Читать книгу Glücksspieler - Elfi Hartenstein - Страница 20

16

Оглавление

Nachdem Mehmet mehrere Stunden kreuz und quer durch die Stadt gefahren war und verzweifelt nach einer Lösung gesucht hatte, wurde ihm klar, dass es keinen anderen Ausweg gab, als vor Dimitri Cordalis auf die Knie zu gehen. Sollten sie ihm doch die Knochen brechen oder ihn auch totschlagen, aber an seiner Frau und seiner Tochter durften sie sich nicht vergreifen. Und vielleicht würde Cordalis ihm ja – die Hoffnung bestand immerhin – Aufschub gewähren, denn ein toter Mehmet Celik wäre für ihn ein Verlustgeschäft.

Entschlossen machte Mehmet sich auf den Weg nach Dahlem, wo er sich schneller als ihm lieb war vor Cordalis’ Villa wiederfand. Er ging zum Tor der Auffahrt, atmete noch einmal tief durch und drückte dann mit zittrigem Finger die Klingel. Drinnen fing ein Hund an zu bellen, aber sonst geschah nichts. Mehmet Celik stand ein paar Atemzüge lang still. Vielleicht war das ein Zeichen. Er wollte schon wieder gehen, doch dann sagte er sich: Nein, ich laufe diesmal nicht davon. Er klingelte ein zweites Mal. Erneutes Hundegebell antwortete ihm. Doch keine wütenden Schläger stürmten heraus, kein zorniger Cordalis. Nein, wiederholte Celik noch einmal, diesmal laufe ich nicht davon.

Gegenüber auf der anderen Straßenseite lehnte er sich an einen Zaun und wartete. Nach einiger Zeit hockte er sich auf die Fersen, wie er es schon lange nicht mehr getan hatte. Das hatte er seinem Vater abgeschaut, wenn sie manchmal an staubigen Landstraßen auf einen Bus gewartet hatten. Mehmet war die große Hoffnung seiner Familie gewesen. Sein Vater war jetzt sicher enttäuscht. Ach baba, dachte er, verzeih mir. Ich habe alles falsch gemacht. Jetzt muss ich dir sogar meine Tochter schicken, weil ich nicht selbst in der Lage bin, sie zu beschützen. Ich wollte, ich wäre der starke Sohn, den du dir gewünscht hast …

Während Mehmet da hockte und sich leidtat, fuhr ein Taxi vor und hielt vor Cordalis’ Villa. Cordalis stieg aus, ging jedoch, als das Taxi weiterfuhr, nicht ins Haus, sondern blieb, scheinbar unschlüssig, vor der Einfahrt stehen. Mehmet überlegte, ob er sofort auf ihn zugehen und ihn ansprechen sollte. Vielleicht war es nicht ungeschickt, sich ihm schon auf der Straße zu stellen. Cordalis hatte hier keinen seiner Männer an der Seite. Mehmet atmete tief durch und wollte sich gerade aufrichten, als ein zweites Taxi aus der entgegengesetzten Richtung herankam und vor Cordalis anhielt. Es dauerte einige lange Sekunden, bis sich die Beifahrertür öffnete. Der Fahrgast drehte ihm den Rücken zu, aber dann, als Mehmet sein Gesicht sehen konnte, hielt er überrascht den Atem an. Diesen Mann hatte er vor wenigen Stunden in Neukölln die Razzia vor dem Mahlower Eck leiten gesehen. Mehmet rührte sich nicht. Er wollte nicht auf sich aufmerksam machen. Als der Mann auf Cordalis zuging, stieg der Taxifahrer aus und kam ihm nach. In der ausgestreckten rechten Hand hielt er Geldscheine und Münzen. „Das ist nicht genug“, sagte er. Ohne sich aufhalten zu lassen, blaffte der Fahrgast ihn an: „Reparieren Sie erst einmal Ihren Taxameter, bevor Sie mir krumm kommen. Stecken Sie das Geld ein und hauen Sie ab.“ Während der Taxifahrer sich wortlos umdrehte, in seinen Wagen stieg und davonfuhr, klangen diese aggressiven Worte in Mehmets Ohren nach. Irgendetwas kam ihm bekannt daran vor, aber er wusste nicht, was.

Cordalis und der andere hatten die kleine Tür neben dem Einfahrtstor hinter sich geschlossen und gingen auf das Haus zu, aus dem ihnen freudig-aufgeregtes Hundegebell entgegenschallte. Die Gelegenheit, ohne Zeugen bei Cordalis vorzusprechen, war vorbei. Trotzdem wartete Mehmet noch, bis der Mann hinter Cordalis im Haus verschwunden war. Er schien sehr vertraut mit ihm zu sein. Aber Freunde waren sie wohl eher nicht. Sie hatten sich nicht mit Handschlag begrüßt, hatten sich nicht umarmt. Dann konnten sie eigentlich nur geschäftlich miteinander zu tun haben. Sein Kopf arbeitete fieberhaft, während er in Richtung U-Bahn-Haltestelle Dahlem-Dorf ging. Die Gerüchte, die in Spielerkreisen kursierten, waren also wahr: Cordalis pflegte beste Kontakte zur Polizei. Er war reich, er zahlte. Mehmet wusste plötzlich, was er zu tun hatte: Er musste Cordalis seine Beziehung zu diesem Oberbullen nachweisen – dann konnte er ihn dazu bringen, ihm seine Schulden zu erlassen. Er musste nachdenken, musste sich einen Plan zurechtlegen.

Glücksspieler

Подняться наверх