Читать книгу Das Reisebuch Kanada - Dr. Margit Brinke - Страница 24

Оглавление

THEMA

AUS »INDIANERHÜGELN« WURDEN WIKINGER-RELIKTE

Die Nordmänner-Siedlung der wahren Amerika-Entdecker

Eine Landkarte, die das Royal Ontario Museum in Toronto veröffentlicht hat, zeigt die Route, auf der die Wikinger ein halbes Jahrtausend vor Kolumbus das heutige Kanada erkundeten. Demnach segelten die Nordmänner nicht nur, wie mittlerweile bekannt, nach Neufundland, sondern auch weit hoch nach Baffin Island. Auch dort entdeckten Archäologen Objekte, die auf Wikinger-Visiten schließen lassen. Noch fehlt dort die letzte Gewissheit, die Neufundland bietet und die in L’Anse aux Meadows sehr anschaulich aufgearbeitet wurde, denn ein beliebtes Thema sind die Krieger und Händler von jenseits des Atlantiks in Kanada allemal.


Kirche in L’Anse aux Meadows: Die Wikinger waren wohl schon Christen.

So stößt man heute in Kanada hin und wieder auf den hübschen Vornamen Snorri, meist im Umfeld skandinavischer Einwanderer. Und dabei könnte Snorri mit gutem Recht ein »all-american name« sein, denn so hieß höchstwahrscheinlich das erste nicht-indianische Kind, das auf amerikanischem Boden geboren wurde. Der Name bedeutet, passend für einen Wikinger, »Angriff« oder »Kampf«. Snorri war einer nordischen Saga zufolge der Sohn von Gudrun, die mit den Nordmännern um das Jahr 1000 nach L’Anse aux Meadows an der Nordspitze der Insel Neufundland kam: Die »Entdeckung Amerikas« fand also mehr als ein halbes Jahrtausend vor Christoph Kolumbus (um 1461 bis 1515) statt.

Sagas sind keine Wikinger-Folklore

Der norwegische Forscher Helge Ingstad und seine Frau Anne, eine Archäologin, wollten Mitte des 20. Jahrhunderts nicht ausschließen, dass die isländischen Sagas, die über ein fernes neues Land jenseits des Ozeans berichteten, zumindest einen wahren Kern haben. Andere Wissenschaftler jener Tage hielten die Wikinger-Berichte für Folklore, da sich für sie auf nordamerikanischem Boden nie einen Beleg für diese frühen Fahrten nach Amerika hatte finden lassen. Bis zu einem Tag im Sommer 1960, als die Ingstads mit ihrem Schiff in die Bucht von L’Anse aux Meadows einliefen.


Die ersten Baumeister Amerikas: Rekonstruiertes Wikinger-Langhaus in L’Anse aux Meadows


Silhouetten der ankommenden Nordmänner in L‘Anse aux Meadows

Dort konnte ihnen der Fischer George Decker zwar keine Hinweise auf die Wikinger geben, aber er zeigte ihnen am Ortsrand grasüberwachsene »Indianerhügel«. Für das Ehepaar Ingstad bestätigte sich bald die Vermutung, auf das lange gesuchte Bindeglied zwischen der Alten und der Neuen Welt gestoßen zu sein. Sie begannen mit anderen Archäologen ihre Ausgrabungen in Neufundland. Hervor kam eine kleine, tausend Jahre alte Wikingersiedlung, wohl der Geburtsort des kleinen Snorri. Von den Wänden der Hütten aus Erd- und Grasblöcken blieb zwar nichts, aber die Grundrisse waren klar erkennbar. L’Anse aux Meadows gibt heute mit seinen Rekonstruktionen und seinem Besucherzentrum einen guten Eindruck davon, wie die ersten Europäer in Amerika lebten. Das war Grund genug für die UNESCO, den Küstenfleck 1978 zur Welterbestätte zu machen.

»Weinland« war der erste Name für die Neue Welt

Irritationen gab es anfangs noch wegen der Tatsache, dass die Sagas von »Vinland« berichteten. War es damals in der subarktischen Region so warm, dass dort wilder Wein wuchs? Schließlich bezeichneten die Wikinger Grönland ja auch als »grünes Land«. In L’Anse aux Meadows fanden sich verrottete Rebenreste. Offenkundig nutzten die Nordmänner ihre Siedlung als Basis für Fahrten entlang der Küste nach Süden und hatten dort wohl wilde Reben gefunden – Vinland galt als Name für die ganze Region bis hinunter in die heutigen USA, nach New England. Schon um 1075 berichtete der Chronist Adam von Bremen von der Vinland-Entdeckung. Spätere Wikinger-Sagas griffen das Thema auf. Heutzutage leben die Sagas in L’Anse aux Meadows fort, zumindest in der Sommersaison, wenn den Besuchern dort »living history« geboten wird. Dazu kostümieren sich sachkundige Mitarbeiter nach Art der Wikinger, üben altes Handwerk wie das Weben oder Schmieden aus und bieten einigen Gästen auch an, selbst einmal Hand anzulegen. Und abends treffen sich Interessierte in der Küche der rekonstruierten Anlage, um beim Feuer nordische Sagas zu hören. Diese hatten viele Themen, ein spezieller Bereich waren die Island-Sagas, die unter anderem Berichte über die Expeditionen von Island nach Grönland und weiter in den Westen enthielten. Alle Sagas basieren auf mündlicher Überlieferung. Aufgeschrieben wurden sie erst zwei bis drei Jahrhunderte später, womit heutige Forscher manche Unstimmigkeiten in den Texten in altnordischer Sprache erklären.


Kostümierte Museumsleute zeigen, wie man vor tausend Jahren im Langhaus lebte.

Das Reisebuch Kanada

Подняться наверх