Читать книгу Glücksspieler - Elfi Hartenstein - Страница 16
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ОглавлениеSylvie Westphal kam übermüdet und fertig aus dem Urbankrankenhaus, es war eine anstrengende Schicht gewesen mit viel Arbeit und vor allem mit vielen Verständigungsproblemen – in diesem Stadtteil gab es ungefähr hundertfünfzig Bevölkerungsgruppen mit vielen verschiedenen Sprachen. Sie ging zum Parkplatz, stieg in ihr Auto und freute sich auf ihr Bett und einen langen tiefen Schlaf. Nach ein paar hundert Metern stellte sie fest, dass ihr ein Wagen folgte. Sie behielt ihn im Blick, er fuhr immer im gleichen Abstand hinter ihr her. Vielleicht war es Zufall, vielleicht auch einfach nur Paranoia, dass sie glaubte, verfolgt zu werden. Übermüdung. Sie bog in eine Seitenstraße ein. Der Wagen folgte ihr noch immer. Sehr langsam fuhr sie eine weitere schmale Straße entlang, das Auto hinter ihr wurde ebenfalls langsamer. Sie hielt an. Ihr Verfolger auch. Sylvie Westphal stieg aus und ging zu ihm, schlug mit der Hand auf die Motorhaube. Die Fahrertür öffnete sich, am Steuer saß Kriminalhauptkommissar Schneider, der nun auch ausstieg.
Sylvie Westphal lachte trocken auf. „Sieh mal an, Kommissar Schneider hat den Friseur gewechselt. Der schneidet noch beschissener als sein Vorgänger. Aber vielleicht liegt es ja einfach an deinem Gesicht. Du solltest mal zum Schönheitschirurgen, Schneider. Soll ich dir einen empfehlen? Oder warum fährst du mir sonst nach?“
„Ganz einfach“, sagte Schneider und ärgerte sich, dass ihn die Bemerkungen der Ärztin in seiner Eitelkeit kränkten, „ich habe gehofft, dass du mich zu Manu Feldmann bringst. Den verarztest du doch, oder?“
Sie schüttelte den Kopf. „Idiot – merkst du nicht, dass ich auf dem Weg zu mir nach Hause bin? Du kannst mich ja vorladen lassen, wenn du was gegen mich vorzubringen hast. Aber jetzt lass mich in Ruhe. Ich will heim und schlafen. Zehn Stunden mindestens. Und falls du mich besuchen willst, musst du schon einen Durchsuchungsbeschluss mitbringen. Polizisten haben bei mir generelles Hausverbot.“
„Polizisten, ja, Verbrecher nicht. Ich weiß. Verarsch mich nicht, Sylvie. Wenn du nicht kooperierst, bist du erledigt.“
Sylvie ließ ihn stehen und ging zu ihrem Wagen, drehte sich beim Einsteigen jedoch noch einmal zu Schneider um. „Du kannst mich mal.“ Damit schlug sie die Wagentür zu und fuhr los.
Schneider folgte ihr nicht. Sie hoffte, dass ihm nicht aufgefallen war, wie nervös er sie gemacht hatte. Als würde sie nicht auch ohne ihn wissen, dass sie dran war, wenn ihr ein weiterer Fehler unterlief. Dabei hatte sie keine Ahnung, was sie ohne ihre Approbation machen sollte. Sie liebte ihren Beruf. Doch sie liebte auch Menschen, die nicht in gesellschaftliche Klischees passten, die Regeln brachen. Sylvie rebellierte noch immer gegen ihr großbürgerliches Elternhaus, in dem jede Abweichung von gesellschaftlichen Normen Sanktionen nach sich gezogen hatte. Berührungsängste kannte sie nicht. Und sie liebte eben auch das Risiko.