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Vorwort
ОглавлениеIn seinem 2018 erschienenen Roman »Das Feld« lässt der österreichische Schriftsteller Robert Seethaler die Toten auf dem Friedhof des fiktiven Provinzstädtchens Paulstadt aus ihrem Leben erzählen. Ihre Darstellungen verweben sich zu einem Bild der kleinstädtischen Gesellschaft.
Die vorliegende Veröffentlichung folgt einer verwandten Methode – freilich ohne literarischen Anspruch. Die auf dem Friedhof an der Nordrehr bestatteten Jüdinnen und Juden, deren Grabsteine und -inschriften im Mittelpunkt dieses Bandes stehen, sollen aus den erhaltenen Quellen ein Gesicht bekommen. So entsteht, wenn auch notgedrungen nur bruchstückhaft, ein Porträt der jüdischen Gemeinde Wunstorf im 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Hatte bereits der Leipziger Rabbiner Gustav COHN im Vorwort zu seiner Schrift »Der jüdische Friedhof« (Frankfurt/M. 1930) die alten jüdischen Friedhöfe als eine »geschichtliche Quelle von eminenter Bedeutung« bezeichnet, gilt dies nach der weitgehenden Vernichtung des deutschen und europäischen Judentums in der Zeit des Nationalsozialismus erst recht, und ebenso für die jüngeren Begräbnisplätze. Der durch den erhaltenen Wunstorfer Friedhof dokumentierte Zeitraum hat innerhalb der Geschichte des deutschen Judentums zudem eine besondere Bedeutung durch den Durchbruch der Emanzipationsbewegung sowie – innerjüdisch – der Entstehung neuer religiöser Strömungen wie dem Reformjudentum und der Neo-Orthodoxie.
Angesichts der immer noch zu konstatierenden, überwiegend auf den Holocaust reduzierten Wahrnehmung jüdischer Geschichte in der breiten Öffentlichkeit, scheint der erweiterte Blick auf die Zeit vor 1933 besonders geboten. So unverzichtbar die lebendige Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen ist und bleibt, so dürfte das Jahr 2021 mit der Feier von 1700 Jahren jüdischen Lebens auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands die unzulässige Ausblendung einer reichen Vergangenheit erneut bewusst machen.
Neben den vor allem im Stadtarchiv Wunstorf und dem Niedersächsischen Landesarchiv Hannover und Bückeburg erhaltenen Akten sind es die Erinnerungen des in Wunstorf geborenen Germanisten und Pädagogen Dr. Meier SPANIER (1. November 1864 bis 28. September 1942), die Einblicke in die Lebenswelt der Wunstorfer Jüdinnen und Juden gewähren.
Die Grabinschriften des 1982 unter der Leitung von Friedel Homeyer dokumentierten Friedhofs werden hier erstmals vollständig, zusammen mit einer neuen Übersetzung, herausgegeben und kommentiert (Näheres hierzu s. S. 37 f.). Die chronologische Anordnung lässt die Veränderungen in der Gestaltung von Stein und Inschrift sowie, zusammen mit den biographischen Angaben, die sich wandelnden Lebensumstände der Verstorbenen erkennen. Die Einleitung skizziert die rechtliche und gesellschaftliche Situation der jüdischen Bevölkerung im Königreich bzw. in der preußischen Provinz Hannover in dem hier relevanten Zeitraum und stellt die Gemeinde in ihren wichtigen Ämtern und Einrichtungen vor. Der Anhang bietet neben einer Auswahl von Grabsteinen des jüdischen Friedhofs Steinhude u. a. die in den Personenstandsverzeichnissen der jüdischen Gemeinden bzw. der Standesämter enthaltenen Daten. Ich hoffe, dass sich das vorliegende Buch auf diese Weise sowohl für historisch als auch genealogisch Interessierte als hilfreich erweist und zu einer weiteren Erforschung der jüdischen Vergangenheit Wunstorfs anregt.
Der Anstoß zur intensiveren Beschäftigung mit der jüdischen Gemeinde Wunstorf und ihrem Friedhof geht auf die von Dr. Peter Schulze, Hannover, konzipierte Ausstellung »Mit Davidsschild und Menora – Bilder jüdischer Grabstätten aus Hannover und Wunstorf« zurück, die im Herbst 2017 beim Heimatverein Wunstorf gezeigt wurde, und zu der ich einen kleinen Lokalteil erstellt hatte. Herrn Dr. Schulze danke ich für sein Engagement bei der Erforschung der Geschichte der jüdischen Friedhöfe in Wunstorf und Steinhude, für manch anregendes Gespräch und das Interesse an meiner Arbeit. Die Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisse soll im kommenden Jahr erfolgen.
Ich danke darüber hinaus den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Niedersächsischen Landesarchivs an den Standorten Hannover, Pattensen und Bückeburg sowie des Stadtarchivs Hannover, für die – auch unter Coronabedingungen – zuverlässige Bereitstellung der benötigten Akten. Für Rat und Auskunft (auch auf schriftlichem Wege) gilt mein Dank Karina Niggemann, Niedersächsisches Landesarchiv, Abt. Oldenburg, Dr. Elke Strang, Landesarchiv Schleswig-Holstein, Schleswig, Nathanja Hüttenmeister, Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte, Essen, Christoph Brunken, Stadtarchiv Delmenhorst, Mag. theol. Gerd Brockhaus, P. i. R., Verein »Begegnung – Christen und Juden Niedersachsen e. V.«, Hannover, sowie Steinmetz- und Steinbildhauermeister Gregor Ferl, Wunstorf.
Das Team des Stadtarchivs Wunstorf – Stadtarchivar Klaus Fesche, Sabrina Bauch und Hinrich Ewert – hat mich, wie schon so oft, mit Rat und Tat unterstützt. Herr Fesche hat sich zudem in besonderem Maße für die Drucklegung des Buches eingesetzt und bei den Korrekturen wertvolle Hilfe geleistet.
Dankbar bin ich der Stadt Wunstorf, namentlich Herrn Bürgermeister Rolf-Axel Eberhardt, für die dem Projekt zuteil gewordene Unterstützung.
Meiner Frau, Margit Schneider, danke ich für ihre Ermutigung, ihren Rat und weiterführende Diskussion.