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Auf dem Weg zum Holocaust
ОглавлениеDie Machtübertragung an die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 bedeutete den Anfang vom Ende des deutschen und europäischen Judentums. »Das Schicksal der Juden in Wunstorf« in diesen Jahren hat Heiner WITTROCK ausführlich dargestellt. Ich beschränke mich daher auf einen allgemeinen Überblick für die Zeit bis 1938, dem Jahr, in dem einerseits die letzte Bestattung auf dem Wunstorfer Friedhof erfolgte, andererseits der Novemberpogrom (»Reichskristallnacht«) inszeniert wurde, der, zusammen mit seinen Begleitmaßnahmen (u. a. Deportationen, Morde, »Arisierung«), als »der erste Schritt zur Endlösung«62 bezeichnet werden kann.
Bald nach Verabschiedung des sogenannten »Ermächtigungsgesetzes« (24. März 1933) begann mit dem Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte (1. April 1933) der schrittweise Ausschluss jüdischer Bürgerinnen und Bürger vom öffentlichen Leben. Am 7. April verfügte das »Gesetz über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« die Entlassung jüdischer Staatsbediensteter, wie des (seit 1924 wegen staatlichen Personalabbaus vorläufig beurlaubten) Lehrers Siegfried Weinberg (siehe den Kommentar zu Nr. 77). Die Maßnahmen erreichten mit den »Nürnberger Gesetzen« vom 15. September 1935, die u. a. Jüdinnen und Juden die Staatsangehörigkeit aberkannten und »Mischehen« verboten, einen vorläufigen Höhepunkt.
Das Jahr 1938 zeigte bereits vor dem Novemberpogrom eine weitere Entrechtung, u. a. mit dem Verlust der Approbation für jüdische Ärzte, der Einführung zusätzlicher Zwangsvornamen (»Israel«, »Sara«) und der Kennzeichnung der Pässe mit einem »J«. Nach dem Pogrom kam neben anderen Einschränkungen der Ausschluss vom Besuch kultureller Veranstaltungen (Theater, Kinos, Konzerte) und öffentlicher Schulen hinzu. Ebenso gehört die Erfassung »jüdischen Wohnraums« und vorhandener Vermögenswerte zu den (zumindest aus heutiger Sicht) auf Deportation und Vernichtung vorausweisenden Maßnahmen des Jahres 1938. Der staatlich verordnete Entzug der Existenzgrundlage stellt wohl auch den Hintergrund für den Suizid des Viehhändlers Gottschall de Jonge (Nr. 90) dar, der als letztes Mitglied der jüdischen Gemeinde im März 1938 auf dem Wunstorfer Friedhof an der Nordrehr bestattet wurde.