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Aydin lag allein in einem Zweibettzimmer. Ihr Bett stand am Fenster. Die Vorhänge waren zurückgezogen. Sie konnte in den Himmel sehen. Zumindest mit dem nicht zugeschwollenen linken Auge.

Als Lou einen Strauß Sommerblumen auf ihr Nachtkästchen legte und dabei in ihr Blickfeld trat, fuhr sie zusammen. Sie hatte weder sein Klopfen gehört, noch dass er das Zimmer betreten hatte.

„Ich bin’s nur“, sagte Lou leise.

Aydin sah ihn an und versuchte zu lächeln. Allerdings war ihr Gesicht dermaßen zugerichtet, dass es ihr nicht wirklich gelang.

Er zog sich einen Hocker heran und setzte sich so neben sie, dass sie ihn ansehen konnte, ohne den Kopf bewegen zu müssen.

„Tut’s sehr weh?“

„Geht so. Sie geben mir Schmerzmittel.“

„Und der Arm?“

„Siehst du ja. Geschient.“

„Gebrochen also.“

„Hm.“

Er betrachtete sie kopfschüttelnd. Das weiße Krankenhaushemd ließ sie noch matter und elender erscheinen.

„Wer war das? Wer hat dich so zugerichtet?“

Ihr Blick wanderte an ihm vorbei wieder in den Himmel.

„Aydin“, fragte Feldmann nach einer Weile, als sie immer noch nicht geantwortet hatte, „das heißt aber nicht, dass Mehmet das getan hat?“

„Die wollten von mir wissen, wo er ist“, flüsterte sie.

„Er ist also nicht nach Istanbul geflogen.“

Sie wandte den Kopf ab, atmete ein paar Mal ein und aus, drehte sich dann wieder zu ihm um.

„Glaub mir, Lou, ich hab wirklich alles versucht.“

Feldmann seufzte. Einen Moment lang wusste er nicht, was stärker wog: das Mitleid mit Aydin oder die Wut über Mehmet, der letztlich dafür verantwortlich war, dass seine Frau jetzt in diesem Zustand hier lag.

„Weißt du, wo er ist?“

„Ich würde es dir sagen.“ Sie schluckte. Es war nicht zu übersehen, dass Sprechen ihr schwerfiel. Feldmann legte ihr beruhigend eine Hand auf den gesunden Arm. „Ich will dich nicht noch mehr anstrengen, Aydin. Du brauchst Ruhe.“

„Ich mach mir solche Sorgen um ihn“, jammerte sie leise, fast unhörbar.

„Zu Recht“, sagte Feldmann. „Aber du kannst ihm nicht helfen. Du hast es ja versucht. Jetzt musst du erst mal wieder auf die Beine kommen. Fadime braucht ihre Mutter noch.“ Er sah, wie eine Träne sich aus Aydins linkem Auge löste und auf die Wange sickerte. „Auch wir brauchen dich“, setzte er nach. Er stand auf, stellte den Hocker zurück und drückte ihre Hand. „Gute Besserung, Aydin. Bis bald.“

„Wenn Mehmet sich meldet …“, sagte sie leise, als er schon an der Tür war.

„Gib mir Bescheid“, sagte Feldmann.

Er ging den langen Flur entlang zum Treppenhaus, entschied sich dann aber doch, den Aufzug zu nehmen. In der Notaufnahme stieg er aus. Er wollte im Ärztezimmer nach Dr. Sylvie Westphal fragen, aber er hörte im Vorbeigehen aus einer offenen Tür Stimmen und erkannte darunter auch ihre. So blieb er einige Schritte davon entfernt stehen und wartete.

Sie war nicht erstaunt, ihn zu sehen, als sie wenige Minuten später auf den Flur heraustrat.

„Ich habe gehört, dass sie Aydin übel zugerichtet haben“, sagte sie anstelle einer Begrüßung. „Aber ich war nicht da, als sie gebracht wurde. Heute Mittag. Du weißt ja, dass ich Nachtdienst hatte.“ Ihre grünen Augen blickten ihn ernst an, als wollten sie sagen: Ziemlich viel auf einmal, Lou Feldmann. Erst dein Neffe, jetzt Aydin.

Lou nickte. „Du könntest aber vielleicht in Erfahrung bringen, was in der Aufnahmeakte steht? Ich meine, wo sie gefunden wurde, wann und von wem, wer den Notarzt verständigt hat und so weiter.“

Sylvie zeigte auf ein paar Stühle, die in einem Wartebereich standen. „Setz dich, ich sehe nach.“

Feldmann sah hinter ihr her, als sie sich mit schnellen Schritten entfernte. Unverkennbar machte sie sogar in diesem weißen Kittel eine gute Figur. Ihr federnder Gang, ihre Haltung zeigten, dass sie mit sich im Reinen war. Lou hatte Sylvie Westphal vom ersten Augenblick an, als sie damals Andersen in Cordalis’ Villa besucht hatte, attraktiv gefunden und er war sich bewusst, dass er gut auf sich aufpassen musste. Er seufzte leise, als er sich auf einen der freien Stühle im Wartebereich setzte.

Es dauerte nicht lang, da stand sie wieder vor ihm und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, ihr ins Ärztezimmer zu folgen.

„Ich möchte das nicht auf dem Gang besprechen“, erklärte sie, als sie die Tür hinter ihm schloss, und kam dann unmittelbar zur Sache. „Es waren offenbar drei Männer, die bei Aydin anrückten. Aydin sagt, sie kannte sie nicht. Sie haben ihr vor ihrem Haus aufgelauert, als sie vom Einkaufen zurückkam, und sie sofort im Treppenhaus in die Mangel genommen und zusammengeschlagen, weil sie behauptete, nicht zu wissen, wo Mehmet ist. Ein Nachbar, der zufällig gerade aus seiner Wohnung kam, hat ihr wahrscheinlich das Leben gerettet. Die drei haben sich davongemacht, und er hat sofort den Notarzt gerufen und sich neben Aydin gesetzt und ist bei ihr geblieben. Das Ganze muss gegen 11:30 Uhr passiert sein, der Krankenwagen mit ihr kam hier jedenfalls fast punktgenau um 12 Uhr an. Mehr weiß ich leider nicht.“

„Schwere Körperverletzung muss gemeldet werden. War die Polizei schon hier? Hat Aydin Anzeige erstattet?“

Sie hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. „Von unserer Seite ist es sicher gemeldet worden. Aber dass Aydin Anzeige erstattet hat, kann ich mir nicht vorstellen. Und in der Akte steht davon ohnehin nichts.“

„Du hast recht“, sagte Feldmann. „Aydin hat auch kein Interesse daran, die Polizei einzuschalten.“ Er überlegte kurz. „Leider“, fügte er dann hinzu.

„Das sagst ausgerechnet du?“, fragte Sylvie spöttisch.

„In diesem Fall, ja.“

Sie sah ihn fragend an, beließ es aber dabei.

„Noch eins“, sagte Lou. „Ich möchte dich bitten, dafür zu sorgen, dass Aydin die bestmögliche Versorgung erhält. Du verstehst, die bestmögliche. Nicht nur das, was die Kasse zahlt.“

Sylvie lächelte. „Wird gemacht, Chef.“ Sie tippte ihm mit dem Zeigefinger auf den Arm. „Ich weiß nicht, wann ich hier heute rauskomme. Aber wenn’s nicht zu spät wird, schau ich noch vorbei.“

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