauch von Fabeln, Allegorien, Mythen und Mythentravestien, richtet seine Texte aber auf eine polemische Stellungnahme zu Politik, Literatur, Gesellschaft und Moral der eigenen Zeit aus. In seinen frühen Werken verwendet er noch unterschiedliche Versformen, in späteren Büchern aber nur noch den Hexameter, den er zum eigentlichen Metrum der Gattung macht.

Lucilius’ Werk wird auch in der Vielfalt seines Themenspektrums beispielhaft: Persönliche Invektiven, Zeitkritik, Autobiographisches, Erörterungen zur Literatur, zu ethischen und zu allgemein philosophischen Fragen sind in der Sammlung vereint. Da ein parodistischer oder humoristischer Ton für viele seiner Gedichte kennzeichnend ist, wurde schon in der Antike satura zum Gattungsbegriff für,‚Satirisches‘ (Invektiven, Travestien) im modernen Sinn.

Horaz, Sermones und Epistulae

Horaz beruft sich wiederholt auf Lucilius als Vorgänger in der Gattung der satura; seine durchgängig hexametrischen Sermones und Epistulae sind als freundschaftliche Plaudereien in ‚mündlicher‘ und ‚schriftlicher‘ Form stilisiert; vor allem die Sermones wirken auf den ersten Blick oft umständlich oder auch sprunghaft. Erst die genauere Analyse demonstriert, dass der ‚Sprecher‘ dieser Texte trotz gelegentlicher Abschweifungen und Themenwechsel die Fäden des jeweiligen Argumentationsgangs fest in der Hand hält.

Die Literatur in der Zeit des Augustus

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