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VI. Bukolik

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Der Begriff Bukolik ist von dem griechischen Namen für den Rinderhirten, boukólos, abgeleitet; in der Hierarchie der Hirten steht der Rinderhirte über dem Schaf- und Schweinehirten.

Ursprünge der Bukolik

Elemente einer volkstümlichen Unterhaltung – etwa mimische Darbietungen, improvisierte kleine Bühnenspiele oder auch deren Verfeinerungen in der dramatischen Kunst (Epicharm, 6./5. Jahrhundert v. Chr.) – könnten auf die hexametrische Bukolik eingewirkt haben, die in ihren häufigen Dialogen dem Bühnenspiel nahe steht. Von ihren ersten literarischen Zeugnissen an ist die Bukolik allerdings eine höchst raffinierte und kultivierte Gattung.

Daphnis

Der griechische Lyriker Stesichoros (623/29 – um 556/553 v. Chr.) erwähnt zum erstenmal den Hirten Daphnis, der sich in unglücklicher Liebe zu einer Nymphe verzehrt und seine Liebesklagen der Natur anvertraut. Daphnis’ Liebe und Tod prägen auch das erste Gedicht der frühesten uns erhaltenen Sammlung bukolischer (und anderer) Texte: die Gedichtsammlung Theokrits aus dem sizilischen Syrakus (1. Hälfte 3. Jahrhundert v. Chr.), in die auch einige unechte, das heißt nicht von Theokrit verfasste Stücke eingegangen sind.

Theokrit

Die hexametrische Versform, die sprachliche Eleganz und eine durch zahlreiche gelehrte Anspielungen gehobene Sprache verleihen Theokrits bukolischer Dichtung einen hohen Kunstcharakter. In den einzelnen Gedichten (für die sich der Name Eidýllion eingebürgert hat) wiederholen sich einige wenige typische Konstellationen: Hirten begegnen sich an der Quelle, auf dem Weg zur Stadt oder abends, wenn die Arbeit beendet ist, und beginnen ein Gespräch miteinander. Sie erbitten voneinander Lieder oder treten in einen Gesangswettstreit, in dem sie einander jeweils in kurzen Strophen respondieren (carmen amoebaeum – Wechsellied). Sie sprechen von ihrer Arbeit, von ihrem Gesang, vor allem aber von der Liebe zu schönen Mädchen oder Knaben; manchmal auch von der Leidenschaft mythischer Gestalten wie der des Kyklopen Polyphem zu der schönen Nymphe Galatea. Ziel solcher Dichtung ist natürlich nicht die authentische Darstellung der Lebensweise der Hirten, sondern ein ironisches Spiel mit der Vermischung zweier Welten: Der städtisch kultivierte ‚Erzähler‘ malt sich die bukolische Welt als einen von Kunst und Liebe geprägten Raum der Muße, in dem er ganz offensichtlich zeitgenössische ‚Prominenz‘, Dichter bzw. eigene Freunde, agieren lässt.

Regelmäßig wird die Illusion durchbrochen: Die Natur, die die Hirten umgibt, ist nur Kulisse und als solche weniger idealisiert als standardisiert; der soziale Status des unfreien Hirten ist Maskerade, seine Arbeit allenfalls die Folie zur künstlerischen Muße. Typisiert sind auch die Charaktere der ‚Hirten‘ – von ländlicher Naivität oder Derbheit geprägt, sind sie Gegenbilder zum Selbstverständnis des eleganten und sentimentalen Städters. Die Parodie ist von doppelter Art: Wird das Hirtenleben aus der ironischen Perspektive des Städters gedeutet, so sind doch auch die ehrgeizigen Unternehmungen und sentimentalen Liebschaften der eigentlich gemeinten Städter durch die Übertragung in den Hirtenbereich bloßgestellt.

Theokrits Bukolik ist unpolitisch, thematisiert aber die Kunst selbst, indem sie die Hirten als Künstler mit ihren unterschiedlichen Talenten und Intentionen vorstellt. Eine Bedrohung dringt in diesen Raum allein aus der Maßlosigkeit der Liebe ein, die sich den Gesetzen der Natur widersetzt.

Moschos und Bion

Bukolische Dichtungen sind auch für Moschos bezeugt; er stammt ebenfalls aus Syrakus und starb um 150 v. Chr. Erhalten sind nur drei kurze Stücke. Der Bukoliker Bion aus Smyrna lebt in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. (vielleicht in Sizilien); für ihn ist eine Gedichtsammlung Boukolika bezeugt, die aber Stücke sehr verschiedenen Inhalts enthält. Es scheint, als umgreife der Begriff des Bukolischen hier bereits jegliche stimmungsbetonte Liebesdichtung, unabhängig von einer Verankerung in der Hirtenwelt.

Beim römischen Publikum stieß die Gattung auf größeres Interesse: Die von dem Grammatiker Artemidor in der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. erstellte Sammlung der Gedichte der Bukoliker (vgl. Anthologia Palatina IX 205) war in Rom populär; wie Vergil hat auch Messalla – allerdings in griechischer Sprache – Bukolik verfasst, die aber verlorengegangen ist.

Vergils Bucolica

Vergils Bucolica sind vor allem Theokrit verpflichtet, versetzen aber dessen Szenen und Personen in eine andere Landschaft und kleiden sie in ein neues Licht. Es ist die Heimat Vergils im Raum Mantua, und es sind die ganz konkreten politischen Phänomene der Bürgerkriegszeit, die Vergils Hirten erdulden und aus denen sie ihre Liedkunst erwachsen lassen. Vergil öffnet damit die Bukolik für den politischen Diskurs.

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