Читать книгу Erkrankungen im Bewegungsapparat - Dr. Hanspeter Hemgesberg - Страница 40
Ganzheitliche Therapie
ОглавлениеIch darf noch einmal zurückkommen auf meine vorherigen Aussagen:
„Ein akuter unspezifischer Kreuzschmerz bedarf in aller Regel keiner arzneilichen wie nicht-arzneilichen Therapie – hier reichen ‚Selbstmaßnahmen‘ des Betroffenen hinlänglich aus!“
Selbstmaßnahmen des Kreuzschmerz-geplagten sind das „Stichwort“; heißt diese sind mher als eine ‚Zugabe‘ zur Therapie. ganz im Gegenteil: sie sind eine sehr wichtige Säule der Behandlung; ohne Selbstmaßnahmen ‚geht es absolut nicht‘.
Das muss sich der Kreuzschmerz-Patient ins Stammbuch schreiben.
I. Auter Kreuzschmerz
Hier reichen zummeist ‚Selbstmaßnahmen‘ aus.
1. nicht-arzneiliche Optionen
a. Rückenübungen
(nach Liebscher und Bracht reichen „3 Übungen“ völlig aus:
1.) aus sitzender Position abwechseln das rechte + linke Bein seitlich um 90° abwinkeln; Dauer je Seite ca. 2 min. –
2.) Dehnung des Oberkörpers im sogen ‚Vierfüßler-Stand‘ – Dauer 2 min. –
3.) auf Brust & Bauch flach auf dem Boden liegend, dann abwechselnd das rechte und linke Bein anheben, wobei der Fuß mit beiden Händen fest umgriffen wird; dann wird die Ferse langsam an das Gesäß hinuter-gezogen; die Leiste muss dabei fest am Boden bleiben. Dauer je Seite ca. 2 Min –
TIPP:
Sollte aufgrund Mobilitätseinschränkungen das Bein nicht weit genug abgewinkelt werden können, um den Fußgreidfen, dann keine ‚Schlaufe‘ (z.B. ein Schal) zuhilfe genommen werden)
[weitere Rückenübungen s.u.]
b. Lagerung und Übungen
(z.B. auf dem Teppich oder einer Decke: flach auf den Rücken legen und ohne weitere Bewegung für 1-2 min ruhig liegen bleiben zur Muskel-Entspannung; dann erst kommen die Übungen: das rechte Bein zuerst um 90° anheben, dann langsam das weiterhin gestreckte Bein in Richtung Kopf absenken bis zum Punkt, an dem ein ‚unwohles‘ Gefühl auftritt; dann mit beiden Händen den Fuß fest umfassen und nach unten ziehen bis zu einem Punkt, an dem ein Schmerz/eine Schmerz-Verstärkung auftritt; dort den Fuß für ca. 15 sek. festhalten, dann loslassen, damit das Bein in die vorherige Stellung zurückkehren kann. Diese Übung 3-5x wiederholen. Dann Wechsel auf das andere Bein)
c. Vollbad
(in eine gut gefüllte Badewanne zugeben ätherische Öle (z.B. Wachholder, Arnika, Thymian, Kampfer, Rosmarin, Pfefferminze) – Wassertemperatur so warm wie toleriert wird, Badedauer 15-20 min –. Nach dem Bad rasch abtupfen, dann sofort ins ‚vorgewärmte‘ (auch im Sommer) Bett und dort Nachruhe halten für mindestens ½ Stunde – danach unter die Dusche und bes. den Rücken kräftig ‚abrubbeln‘ (abrubbeln zu lassen) und dann Rückenübungen.
d. ‚Wärme-Pflaster‘
Wer auf Wärme gut anspricht, dem kann ein solches Wärmepflaster empfohlen werden.
Aber es gibt auch Kreuzschmerz-Patienten, die die Wärme nicht vetragen und wo es sogar zur Schmerzverstärkung kommt, für und in diesen Fällen kann angewendet werden
e. ‚Kälte-Packungen‘ („Kryo-Packs“)
wie gesagt, eine Alternative.
Als bewährt und zugleich wirkungsvoll zu empfehlen:
f. lokale Einreibungen
mit. ua.
Arnica Schmerz-Salbe (Klosterfrau)
Arnica Schmerz-Gel (Klosterfrau)
Aconit Schmerz-Öl (WALA)
Dolo Hevert Roll-on (Hevert)
g. Entspannungs-Verfahren
(z.B. Autogenes Training – hat den Vorteil, dass AT überall und jederzeit ausgeübt werden kann – nur sollte AT gründlich „gelernt“ sein)
h. moderate regelmäßige körperliche Aktivitäten
heißt: „Aktiv gegen den Kreuzschmerz!“
(Dehn-Streck-Übungen (möglichst auch am Arbeitsplatz, in der Schulpause, im Studium zwischen Vorlesungten, im Urlaub usw.), sportliche Aktivitäten (u.a. Nordic-Walking, Rückenschwimmen, Kraulen)
In der überwiegenden Fällen von ‚unspezifischem akutem Kreuzschmerz‘ sind die Beschwerden dadurch rasch in den Griff zu bekommen.
Allerdings gilt zu unterscheiden, dass einmal das „subjektive Schmerz-Empfinden“ und dann zweitens durch die Schmerzen hervorgerufene „subjektive Leidensdruck“ eine wesentliche Rolle bei der ‚arzneilichen Therapie‘ spielen.
Fazit:
Reichen die vorgenannten Maßnahmen nicht aus oder sind aus sonstigen Gründen (z.B. im Urlaub, Tätigkeit als Lkw-, Auto(reise)bus-Fahrer, Tätigkeit als Vertreter usw.) die genannten Maßnahmen nicht möglich oder aber der Betroffene will „lieber zur Medizin“ greifen, dann kann stehen als Optionen offen:
2. arzneiliche Optionen
a. biologisch-definierte Schmerzmittel
Doleteffin® 400mg (Ardeypharm)
Film-Tbl
(Teufelskrallenwurzel)
Rheumagil® (Heilpflanzenwohl)
Tbl
(Rhododendron/Alpenrose, Ledum/Sumpfporst, Ferrum phosphoricum/ Eisen-Phosphor, Causticum/Ätzkalk nach Hahnemann)
Hinweis:
Der „Vorteil“ von biologischzen Heilmitteln ist gegenüber chemisch-definierten, dass sie frei von Nebenwirkungen sind, mit allen chemisch- wie biologisch-definierten Medikamenten uneingeschränkt kompatibel sind und keine Kontra-Indikationen bestehen!
b. chemisch-definierte Schmerzmittel
Hier ist die Palette – ich nenne sie das „Schmerzmittel-Waffenarsenal“ – mehr als groß.
Dazu gehören:
a. Nicht Steroidale Antirheumatica/Analgetica (NSAR)
(u.a. Ibuprofen, Indometacin, Diclofenac, Naproxen, Ketoprofen … aber auch ASS/ Acetylsalicylsäure, Paracetamol – beide Wirkstoffe auch als Fixkombination)
b. Cannabis medicinalis
(THC/Tetrahydrocannabinol)
[zum Thema Einnahme von Analgetika verweise ich auf meine diesbezüglichen Be- und Anmerkungen gegen Ende der arzneilichen, chemisch-definierten Therapie]
An dieser Stelle bereits eine wichtige Bemerkung:
Lassen sie es mich lapidar und flappsig so formulieren:
„Der Griff zur Arznei ist schnell getan!
Bleibt es bei Einnahmen selten bis gelegentlich, dann ist dazu nichts zu sagen.
Werden die Mittel aber häufig, oft bis nahezu durchgehend eingenommen, dann drohen bis zu schwer(er)-gradigen Folgen; so u.a. Anaemie, Blutbildungsstörung, Leber-Schädigung und ganz besonsers Nieren-Insuffizienz!
Das sollte von jedermann/-frau bedacht sein und werden!“
II. rezidivierende, intermittierende Kreuzschmerzen
Auch bei diesen Kreuzschmerzen sind die „Selbstmaßnahmen/ Eigenleistungen“ eine unverzichtbere wie wirkungsvolle „Therapie“.
Auch hier gilt unverändert:
„Aktiv gegen den Kreuzschmerz ankämpfen!“
1. nicht-arzneiliche Optionen
Im Prinzip dieselben wie unter ‚akuter Kreuzschmerz‘ genannt.
Von Wichtigkeit ist, dass der Kreuzschmerz-Patient in den Remissions-Phasen ‚aktiv‘ tätig ist/sein sollte.
D.h.:
A. Eigenleistungen
a. Rückenschule
b. Pilates-Methode
c. Übungen gegen Kreuzschmerzen (s.u.)
d. Gymnastik, auch im Wasser
e. regelmäßige Rückenübungen
Zwischenanmerkung:
Übungen gegen „unspezifische und spezifische Kreuzschmerzen“
Schritt 1
Auf den Boden setzen und ein bein (abwechselnd) seitlich abspreizen im größtmöglichen Abspreizwinkel
Schritt 2
Das andere Bein soll soweit als möglich nach hinten gestreckt werden
Schritt 3
Nunmehr soll die Leiste des nach hinten getreckten Beins auf den Boden gedrückt werden soweit als dies möglich ist
Schritte 1-3 = 1. Übung
Schritt 4
Im ‚Vierfüßlerstand sollen nun beide Hände hüftbreit auseinander platziert werden
Schritt 5
Nun soll das Becken langsam nach vorne ‚geschoben‘ werden, soweit, bis die Hüfte ‚durchhängt‘
Schritte 4+5 = 2.Übung
Schritt 6
Nunmehr flach auf Brust und Bauch hinlegen (auf den Boden bzw. eine Gymnastikmatte) und dann beide Knie aneinander halten
Schritt 7
Anschließend wird ein Bein angewinkelt nach oben und dann wird das Bein am Fuß mit beiden Händen umklammert und dann soweit nach unten ‚gezogen‘ bis die Ferse das Gesäß berüht
Schritte 6+7 = 3.Übung
B. verordnete Therapie-Optionen
a. Physiotherapie (Krankengymnastik) auf orthopädischer Grundlage
b. Physiotherapie im medizinischen Bewegungsbad
c. Medizinische Trainings Therapie
d. Gyrotronic Expansion System-Therapy/GEST®
e. Dorn-Therapie
f. Konzentrative Bewegungs-Therapie/KBT
g. Progressive Muskel-Relaxation/PMR
2. arzneiliche Optionen
a. biologisch-definierte Schmerzmittel
wie für ‚akuten Kreuzschmerz‘ benannt. Allerdings ist es – entsprechend dem subjektiven Schmerzempfinden und dem Leidensdruck – bedarfsweise erforderlich, die Dosis zu steigern.
b. chemisch-definierte Schmerzmittel
wie für ‚akuten Kreuzschmerz‘ benannt. Allerdings ist es – entsprechend dem subjektiven Schmerzempfinden und dem Leidensdruck – bedarfsweise erforderlich, die Dosis zu steigern.
Bei in dieser Phase sich zeigenden „psychosomatischen Beschwerden“ und bes. bei besonders ausgeprägtem „Leidendruck“ können zusätzlich in die Therapie integriert werden Wirkstoffe, die einerseits eine Wirkung zur psychosomatischen Stabilisierung haben und die zum zweiten sich auszeichen durch eine „Schmerz-distanzierende“ Wirkung
Amitriptylin
(Amitriptylinhydrochlorid – z.B. Saroten®)
Clomipramin
(z.B. Clomipramin-neuraxpharm®)
Duloxetin
(z.B. Duloxetin-neuraxpharm® 30 und 60 mg)
Imipramin
(z.B. Imipramin-neuraxpharm® 10, 25, 200mg)
! Warnung !
Unbedingt darauf zu achten, dass die Analgetika und auch die Psychopharmaka nicht „unkontrolliert“ und nicht „längert als erforderlich“ eingenommen werden!
Gewusst sein muss:
1. Mit niedriger Dosis beginnen und dann bedarfsweise die Dosis steigern („auftitrieren“),
2. diese Arzneimittel sind allesamt ‚keine Mittel mit Sofort-Wirkung“; heißt: in aller Regel kann erst mit der ‚vollen Wirkung‘ nach 8-10 Tagen gerechnet werden!
Ziel aller bisherigen ‚Anstrengungen‘ seitens Patienten wie Therapeuten ist es zu vermeiden, dass der Kreuzschmerz „chronifiziert“!
III. chronische Kreuzschmerzen
Eine Vorbemerkung:
Zur Bestimmung des Chronifizierungs-Stadiums wird das Mainzer Stadien-Modell der Schmerzchronifizierung (Mainz Pain Staging System [MPSS]) nach Prof. Dr. H.-U. Gerbershagen empfohlen.
Das Modell basiert auf einer ärztlichen Beurteilung entlang von vier Achsen:
1. zeitlicher Schmerzverlauf;
2. Schmerzlokalisation;
3. Medikamenteneinnahme und
4. Inanspruchnahme des Gesundheitswesens.
Insgesamt sind 3 Stadien der Chronifizierung zu unterscheiden.
Entsprechend der Ergebnisse und besonders der ‚strukturierten‘ Anamnese wird der Kreuzschmerz-Patient einer der 3 Stadien zugeordnet.
Darüber hinaus sind weitere Aspekte wie Vitalitätsverlust, Somatisierungs-Tendenzen und psychische und somatische Ko-Morbiditäten zu berücksichtigen. Und ebenfalls das in diesem chronischen Schmerzstadium sehr oft zu beobachtende „Doctor-Hopping“.
Zurück zum chronischen Kreuzschmerz:
Hier ist der Kreuzschmerz-Patient besonders gefordert – das gilt übrigens auch für den/die Behandler –,
Da diese „unspezifischen Kreuzschmerzen“ lt. Definition länger als 6 Monate durchgehend bestehen – evtl. mit wechselnden Schmerz-Graden – ist es nach meinen Erfahrungen „allerhöchste Zeit, den Patienten aus dem Teufelskreis der Schmerzen herauszubringen!“
Unverändert erfoderlich – quasi als „Mitwirkungspflicht des Kranken“ – die bereits oben aufgelisteten Eigenleistungen und ebenfalls die seitens des/ der Behandler verodneten nicht-arzneilichen Maßnahmen.
Hinzukommen müssen unbedingt Zuweisungen zu:
1. Psychosomatische/Psychiatrische/Psychologische Therapie
(Insbes. als „Verhaltenstherapie“ mit Erlernen von Schmerz-Beherrschungs-Strategien und mit „Selbstkontrolle“)
2. Schmerztherapeut/Schmerzspezialist/ggfls. Schmerz-Ambulanz
In nicht wenigen Fällen von „chronischen Kreuzschmerzen“ ist auch unumgänglich eine …
3. stationäre Behandlungin einer Fachklinik
(z.B. Schmerzklinik)