Читать книгу Glücksspieler - Elfi Hartenstein - Страница 7
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ОглавлениеEs war am selben Abend, als Lou Feldmann wieder im Mahlower Eck vorbeischaute. Sein Vater sei gleich nach dem Handel mit Cordalis und der Vertragsunterzeichnung in seine Heimat zurückgekehrt, hatte Ali ihm erzählt. Er wäre schon viel früher gegangen, wenn er nicht befürchtet hätte, von Dimitri übers Ohr gehauen zu werden.
Jetzt saß Feldmann im Hinterzimmer an einem Pokertisch. Der Raum, verräuchert wie eh und je, hatte sich kein bisschen verändert, seit Ali die Kneipe übernommen hatte: bunte Teppiche an den Wänden, Bilder von antiken Ruinen vor strahlend blauem Meer, aber auch von Bergpässen und Almhütten, die genauso gut vom Schwarzwald oder den Bayerischen Alpen hätten stammen können, Regale mit Tongeschirr, ein paar Wasserpfeifen, Musikinstrumente. Folklore-Kitsch als Tarnung, denn die illegalen Pokerrunden an den zusammengeschobenen Ausziehtischen wurden den Aufsichtsbehörden als Folkloreabende verkauft. Feldmann war auf der Suche nach Mehmet Celik gewesen, dem Mann seiner Küchenhilfe Aydin, und hatte ihn hier gefunden. Mehmet spielte also wieder. Feldmann war in die Runde eingestiegen. Er war kein großer Pokerspieler, hatte bloß manchmal unverschämtes Glück. In seiner Zeit bei der Polizei hatte er das Spiel lernen müssen, weil seine damaligen Kollegen fast alle gezockt hatten und er lange darum bemüht gewesen war, nicht als Außenseiter abgestempelt zu werden. Auch diesmal war der Spielergott gnädig und gab ihm gute Karten. Feldmann beobachtete seine Mitspieler: einen habgierigen Profizocker, hager und ausgemergelt, der gelegentlich in den Neuköllner Hinterzimmern auftauchte und auf leichtes Spiel mit den Amateuren hoffte. Zwei Türken um die sechzig, die er nicht kannte, einen etwa siebzigjährigen Griechen, der das Spielen noch immer nicht lassen konnte, den Dealer Ringo, der auf die Vierzig zuging, muskulös, tätowiert, mit schwarzem Pferdeschwanz und einem großen goldenen Ohrring. Und Mehmet Celik. Er hatte den kleinsten Packen Geldscheine vor sich liegen und mitunter Schwierigkeiten, seine Augen vom Pott in der Mitte loszureißen. Der Profizocker lauerte. Er wartete auf seine Chance. Lou Feldmann rechnete im Kopf seine Chancen durch, wusste, dass der Profi bluffte, betrachtete die unbewegten Gesichter der anderen – nur Mehmet war das ewige Verlieren ins Gesicht geschrieben – und deckte auf. Die anderen warfen ihre Karten hin, als sie sein Blatt sahen. Feldmann stand auf, schob die Scheine aus dem Pott zu einem Bündel zusammen, legte einige davon vor den Dealer auf den Tisch, steckte das Bündel dann in seine Jacke, klopfte zum Abschied auf den Tisch und ging. Er schloss die Tür zum Hinterzimmer und setzte sich an den Tresen, hinter dem Ali Özdamar auf einem Hocker saß und Zeitung las. „Einen Corretto, bitte“, sagte Feldmann. Özdamar legte die Zeitung weg, drehte sich zur Espressomaschine, ließ einen Espresso durchlaufen, goss Grappa hinein und stellte die Tasse vor Lou hin. „Du siehst aus, als hättest du gewonnen.“
Lou nickte, nahm einen vorsichtigen Schluck von seinem noch heißen Getränk. „Aber es macht keinen Spaß.“
„Soll ich dir ein Taxi rufen?“
„Nein“, sagte Feldmann, „ich geh erst noch eine Runde zu Fuß.“
„Du weißt, dass um diese Zeit hier ziemlich viele üble Typen unterwegs sind. Leute, die wissen, dass bei meinen Gästen auch immer ein Gewinner dabei ist.“
Feldmann zuckte gleichgültig die Schultern, legte einen Schein auf den Tresen, trank aus und winkte Özdamar zu.
Es war noch Nacht. Bald würde die Dämmerung einsetzen.
Sie warteten hinter der nächsten Straßenecke und fühlten sich unsichtbar. Zwei hagere Burschen, keine zwanzig Jahre alt. Der eine blieb im Schatten einer Einfahrt, der andere löste sich von der Hauswand und kam auf Feldmann zu, eine Hand hinter dem Rücken.
„An eurer Stelle würde ich es erst gar nicht versuchen“, sagte Feldmann. Ehe sein Gegenüber das Messer, das er in der Hand hielt, noch richtig in Stellung bringen konnte, schlug Feldmann zu. Der Angreifer ging zu Boden. Das Messer fiel ihm aus der Hand. Feldmann kickte es mit dem Fuß auf die Straße. „Ich habe euch gewarnt“, sagte er zu dem anderen, der jetzt mit einem Totschläger auf ihn zukam. Als der Junge ausholen wollte, schlug Lou ihm mit dem Handrücken ins Gesicht. Der große Junge, der gern den starken Mann markiert hätte, schrie vor Schmerzen auf, ging in die Hocke, der Totschläger fiel auf die Straße. Feldmann kickte ihn dem Messer hinterher und sah zu, wie der Junge vor ihm versuchte, mit der Hand das Blut, das aus seiner Nase lief, aufzuhalten. „Ich hoffe, du willst jetzt von mir kein Taschentuch“, sagte Lou und ging weiter die Straße entlang, ohne sich noch einmal umzudrehen.