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Frauen und Männer

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Ähnlich wie in den zeitgenössischen christlichen Gemeinden, war die aktive (Mit-)Gestaltung des Gottesdienstes sowie die Teilhabe an der Verwaltung der Synagogengemeinde Männern vorbehalten. Eine gottesdienstliche Handlung erforderte den Minjan, die Mindestanzahl von zehn religiös Mündigen. Voraussetzung war die Gebotspflichtigkeit mit Vollendung des 13. Lebensjahres, wenn ein Junge als bar mizwa (»Sohn des Gebotes«) das erste Mal in der Synagoge zur Toralesung aufgerufen wurde.

In der Synagoge herrschte Geschlechtertrennung. Eine »Frauenempore« (»Frauenschule«) im rückwärtigen Teil des Gebetshauses sollte verhindern, dass die Männer bei ihrem Gebet abgelenkt würden. Frauen waren zur Teilnahme am Gottesdienst grundsätzlich nicht verpflichtet, wenn sie dadurch ihre häuslichen Pflichten hätten hintanstellen müssen. Diese Pflichten hatten allerdings, besonders aufgrund der umfangreichen Reinheitsgebote, eine besondere Bedeutung für das religiöse Leben, so dass die Konstatierung einer Randstellung der jüdischen Frauen in der Gemeinde zu relativieren ist.118

Der Ehestand war sowohl für Männer als auch für Frauen die am meisten anerkannte Lebensform,119 wobei die arrangierte Ehe die Regel war.120 Das durchschnittliche Heiratsalter (im 19. Jh. auf dem Land bei Frauen 25–28 Jahre, bei Männern um die 30 Jahre) lag dabei geringfügig höher als im christlichen Umfeld.121 Die geschlechtsspezifische Unterscheidung in den religiösen Pflichten korrespondierte grundsätzlich mit den Rollen in der Familie. Allerdings arbeiteten in jüdischen Geschäften Frauen eher mit als in zeitgenössischen nichtjüdischen.122

Die auf dem Wunstorfer Friedhof bestatteten Männer waren zum überwiegenden Teil Händler und Kaufleute, wie angesichts der zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch herrschenden weitgehenden Erwerbsbeschränkungen und der üblichen Weitergabe des Geschäfts vom Vater auf einen Sohn nicht anders zu erwarten ist. Im Bereich Banken und Versicherungen arbeiteten nur Moses David Spanier (Nr. 37), Moses Ephraim Löwenberg (Nr. 40), und Abraham Levy (Nr. 70). Das Handwerk und produzierende Gewerbe beschränkte sich weitgehend auf die in älterer Zeit Juden gestattete Schlachterei und damit in Zusammenhang stehende Berufe wie Seifensieder, Kürschner und Lohgerber. Insofern fallen der Klempner Leser Spanier (Nr. 50), der Vater Meier Spaniers, und der Kupferschmied Gustav Lazarus (Nr. 86), der zudem noch eine Meisterprüfung abgelegt hatte, aus dem Rahmen. Letzterer hatte allerdings in seinem Vater, dem Gelbgießer Simon Lazarus (*ca. 1820), einen Vorläufer. Noch um 1860 waren die Voraussetzungen für jüdische Handwerksbetriebe in einer Kleinstadt wie Wunstorf schwierig. So führt Leser Spanier in einem Brief an Landrabbiner Dr. Meyer vom 15. April 1860 zur Begründung seiner finanziell prekären Lage u. a. an: »3) Gehört als Jude sehr viel dazu ein Handwerk auf dem Lande zu treiben, das heißt, wen[n] man seine Religion doch einigermaßen behaupten will […].«123

Unverheiratete Frauen wie Rebekka Spanier (Nr. 56) und wohl auch Marianne Rosenberg (Nr. 64) unterstützten nahe Verwandte bei der Haushaltsführung. Eine Ausnahme unter den in Wunstorf bestatteten ledigen Frauen ist die Putzmacherin Betty Meyermann (Nr. 55), die sich neben ihrer Erwerbstätigkeit noch um die Tochter ihres alkoholkranken Bruders Samuel (Nr. 61) kümmerte.

Während der 1825/6 gegründete Wunstorfer »Krankenpflege- und Gesetzstudium-Verein« (Chewrat bikkur cholim we Talmud-Tora), dem zuletzt nur noch drei Männer aus der Gemeinde Wunstorf und ein Großenheidorner angehört hatten, 1867 aufgelöst wurde,124 bestand der »Israelitische Frauenverein«, der 1849 als »Israelitischer Frauenwohltätigkeitsverein« gegründet worden war, mit zehn Mitgliedern noch 1935. So waren es in Meier Spaniers Erinnerung besonders die Frauen, die auf religiösem und sozialem Gebiet vorbildlich handelten:

Auch in meinem Heimatorte, wo die Männer doch so oft in hässlichem Streit miteinander lebten und törichter Parteikram die Gemüter unnötig verbitterte, waren es die Frauen, die gottesfürchtig und gütig, ein edles Vorbild des Religiösen gewährten. Jede von ihnen hatte ein gerüttelt Maß an Arbeit im Hause, aber sie hielten alle zusammen, sahen die schwierige Lage der andern mitfühlenden Herzens und halfen sich gegenseitig. (SPE, S. 39 f.; RICHARZ, S. 211)

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