Читать книгу Im Licht des Lebens - Eberhard Kaus - Страница 17

Der Mohel

Оглавление

Der Mohel (Beschneider) war als solcher i. e. S. kein Amtsträger der Synagogengemeinde oder einer übergeordneten Institution.112 Gleichwohl kam ihm eine besondere Bedeutung zu, da die Beschneidung (mila) einen Ritus darstellt, der eng mit der jüdischen Identität verbunden ist.113 Sie ist Zeichen des Bundes (berit), den Gott der Tora zufolge mit Abraham schloss (Gen 17, 10–14).

Die herausragende Bedeutung des Gebotes (mizwa) der Beschneidung wird u. a. daran deutlich, dass sie sogar am Sabbat durchgeführt werden darf.114 Die zeitweiligen innerjüdischen Diskussionen um Notwendigkeit und Praxis der Beschneidung im 19. Jahrhundert führten letztlich zu Verbesserungen in Ausbildung und Kontrolle der Mohalim, nicht aber zu einem Verzicht auf den Ritus selbst.115

In einem »Handbuch für Synagoge, Schule und Haus« (1891) heißt es zu den Anforderungen:

Abgesehen von den chirurgischen Kenntnissen, die wir in erster Linie verlangen, muß der Mohel aber auch ein frommer Jehudi sein, dem auch die übrigen biblischen und talmudischen Gesetze heilig sind. Die Mila ist keine Operation, sondern eine heilige Handlung, gewissermaßen ein heiliges Opfer, ein Weihezeichen des Bundes zwischen Gott und Israel und nur der kann dieses eminent wichtige Gebot ausüben, der durch sein Leben zeigt, daß ihm auch die übrigen Gottesgebote, z. B. Speise- und Sabbathgesetze heilig sind.116

Unter den auf dem neuen jüdischen Friedhof in Wunstorf begrabenen Männern übten Moses Samuel Spanier (Nr. 3), der Großvater Meier Spaniers, sowie Michael Moses Goldschmidt (Nr. 51) dieses Amt aus. Der Auftrag zu einer Beschneidung war nach dem Zeugnis des niederländischen Rabbiners Simon Philip de VRIES eine Ehrung, die oft zu einer dauerhaften Freundschaft zwischen dem Mohel und der jeweiligen Familie führte.117 Für einen Junggesellen wie Michael Goldschmidt dürfte dies ein erfreulicher »Nebeneffekt« der Mizwa gewesen sein. Die Achtung, die man ihm entgegenbrachte, zeigen die Berichte zu seinem 50-jährigen Jubiläum.

Meier Spanier erinnert sich:

Übrigens übte er [d. h. Michael Goldschmidt; E. K.] wie mein Großvater, dessen Mohelbuch in meiner Hand ist, die Mizwa der Mila. Als er zum tausendsten Male diese religiöse Pflicht erfüllt hatte, gab ihm die Wunstorfer Gemeinde ein Festmahl. Beglückt von den vielen Ovationen, die man ihm brachte, erhob er sich von seinem Ehrensitze, und dankerfüllt rief er nur die Worte aus: »Gott sei Lob, ich habe nie eine Verblutung gehabt!« Er war damals schon über siebzig Jahre alt, und da seine Hand, besonders in der Erregung, stark zitterte, hätte er eigentlich die Mizwa schon etwas früher anderen überlassen sollen. Aber sein frommer Eifer war stark. (SPE, S. 27 f.; RICHARZ, S. 206 f.)

Und in der in Hannover erscheinenden jüdischen Wochenzeitung »Jeschurun« (19. Jg., 1886, Nr. 15/16, S. 241) berichtete ein Gemeindemitglied (möglicherweise Albert Mendel):

A. M. Wunstorf, 10. April. Eine Feier, wie sie wohl selten begangen wird, vereinigte am letzten Sonnabend unsere Gemeinde. Herr Michael Goldschmidt, einer [!] unserer achtbarsten und ältesten Gemeindemitglieder, hatte mit dem heutigen Tage fünfzig Jahre lang das heilige Amt eines Mohels versehen. Die Gemeinde hatte große Vorbereitungen getroffen, um dem 77 Jahre alten, alleinstehenden Manne, der sich besonderer Erdengüter nicht zu erfreuen hat, durch reiche Geschenke und Festlichkeiten diesen Tag zu einem recht freudigen zu gestalten. Am Freitag Nachmittag wurden ihm die Geschenke der Gemeinde, des Frauenvereins und der einzelnen Mitglieder vom Komitee überreicht. Die Freude über diese Aufmerksamkeit und Theilnahme benahmen dem Greise die Fähigkeit zum Sprechen. Am Sonnabendmorgen überbrachte ihm ein vom Lehrer Schoeps geleitetes Doppelquartett ein Ständchen. Durch einen für diesen Tag eingerichteten Chorgesang gewann auch der Gottesdienst an Feierlichkeit. Nach demselben fand in der Wohnung des Herrn Levy ein Festessen statt, zu welchem die ganze Gemeinde, Männer, Frauen und Kinder, erschienen waren.

Nachdem Herr Vorsteher Löwenstein dem Jubilar die freudige Mitteilung über Verleihung des [chawer]-Titels seitens des Landrabbiner [!] Herrn Dr. Gronemann gemacht hatte, hielt Herr Lehrer Schoeps eine längere Ansprache an den Jubilar, in der er ihm den Dank für seine Verdienste um das Judenthum in herzlichen Worten ausdrückte. Herr Lehrer Spanier aus Neustadt, der zur Feier hierher gekommen war, ließ den Jubilar in geistreicher Rede hochleben. Weitere Toaste folgten auf Herrn Landrabbiner Dr. Gronemann von Herrn Schoeps, auf die Damen, auf die vielen Gratulanten, die in Depeschen und Briefen ihre Glückwünsche mitgetheilt hatten. Besondere Freude machten dem Jubilar zwei Bilder, die Herr Photograph Ahron angefertigt und die ihn im Walten seines Amtes darstellen. Möge der wackere Herr noch lange unter uns walten!

Im Licht des Lebens

Подняться наверх