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Zwischen Integration und Gefährdung

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Die Weimarer Republik brachte einerseits die weitere rechtliche Gleichstellung jüdischer Bürgerinnen und Bürger51 sowie die Anerkennung der jüdischen Gemeinden und Landesverbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts52 und damit die Gleichbehandlung mit den christlichen Kirchen. Dem entgegen stand ein sich radikalisierender Antisemitismus der rechten Parteien, der »den Juden« alle tatsächlichen oder vermeintlichen Übel der Zeit (u. a. militärische Niederlage [Dolchstoßlegende!], Wirtschaftskrisen, Moderne in Kunst und Literatur [»Kulturbolschewismus«]) anlastete.

Während, wie Meier Spaniers Ausführungen zeigen, in größeren Städten dieser Antisemitismus in den Zwanzigerjahren zunehmend als Problem wahrgenommen wurde, dürften in der Wunstorfer Gemeinde vorläufig eher die Abwanderung vor allem junger Menschen und die immer wieder geplante Schließung der jüdischen Elementarschule, an die mit der Lehrer- auch die Vorbeterstelle gebunden war, Sorgen bereitet haben. 1926 stellt der 1919 gegründete und von Lehrer Siegfried Weinberg geleitete »Jüdische Jugendverein Wunstorf« seine Arbeit ein, weil alle jugendlichen Gemeindemitglieder fortgezogen waren.53 In der Bevölkerungsstatistik steigen die absoluten Zahlen nach einem signifikanten Einbruch zwischen 1885 und 1895 (von 80 auf 56 Personen) bis 1925 wieder auf 69 an, bevor sie nach 1925 massiv (über 46 [1933]) auf 12 im Jahre 1939 zurückgehen. Dagegen sinkt der prozentuale Anteil der jüdischen Bevölkerung Wunstorfs kontinuierlich von 3,9 % im Jahre 1861 auf 0,8 % 1933 (0,2 % 1939).54

Trotz z. T. guter Integration in das gesellschaftliche Leben55 dürfte das sich insgesamt verändernde Klima manchen zur Auswanderung veranlasst haben.56 Doch abgesehen von der dramatischen Entwicklung ab 1933 lässt sich die Abnahme der jüdischen Bevölkerung in Wunstorf und anderen ländlichen Gemeinden und Kleinstädten zudem mit der seit dem 19. Jahrhundert in ganz Deutschland festzustellenden Tendenz zu deren Verstädterung erklären.57 1920 lebten in Preußen ca. 72 % aller jüdischen Bürgerinnen und Bürger in Großstädten.58 Hinzu kommt, dass sich nicht nur regional eine Verringerung der jüdischen Bevölkerung, trotz Zuwanderung aus Ost- und Ostmitteleuropa, feststellen lässt. Denn die Urbanisierung hatte u. a. geringere Kinderzahlen sowie vermehrte »Mischehen« und Konversionen zur Folge.59

Die wirtschaftlichen Probleme der Zwanziger- und Dreißigerjahre trafen die meist selbstständige oder in Handel und Bankwesen tätige jüdische Bevölkerung besonders hart.60 In Wunstorf trug die Weltwirtschaftskrise vermutlich dazu bei, dass das Haus des Pferdehändlers Alexander Schönfeld (Nr. 87) in der Bahnhofstraße (ab 1933: Hindenburgstraße) der Zwangsversteigerung zum Opfer fiel.61

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